Russlands politische Elite wird zur Kasse gebeten
Die Europäische Union hat 13 Sanktionspakete gegen Moskau verhängt – darunter auch das Einfrieren von Vermögen. Zinserträge hiervon sollen nun genutzt werden
Die EU steht „fest an der Seite der Ukraine und ihrer Bevölkerung und wird die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Streitkräfte und den künftigen Wiederaufbau der Ukraine auch weiterhin tatkräftig unterstützen“. Deshalb hat die EU auf Wladimir Putins „willkürlichen Einmarsch in der Ukraine“mit beispiellosen Sanktionen geantwortet.
„Unsere Sanktionen schwächen Russlands wirtschaftliche Basis massiv und schmälern die Möglichkeiten einer Modernisierung. Wir werden weiterhin Druck auf Russland und seine Spießgesellen ausüben. Wir werden auch weiter gegen Putins Helfershelfer vorgehen. Und wir werden gegen all jene vorgehen, die Russland dabei helfen, die Sanktionen zu umgehen oder sein Kriegsarsenal aufzufüllen“, sagt Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission.
Sanktionen umfassen Reiseverbote und Einfrieren von Vermögenswerten
Ebenfalls wurden Sanktionen gegen Einzelpersonen verhängt. Diese umfassen Reiseverbote und das Einfrieren von Vermögenswerten. „Ein Einreiseverbot hindert eine auf der Liste aufgeführte Person an der Einreise in und der Durchreise durch das Gebiet der EU auf dem Land-, Luft- oder Seeweg“, wie es der EU-Rat präzisiert. Das Einfrieren von Vermögenswerten bedeutet, dass die in der Liste aufgeführten Personen und Einrichtungen keinen Zugriff mehr auf ihre Gelder in der EU haben.
Erträge, also Zinsen aus der Verwahrung eingefrorener russischer Zentralbank-Gelder, sollen künftig für die Ukraine genutzt werden können. Schätzungen zufolge könnte jährlich eine Summe in Milliardenhöhe anfallen, da in der EU nach Kommissionsangaben aktuell 21,5 Milliarden Euro an Vermögenswerten als eingefroren und rund 300 Milliarden Euro an Vermögenswerten der russischen Zentralbank in der EU und den G7-Ländern als blockiert gelistet werden. Russland hat sich seine Rohstofflieferungen in europäische Länder nicht in Rubel, sondern in westlichen Devisen bezahlen lassen.
Daher liegen heute rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der EU, und hiervon wiederum zwischen 180 und 200 Milliarden Euro bei Euroclear, das mit Abstand wichtigste Institut, das Vermögenswerte der russischen Zentralbank verwahrt. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinseinnahmen gemacht zu haben, die in Verbindung zu Russlandsanktionen stehen.
Über sechs Milliarden Euro in Luxemburg blockiert
Auch Luxemburg hat Vermögenswerte eingefroren. Die Summe dieser eingefrorenen Vermögenswerte schwankt nach Angaben des Finanzministeriums je nach Marktbewertung zwischen 6,0 und 6,2 Milliarden Euro.
Unter dem Slogan „Make Russia Pay“fordern bereits länger Institutionen, dieses Geld der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Denn nach den völkerrechtlichen Grundsätzen der Staatenverantwortlichkeit schuldet Russland der Ukraine Reparationen. Nach aktuellen Analysen beziffert die EU die Schäden, die Russland der Ukraine durch seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zufügte, auf mindestens 486 Milliarden USDollar.
Aktuell geht es zunächst einmal nur um Einnahmen, die Euroclear außerplanmäßig wegen der EU-Sanktionen gegen die russische Zentralbank mache. Es ist demnach vorerst keine Enteignung im eigentlichen Sinne geplant. Denn einer Enteignung stehen rechtliche Bedenken entgegen. Angaben aus Brüssel zufolge könnten die Erträge der eingefrorenen Gelder über den EU-Haushalt an die Ukraine weitergeleitet werden.
Bedenken gegen Enteignung des russischen Vermögens
Immer wieder wird angeführt, fremdes Staatsvermögen sei völkerrechtlich besonders geschützt und daher vor allem für andere Staaten unantastbar. Die Vorschriften der Verträge über restriktive Maßnahmen – hier vor allem der Art. 215 (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) – seien erkennbar auf Wirtschaftssanktionen gemünzt. Eine Ausdehnung mit Nutzung russischen Staatsvermögens für die Ukraine mit Blick auf die Staatenimmunität ginge hierüber wohl hinaus.
