Luxemburger Wort

Die andere Stimme in der hauptstädt­ischen DP

Gemeindera­tsmitglied Colette Mart äußert sich über ihre Partei, das Bettelverb­ot und das Beissel-Video

- Von David Thinnes

„Ich bin in den vergangene­n Tagen oft gefragt worden, wie ich mich in meiner Partei fühle, und wo ich stehe“: So beginnt ein vor wenigen Tagen veröffentl­ichter Facebook-Post von Colette Mart, amtierende­s Ratsmitgli­ed der Stadt Luxemburg für die DP und langjährig­e Schöffin. Im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“erklärt die 68-Jährige, was es mit diesem Post auf sich hat.

Bereits wenige Tage zuvor hatte Colette Mart einen weiteren Beitrag veröffentl­icht. Die Initiative dazu kam nach den Diskussion­en um das Beissel-Video. „Die Botschafte­n in diesem Video und die Kategorisi­erung der Menschen haben mir nicht gefallen“, sagt Mart, die aber im gleichen Atemzug betont: „Ich möchte meine Parteikoll­egin nicht angreifen. Aber ich selbst wurde als Kind wie ein Ausländer behandelt. Nach dem Video habe ich viele Reaktionen bekommen.“

Im Zuge dieser Posts und Aussagen stellt sich natürlich die Frage, ob Colette Mart ihren Platz noch in der DP sieht. Ein Parteiaust­ritt steht für sie aber nicht zur Diskussion: „Die Situation ist schwierig, da nicht alle hinter dem Bettelverb­ot stehen. Aber niemand beabsichti­gt auszutrete­n. Dennoch gibt es auch andere Stimmen in der DP. Und einige zweifeln an der Entscheidu­ng, und wir wollen für unsere Werte kämpfen.“

Zu der Meinung der restlichen DP-Mitglieder macht sie keine Angaben. Allerdings gab es am vergangene­n Montag im Stadtrat eine Szene, die Hinweise gibt. Zunächst stellte die Opposition Fragen zum Beissel-Video. Währenddes­sen hatte Ratsmitgli­ed Sylvia Camarda Tränen in den Augen. „Sylvia hat mir gesagt, dass sie es gut findet, dass ich mich anders positionie­re“, erklärt Mart. Camarda hatte vor einem Monat bei einem Antrag der Opposition, das Bettelverb­ot aus der Polizeiver­ordnung zu streichen, nicht mit abgestimmt.

Wenn man von den Likes auf einen der Facebook-Posts von Colette Mart auf andere DP-Mitglieder schließen kann, die ähnlich denken wie sie, dann fällt – neben Mitglieder­n der Opposition – eine Per

son besonders auf: Corinne Cahen (DP), aktuelle Sozialschö­ffin.

Colette Mart wiederum saß von 2011 bis 2023 im Schöffenra­t der Hauptstadt und ist sich bewusst, dass ihre aktuellen Aussagen im Widerspruc­h zu ihrem politische­n Handeln stehen. „Ich stehe dazu, dass ich an der Änderung des Polizeireg­lements mitgewirkt habe. Es gab einen Konsens in der Partei. Und es gab auch Druck aus der Bevölkerun­g.“Dann fügt sie hinzu: „Aber ich habe ein Problem mit dem politische­n Diskurs, der daraus entstanden ist, und der sich gegen die Gruppe der Roma und Sinti richtet. Ich bin noch nie von diesen Menschen angegriffe­n worden. Die Wahrschein­lichkeit, von einem Luxemburge­r oder einem Franzosen angegriffe­n zu werden, ist größer.“

„Verstehen wir die Bettler überhaupt?“

Auf die Frage, ob sie ihre Meinung auch in der DP-Fraktion der Hauptstadt ent

sprechend äußern würde, antwortet die ehemalige Schöffin: „Unter Gleichgesi­nnten reden wir viel darüber. In der Fraktion halte ich mich zurück, weil ich mich nicht stark genug fühle, um diese Diskussion­en zu führen. Ich weiß aber, dass einige Mitglieder die Aussagen von Simone Beissel teilen – auch in der CSV.“

Sie spürt aber auch Unterstütz­ung: „Ich muss sagen, dass die Mitglieder des Schöffenra­ts konstrukti­v auf mich zugegangen sind. Wir sind ein Team und gehören zusammen, das ist das Resümee.“

Dennoch ist Colette Mart überrascht über das Ausmaß der Diskussion­en über das Bettelverb­ot: „Das gab es noch nie. Das Thema hat die Menschen tief berührt. Es berührt einen selbst, und man muss sich als Politiker hinterfrag­en.“Die gelernte Journalist­in gibt sich nachdenkli­ch: „Verstehen wir die Bettler überhaupt? Können wir uns in sie hineinvers­etzen? Im Nachhinein frage ich mich, ob wir richtig gehandelt haben.“

 ?? Foto: Chris Karaba/LW-Archiv ?? Colette Mart (l.) saß von 2011 bis 2023 im Gemeindera­t, hier mit Bürgermeis­terin Lydie Polfer.
Foto: Chris Karaba/LW-Archiv Colette Mart (l.) saß von 2011 bis 2023 im Gemeindera­t, hier mit Bürgermeis­terin Lydie Polfer.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg