Die andere Stimme in der hauptstädtischen DP
Gemeinderatsmitglied Colette Mart äußert sich über ihre Partei, das Bettelverbot und das Beissel-Video
„Ich bin in den vergangenen Tagen oft gefragt worden, wie ich mich in meiner Partei fühle, und wo ich stehe“: So beginnt ein vor wenigen Tagen veröffentlichter Facebook-Post von Colette Mart, amtierendes Ratsmitglied der Stadt Luxemburg für die DP und langjährige Schöffin. Im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“erklärt die 68-Jährige, was es mit diesem Post auf sich hat.
Bereits wenige Tage zuvor hatte Colette Mart einen weiteren Beitrag veröffentlicht. Die Initiative dazu kam nach den Diskussionen um das Beissel-Video. „Die Botschaften in diesem Video und die Kategorisierung der Menschen haben mir nicht gefallen“, sagt Mart, die aber im gleichen Atemzug betont: „Ich möchte meine Parteikollegin nicht angreifen. Aber ich selbst wurde als Kind wie ein Ausländer behandelt. Nach dem Video habe ich viele Reaktionen bekommen.“
Im Zuge dieser Posts und Aussagen stellt sich natürlich die Frage, ob Colette Mart ihren Platz noch in der DP sieht. Ein Parteiaustritt steht für sie aber nicht zur Diskussion: „Die Situation ist schwierig, da nicht alle hinter dem Bettelverbot stehen. Aber niemand beabsichtigt auszutreten. Dennoch gibt es auch andere Stimmen in der DP. Und einige zweifeln an der Entscheidung, und wir wollen für unsere Werte kämpfen.“
Zu der Meinung der restlichen DP-Mitglieder macht sie keine Angaben. Allerdings gab es am vergangenen Montag im Stadtrat eine Szene, die Hinweise gibt. Zunächst stellte die Opposition Fragen zum Beissel-Video. Währenddessen hatte Ratsmitglied Sylvia Camarda Tränen in den Augen. „Sylvia hat mir gesagt, dass sie es gut findet, dass ich mich anders positioniere“, erklärt Mart. Camarda hatte vor einem Monat bei einem Antrag der Opposition, das Bettelverbot aus der Polizeiverordnung zu streichen, nicht mit abgestimmt.
Wenn man von den Likes auf einen der Facebook-Posts von Colette Mart auf andere DP-Mitglieder schließen kann, die ähnlich denken wie sie, dann fällt – neben Mitgliedern der Opposition – eine Per
son besonders auf: Corinne Cahen (DP), aktuelle Sozialschöffin.
Colette Mart wiederum saß von 2011 bis 2023 im Schöffenrat der Hauptstadt und ist sich bewusst, dass ihre aktuellen Aussagen im Widerspruch zu ihrem politischen Handeln stehen. „Ich stehe dazu, dass ich an der Änderung des Polizeireglements mitgewirkt habe. Es gab einen Konsens in der Partei. Und es gab auch Druck aus der Bevölkerung.“Dann fügt sie hinzu: „Aber ich habe ein Problem mit dem politischen Diskurs, der daraus entstanden ist, und der sich gegen die Gruppe der Roma und Sinti richtet. Ich bin noch nie von diesen Menschen angegriffen worden. Die Wahrscheinlichkeit, von einem Luxemburger oder einem Franzosen angegriffen zu werden, ist größer.“
„Verstehen wir die Bettler überhaupt?“
Auf die Frage, ob sie ihre Meinung auch in der DP-Fraktion der Hauptstadt ent
sprechend äußern würde, antwortet die ehemalige Schöffin: „Unter Gleichgesinnten reden wir viel darüber. In der Fraktion halte ich mich zurück, weil ich mich nicht stark genug fühle, um diese Diskussionen zu führen. Ich weiß aber, dass einige Mitglieder die Aussagen von Simone Beissel teilen – auch in der CSV.“
Sie spürt aber auch Unterstützung: „Ich muss sagen, dass die Mitglieder des Schöffenrats konstruktiv auf mich zugegangen sind. Wir sind ein Team und gehören zusammen, das ist das Resümee.“
Dennoch ist Colette Mart überrascht über das Ausmaß der Diskussionen über das Bettelverbot: „Das gab es noch nie. Das Thema hat die Menschen tief berührt. Es berührt einen selbst, und man muss sich als Politiker hinterfragen.“Die gelernte Journalistin gibt sich nachdenklich: „Verstehen wir die Bettler überhaupt? Können wir uns in sie hineinversetzen? Im Nachhinein frage ich mich, ob wir richtig gehandelt haben.“