Warum Macrons militärisches Gedankenspiel ein Rohrkrepierer ist
Frankreichs Präsident schließt die Entsendung eigener Truppen in die Ukraine nicht mehr aus. Das stößt auf heftige Kritik. Auch Moskau hat schon reagiert
Emmanuel Macron eckt mit seinen Äußerungen oft an. Dass der französische Präsident im In- und Ausland geschlossen auf Ablehnung stößt, ist allerdings eher selten. Seine Ankündigung, eine Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nicht mehr auszuschließen, war ein solcher Fall. „Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann“, sagte er am Montagabend zum Abschluss der von ihm organisierten Ukraine-Unterstützerkonferenz in Paris.
Bodentruppen würden allerdings das Überschreiten einer roten Linie bedeuten. Die Antworten auf Macrons Vorstoß fielen deshalb entsprechend heftig aus.
„Klar ist: Es wird keine Bodentruppen der europäischen Staaten oder der NATO geben. Das gilt“, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz, der an der Unterstützerkonferenz teilgenommen hatte, im Kurznachrichtendienst X. Die Haltung der Pariser Gesprächspartner sei in dieser Frage sehr einhellig gewesen, fügte er bei einem Auftritt am Dienstag in Freiburg hinzu. Die NATO betonte, dass es kein Projekt gebe, Kampftruppen in die Ukraine zu schicken. Auch die britische Regierung plant keine Entsendung von Bodentruppen im großen Format. Es seien lediglich einige wenige Briten vor Ort, um die Ukrainer vor allem bei der medizinischen Ausbildung zu unterstützen.
Kremlsprecher Dmitri Peskow warnte den Westen davor, mit Bodentruppen in den Krieg einzugreifen. Eine solche Entscheidung mache einen Konflikt zwischen Russland und der NATO nicht nur wahrscheinlich, sondern unvermeidlich, sagte Peskow laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass.
Das Pariser Treffen, an dem 21 Staatsund Regierungschefs teilnahmen, sollte die Hilfe für die Ukraine verstärken. Fortschritte gab es in der Frage des Munitionskaufs in Ländern außerhalb Europas. Tschechien hatte die Initiative ergriffen, 800.000 Schuss Munition in Drittstaaten zu kaufen, und dazu 15 andere Länder mit ins Boot geholt. Die EU hatte der Ukraine, die dringend Nachschub braucht, eine Million Schuss Munition versprochen, aber bisher laut Präsident Wolodymyr Selenskyj nur 30 Prozent geliefert.
„Emmanuel Macron spielt den Kriegsherren“
In der heiklen Frage von Marschflugkörpern für die Ukraine rief Macron eine Arbeitsgruppe ins Leben, die sich mit der Frage der Raketen mittlerer und langer
Reichweite befassen soll. Frankreich liefert bereits Scalp-Marschflugkörper. Deutschland weigert sich dagegen, seine Taurus-Raketen zur Verfügung zu stellen, da damit eine Programmierung durch deutsche Soldaten vor Ort nötig wäre. Ansonsten ist Deutschland aber das europäische Land, das die größte Militärhilfe für die Ukraine leistet. Frankreich liegt laut dem Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel nur auf dem 16. Platz – hinter Verbündeten wie Lettland oder Polen. Laut einem mit der Ukraine unterzeichneten Sicherheitsabkommen will Paris dieses Jahr Militärhilfe von bis zu drei Milliarden Euro leisten. Die Summe ist allerdings nicht im Haushalt gegenfinanziert.
Von der französischen Opposition erntete Macrons Vorstoß zu den Bodentruppen heftige Kritik. „Emmanuel Macron spielt den Kriegsherrn“, reagierte die Frontfrau des rechtspopulistischen Rassemblement National, Marine Le Pen. Dabei setze der Präsident das Leben „unserer Kinder“aufs Spiel. Le Pen hatte sich noch im Wahlkampf 2017 stolz an der Seite des russischen Präsidenten Wladimir Putin fotografieren lassen und den Kredit einer Putin-nahen Bank angenommen.
Ein Untersuchungsausschuss der Nationalversammlung attestierte dem RN im vergangenen Jahr, ein „Transmissionsriemen“russischer Rhetorik gewesen zu sein, auch wenn die Partei ihre Position nach dem russischen Überfall auf die Ukraine etwas abgemildert habe. Der starke Mann der Linkspartei La France Insoumise (LFI), Jean-Luc Mélenchon, bezeichnete Macrons Idee als „Verrücktheit“. LFI fordert eine „diplomatische Lösung“des Konflikts.