Klimaschädliche Gase einfangen und wegsperren
Bis vor kurzem war die Diskussion um die Einlagerung von CO2 noch ein Tabuthema – jetzt wagt Europa einen neuen Vorstoß
Von Klimatologen gibt es wieder alarmierende Nachrichten: Der Winter in Mitteleuropa ist viel zu warm. Dass der Ausstoß klimaschädlicher Gase, allen voran das Kohlendioxid (CO2), dringend reduziert werden muss, ist Konsens. Doch die Emissionen gehen nicht zurück, sie steigen weltweit.
Eine Idee, die lange in Luxemburg wie auch beispielsweise in Deutschland verpönt war, ist Carbon Capture: CO2 einzufangen und irgendwo sicher zu lagern. In beiden Ländern wurde das auch gesetzlich untersagt. Interessanterweise hat nun aber der grüne deutsche Wirtschaftsminister erklärt, er wolle das Einfangen und Lagern von Kohlendioxid doch ermöglichen. Es wäre zumindest mittelfristig eine effiziente Methode, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu reduzieren.
Ein Sinneswandel hat stattgefunden
Vor einem Monat kam die „European Carbon Management Proposition“heraus, nach der bis 2030 Carbon CaptureKapazitäten in Europa aufgebaut werden sollen, mit denen 50 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus der Luft abgeschieden werden können. In der EU soll die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre auch künftig zertifiziert werden. Zwar sei es am wichtigsten, weniger CO2 zu emittieren, heißt es von der EU-Kommission. Gleichzeitig müssten verbleibende Emissionen aber ausgeglichen werden – etwa indem CO2 aus der Luft entfernt wird (Carbon Capture).
Die lange Blockade der Idee des Carbon Capture war laut Dr. Gaston Trauffler, Head of Industrial Policy des Industrieverbands Fedil, vor allem ideologisch geprägt. Mit dem Argument, dass dann die Botschaft nicht bei den Menschen und der Industrie ankäme, dass dekarbonisiert werden und sich deswegen die Lebens- und Produktionsweise ändern müsse. Man wollte nicht den Eindruck erwecken, alles könne weitergehen wie gewohnt, mit dem einzigen Unterschied, man müsse eben nur das erzeugte CO2 einfangen.
„Ich denke, es hat hier in den Ministerien, aber auch allgemein in Europa, ein großes Umdenken stattgefunden, indem erkannt wird, dass wir technologieneutral an dieses Thema herangehen müssen“, sagt Trauffler. „Diesen Wandel sehen wir nicht nur bei Carbon Capture, sondern auch bei der ganzen Nukleardiskussion.“Mit der Energiekrise 2022 gab es in Deutschland eine Mehrheit von Menschen, die den Atomausstieg nach hinten verschieben wollte.
„Carbon Capture ist technisch machbar, aber viele Applikationen gibt es derzeit nur im Labor, obwohl bei den Emissionszielen 2040 der Europäischen Kommission Carbon Capture explizit aufgeführt ist als eines der Mittel, das zur Klimaneutralität beitragen soll.“Es geht also jetzt darum, schnell auf industrielle Weise Verfahren zu nutzen, um CO2 einzufangen und zu lagern. Ein Problem beim Carbon Capture: Lagerstätten zu finden. Das kann dauern.
Das Luxemburger Umweltministerium hat jedenfalls eine Initiative gestartet, um die Möglichkeiten des Carbon Capture in Luxemburg zu diskutieren. Welche Industrien sind betroffen? Welche Mengen an CO2 wären es, die eingefangen werden könnten und wie würde man sie dann transportieren?
„CO2 einfangen bedeutet nicht, es irgendwo aus der Luft zu filtern, das wäre ineffizient“, sagt Trauffler. Man müsste das CO2 bestenfalls dort aus der Luft filtern, wo es in großen Mengen entsteht. „In Luxemburg käme beispielsweise ein Zementwerk infrage“, erklärt Trauffler. Die dort entstehenden Emissionen wären ein zuverlässiger CO2-Lieferant. Denn um eine Anlage zum Herausfiltern von CO2 aus der Luft zu betreiben, braucht es wiederum Energie, und damit sich der Betrieb rechnet, muss auch möglichst viel CO2 dabei eingefangen werden können.
