Politiker müssen mal über ihren Schatten springen
Das Prinzip von Mehrheit und Opposition in der Politik ist klar: Die einen stimmen für ihre Projekte und gegen die der anderen – und umgekehrt. Doch es gibt seltene Momente, in denen diese Logik über Bord geworfen werden kann und Politiker nach ihrem Gewissen abstimmen. Ein Beispiel dafür war das Votum über einen Antrag der Opposition im Gemeinderat der Stadt Luxemburg zum umstrittenen Bettelverbot vor zwei Wochen.
Die Opposition schlug vor, den Artikel zum Bettelverbot aus der Polizeiverordnung zu streichen. 16 Nein-Stimmen der DP-CSV-Mehrheit und elf Ja-Stimmen von der Oppositionsbank: So hätte die Abstimmung ausgehen sollen. Bei der Mehrheit sprachen sich aber nur 15 Personen mit Nein aus, DP-Rätin Sylvia Camarda hatte den Saal verlassen und es lag auch keine Vollmacht vor. Auf den Hinweis nach der Sitzung, sie sei nicht im Saal gewesen, antwortete Camarda ausweichend.
Auch Schöffe Paul Galles, der dem sozialen Flügel der CSV zugerechnet werden kann, stimmte mit, aber sicher mit einem Kloß im Hals. Mit seiner Vergangenheit als Pfarrer und seiner
Arbeit im sozialen Bereich dürfte ihm die Abstimmung wohl schwergefallen sein. Gleiches gilt für Sozialschöffin Corinne Cahen (DP), die auf Radio 100,7 auf die Frage, ob sie für das Bettelverbot sei, ins Stocken geriet.
Natürlich gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, den Fraktionszwang. Die Situation erinnert entfernt an 2018, als Nancy Kemp-Arendt als einziges Mitglied der CSV-Fraktion im Parlament für das Euthanasiegesetz stimmte. Gast Gibéryen und Robert Mehlen von der ADR sowie der unabhängige Abgeordnete Aly Jaerling stimmten damals übrigens auch dagegen, was aber in der Öffentlichkeit weniger Aufsehen erregte als das Votum von Kemp-Arendt.
Auch wenn die ehemalige Olympiateilnehmerin im vergangenen Jahr im LW sagte, es sei eine schwierige Zeit gewesen, habe sie den Schritt nie bereut.
Nach außen versucht eine Partei natürlich, eine potenzielle Meinungsverschiedenheit zu kaschieren. Nach innen kann ein solcher Schritt aber durchaus Folgen haben. Persönliche Interessen und das eigene Ego spielen eine Rolle: Wenn ich nicht mitmache, wie sieht dann meine Zukunft aus?
Der Opposition in der Hauptstadt ging es vor allem ums Prinzip. Sie rechnete nicht unbedingt damit, dass ihr Antrag angenommen würde. Rat Pascal Clement (Piraten) hat es auf den Punkt gebracht: „Hört auf euer Herz und springt über euren politischen Schatten.“
Diese Chance wurde leider vertan.
Persönliche Interessen und das eigene Ego spielen eine Rolle.
Kontakt: david.thinnes@wort.lu