Juliane Kokott, Generalanwältin am Gerichtshof der Europäischen Union in Kirchberg, macht aber in einem Fachbeitrag bei Legal Tribune Online deutlich, dass es diesen Schutz für Staaten „nur“vor den Gerichten anderer Staaten gibt. Wenn also ein souveräner Staat wie Luxemburg beschließe, durch ein Gesetz gegenüber einem anderen souveränen Staat wie Russland zu handeln und dessen in Luxemburg vorhandenes Zentralbankvermögen zu konfiszieren, stelle sich die Frage der Staatenimmunität gar nicht. Der Staat Russland genieße demnach keine allgemeine Immunität gegenüber dem Staat Luxemburg, sondern nur vor luxemburgischen Gerichten.
Wie der Rat der Mitgliedstaaten mitteilte, wurden Anfang Februar zwei Gesetzestexte angenommen. Diese regeln unter anderem, dass außerordentliche Erträge aus der Verwahrung der Zentralbank künftig gesondert aufbewahrt werden müssen. In einem zweiten Schritt ist dann geplant, Erträge für den Wiederaufbau der von Russland angegriffenen Ukraine bereitzustellen.
Lehnt beispielsweise die „Kommunistesch Partei Lëtzebuerg (KPL)“jegliche EUSanktionen gegen Russland grundsätzlich ab, spricht LSAP-Politiker Marc Angel von einer „guten Aktion, dass dieses Paket mit verschärften Maßnahmen verabschiedet wurde“. Der Vizepräsident des Europaparlaments hob besonders das Einfuhrverbot von Diamanten hervor, denn von der EUKommission wurden Russlands Einnahmen aus dem Verkauf von Diamanten „zuletzt auf rund vier Milliarden Euro pro Jahr geschätzt“, präzisiert Angel.
Wichtig sei auch die neue Klausel, die für EU-Exporteure und eine begrenzte Anzahl von Gütern gilt. Sie besagt, dass beim Verkauf, der Lieferung, der Verbringung oder der Ausfuhr in ein Drittland die Wiederausfuhr nach Russland sowie die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich verboten sei. Unter die Verbotsklausel fallen Güter mit doppeltem Verwendungszweck oder Technologiegüter, die in russischen Militärsystemen verwendet werden, sowie Luftfahrtgüter und Waffen.
Immerhin umfasst der Wert der mit Sanktionen belegten Ausfuhren nach Russland rund 44 Milliarden Euro und der Wert der mit Sanktionen belegten Einfuhren aus Russland über 91 Milliarden Euro. Diese Verbote werden von den Zollbehörden der EU umgesetzt. Auch der Punkt, dass Erben von verstorbenen Personen, die auf der Sanktionsliste stehe, nicht an eingefrorenes Vermögen kommen, sei hier zu begrüßen, so Angel.
Weitere Personen sanktionieren
Die Sanktionen, die seit dem Einmarsch in die Ukraine gegen Russland verhängt wurden, „sind notwendig, jedoch nicht ausreichend, denn es gibt einige Schlupflöcher“, resümiert es die EU-Abgeordnete Monica Semedo. Für sie ist ein Problem, „dass Ungarn der einzige Mitgliedstaat im Rat ist, der die Verabschiedung einiger Sanktionen blockiert“. Mit ihrer Fraktion Renew Europe will sie, „dass alle 6.968 Personen, die auf der Liste der von Alexej Nawalny gegründeten Stiftung für Korruptionsbekämpfung stehen, entsprechend sanktioniert werden“. Semedo spricht sich auch dafür aus, dass die in der EU eingefrorenen russischen Gelder und Vermögenswerte zur Unterstützung und zum Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden.