Der europäische Emissionshandel und seine ungewollten Effekte
Damit gar nicht erst in riesiger Größenordnung CO2 erzeugt wird, dazu soll der Europäische Emissionshandel dienen. Unternehmen müssen „Rechte“kaufen, um Klimagase ausstoßen zu dürfen. Das soll dazu beitragen, dass die Industrie sich wandelt und weniger CO2 ausstößt, weil jede erzeugte Tonnen teuer ist. Alternativen zu diesem System scheinen nicht zu funktionieren oder sind zu schwach, meint Prof. Dr.-Ing. Stefan Maas von der Université du Luxembourg. Allerdings müsse der CO2-Preis weiter angepasst werden. Zudem brauche Europa ein besseres und stärkeres europäisches Strom-Netzwerk, Speicher für Strom und Wasserstoff (H2). Allerdings gebe es noch keine H2-Wirtschaft auf industrieller Ebene.
Der Europäische Emissionshandel ist seit 2005 das zentrale Klimaschutzinstrument der EU. Laut Unterlagen der Industrievereinigung Fedil sind seit Inkrafttreten dieses Systems in Luxemburg die CO2-Emissionen der Industrie um 62 Prozent zurückgegangen. Liegt das aber allein am Emissionshandel? Oder vielleicht auch an der Deindustrialisierung?
„Es liegt sicher nicht nur am Emissionshandel“, sagt Trauffler. „Aber auch Deindustrialisierung, wenn also ein Unternehmen hier weggeht und woanders produziert, hat mit dem Emissionshandel zu tun.“
Trauffler nennt als Beispiel die Aluminiumindustrie. Während die Nachfrage nach Aluminium nicht abnimmt, sondern steigt, wird in Europa dennoch Jahr für Jahr weniger Aluminium produziert. Doch für das Klima ist es aber egal, ob die CO2-Emissionen hier oder in China stattfinden. Europa kann es jedoch nicht egal sein, wenn es immer mehr Aluminium aus China importieren muss – auch der Transport verursacht Emissionen, gleichzeitig macht man sich immer abhängiger von Importen aus China. „Die Unternehmen gehen nicht von hier weg, weil es hier keine Abnehmer mehr gäbe, sondern weil es zu teuer ist, hier zu produzieren“, sagt Trauffler.
Andere Länder haben keinen Emissionshandel; und die, die ein mehr oder weniger ähnliches System haben, haben viel niedrigere CO2-Preise als Europa.
„Damit die europäische Industrie ihre Produktion nicht verlagert, muss der Carbon Border Adjustment Mechanism irgendwann endlich greifen, wo wir uns jetzt in einer Pilotphase für die Stahl- und Zementindustrie befinden“, sagt Stefan Maas. Mit diesem Mechanismus wird auch Waren, die in die EU eingeführt werden, ein CO2-Preis gegeben.
Trauffler allerdings gibt zu bedenken: auch Aluminiumwerke, die Alubarren einführen, um sie hier zu verarbeiten, müssen in Zukunft dann Carbon Border Adjustment bezahlen. „Und sollen das dann wieder auf dem Weltmarkt verkaufen? Das kann nicht funktionieren.“Denn zum ohnehin schon hohen europäischen Strompreis für die Produktion kommt dann noch die CO2-Einfuhrsteuer hinzu.
Dabei ist Trauffler gar nicht gegen das Carbon-Grenzausgleichssystem, im Gegenteil: Es veranlasse vielleicht China, selbst seinen Emissionshandel auszuweiten. Und den Preis für das ausgesto
Es wird erkannt, dass wir technologieneutral an dieses Thema herangehen müssen. Gaston Trauffler, Head of Industrial Policy des Industrieverbands Fedil
ßene Klimagas anzuheben. Der europäische Preis im Emissionshandel liegt derzeit bei 80 bis 90 Euro pro erzeugter Tonne CO2 .Der zweithöchste Preis fällt in Neuseeland an – und beträgt nur die Hälfte des europäischen Preises. Der Ausstoß einer Tonne CO2 in China kostet dagegen keine neun Euro. Im Prinzip müssten sich UNO oder WTO mit der CO2-Problematik und einem Emissionspreis dafür befassen und allgemeinverbindliche Regeln implementieren. Dass es dazu kommt, ist nicht sehr wahrscheinlich.
Bei Klimazielen und Klimapolitik einfach nur der Industrie Limits zu setzen wie seinerzeit beim ozonschädigenden FCKW sei der falsche Weg, findet Trauffler. „Denn CO2 ist eine ganz andere Dimension als es damals FCKW war.“
Es gibt keine europäische Industriepolitik, bedauert Trauffler. Eine solche aber brauche die Industrie genauso wie günstigen CO2-freien Strom. „Dann hätten wir das CO2-Problem gelöst, da der Großteil der Industrieproduktion elektrifizierbar ist.“