Für die CSV-Europaabgeordnete Isabel Wiseler „bekräftigt die EU mit dem 13. Sanktionspaket ihre Entschlossenheit, den wirtschaftlichen Würgegriff um die russische Regierung weiter zu verschärfen, um ihre Möglichkeiten, Krieg gegen die Ukraine zu führen, einzuschränken“. Besonders wichtig sei, dass die Liste der Unternehmen und Personen, gegen die Sanktionen verhängt wurden, erheblich erweitert wurde, so dass sie nicht mehr in die EU reisen können und ihre Vermögenswerte eingefroren sind. „Es ist zu hoffen, dass die EU bald auch in der Lage sein wird, Sank
Es ist eine gute Aktion, dass dieses Paket mit verschärften Maßnahmen verabschiedet wurde. Marc Angel (LSAP), Vizepräsident des Europaparlaments
tionen gegen Rosatom, das staatliche Atomunternehmen, zu verhängen“, so Wiseler.
Noch mehr Druck auf die Verantwortlichen ausüben
Tilly Metz, Europaabgeordnete der Grünen, verurteilt „zusammen mit der grünen Fraktion des EU-Parlaments weiterhin entschieden Russlands unrechtmäßigen Angriff auf die Ukraine sowie den rezenten und schrecklichen Tod des russischen Oppositionsführer Alexei Navalny“. Die Sanktionspakete der EU gegen Russland seien ein angemessener Schritt, „um weiterhin auf diese Verstöße zu reagieren“.
Die Erweiterung der Sanktionsliste auf über 140 weitere natürliche und juristische
Personen, einschließlich Akteure des russischen Militär- und Verteidigungssektors sowie des IT-Sektors, sei notwendig, um mehr Druck auf die Verantwortlichen auszuüben, so Metz. Die Verschärfung der Pflichten im Zusammenhang mit dem Einfrieren von Vermögenswerten, sowie die Maßnahmen zur Bekämpfung von Umgehungspraktiken seien hier entscheidend, um sicherzustellen, dass die Sanktionen auch effektiv umgesetzt werden. Es sei wichtig, dass die EU weiterhin geschlossen und entschlossen handele, um Russlands Aggressionskrieg und Menschenrechtsverletzungen zu begegnen, und die Stabilität in der Region wieder herzustellen, sagt die Grünen-Politikerin.
„Die verhängten Sanktionen sind ein wesentlicher Schlüssel zur Schwächung des militärischen Potenzials Russlands und zur Einschränkung seines Zugangs zu militärischen Gütern und neuesten Technologien“, sagt die CSV-EU-Parlamentarierin Martine Kemp. „Wir dürfen in unserer Entschlossenheit nicht nachlassen, diese Sanktionen aufrechtzuerhalten und, wenn nötig, auch zu verschärfen.“Das, bis der letzte russische Soldat die besetzten Gebiete der Ukraine verlassen hat, und Russland sich bereit erklärt, für alle Schäden aufzukommen, die der Ukraine entstanden sind. „Dies ist nicht nur ein Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen die gesamte demokratische Welt und ihre Werte. Wenn die Ukraine fällt, wird die EU das nächste Ziel sein“, sagt Kemp.
Zweifel am Erfolg der Sanktionen
Skeptischer sieht Charles Goerens die Sanktionspakete. Der DP-EU-Abgeordnete wagt zu bezweifeln, dass „das rezent angenommene Sanktionspaket der EU sich als erfolgreich beweisen wird“. In der Tat hätten die zwölf bis dato angenommenen Sanktionspakete „offensichtlich nicht dazu beigetragen, den Kreml von seinen Annexionsabsichten bezüglich der Ukraine abzubringen“.
Auch darf man in der Bewertung der EU Sanktionspolitik die Schäden, „die auch für unsere Wirtschaft sehr spürbar sind“, nicht unterschätzen, so Goerens. „Nun sind wir uns einig, dass man den Ukrainekrieg nicht alleine mit einer Sanktionspolitik beenden kann. Es wäre demnach wünschenswert, wenn die Vereinigten Staaten und die EU mit all ihren Mitgliedsstaaten sich dazu entschließen, der Ukraine die nötige Ausrüstung in genügendem Maße und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zukommen zu lassen.“Davon hänge das Los und das Schicksal der 40 Millionen Menschen in der Ukraine „mindestens genau so viel ab als von den alleinigen Sanktionen“. Demnach kann Goerens die beschlossenen Maßnahmen nur gutheißen, wenn sie Bestandteil einer Gesamtstrategie sind, „die zu einem schnellstmöglichen Ende des Kriegstreibens im Herzen Europas führen“.
Bis der letzte russische Soldat die besetzten Gebiete der Ukraine verlassen hat. Martine Kemp (CSV), Abgeordnete im EU-Parlament