Das erste Kräftemessen zweier Superstars
Beim Etappenrennen Paris-Nice sind neben Primoz Roglic und Remco Evenepoel auch vier Luxemburger Radprofis am Start
Die Erinnerungen sind noch nicht verblasst: Im vergangenen Jahr sorgten Tadej Pogacar (SLO/Emirates) und Jonas Vingegaard (DK/Visma) beim Etappenrennen Paris-Nice für ein spannendes Spektakel. Die Auseinandersetzung der beiden Superstars war sehenswert. In diesem Jahr fehlen die beiden Profis. Das ist allerdings zu verschmerzen: Denn die anderen beiden der gerne als Fantastic Four bezeichneten Rundfahrt-Spezialisten, die sich im Sommer alle bei der Tour de France treffen werden, geben sich die Ehre.
Das „Rennen zur Sonne“, das morgen in Les Mureaux gestartet wird und eine Woche später an der Mittelmeerküste in Nice endet, offenbart bei seiner 82. Ausgabe ein Kräftemessen zwischen Primoz Roglic (SLO/Bora) und Remco Evenepoel (B/Soudal). Vingegaard hat sich in diesem Jahr für das andere große Vorbereitungsrennen Tirreno-Adriatico entschieden. Paris-Nice-Titelverteidiger Pogacar hat ebenfalls andere Pläne: Er bestreitet das Eintagesrennen Strade Bianche (Samstag) und dann Mailand-San Remo (16. März), bevor er sich auf den Giro d‘Italia vorbereitet.
Roglic wird ganz besonders im Fokus stehen. Für den Slowenen ist Paris-Nice das erste Saisonrennen. Der 34-Jährige startet traditionell spät ins Jahr. Das hat den ehemaligen Skispringer allerdings noch nie davon abgehalten, gleich zu performen. Dennoch ist in diesem Jahr vieles anders: Roglic hat im Winter nach acht Jumbo-Jahren das Team gewechselt. Nun ist er bei Bora-hansgrohe Teamkollege von Bob Jungels, der ihn bei Paris-Nice begleiten wird. „Es war einfach an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Ich war bereit dafür und es war die richtige Wahl. Ich habe mich im Bora-Umfeld so
fort wohlgefühlt. Alles läuft perfekt. Ich freue mich auf die nächsten Monate und darauf, dass es nun auch für mich endlich losgeht“, erzählt Roglic.
Evenepoel feiert seine Premiere
Der 34-Jährige weiß, was ihn erwartet. Zweimal hat Roglic bislang an Paris-Nice teilgenommen, zweimal sorgte er für Schlagzeilen. 2021 bleibt unvergessen. Er gewann beeindruckende drei Etappen, trug das Leadertrikot bis in den letzten Tag hinein und gab den Gesamtsieg auf den letzten 25 Kilometern nach einem Sturz noch aus der Hand. Ein Jahr später war er erneut am Start und nahm seine Revanche. Gegen den Slowenen, der so ziemlich jedes einwöchige Rennen im World-TourKalender gewonnen hat, war kein Kraut gewachsen. Dieses Mal soll es für den dreimaligen Vuelta-Triumphator genauso gut laufen.
Das möchte Evenepoel natürlich verhindern. Der Belgier beendet mit seiner Teilnahme eine kuriose Serie: Seitdem der Zeitfahr-Weltmeister 2019 ins Profilager wechselte, hat er mit Ausnahme des Zeitfahrens beim Chrono des Nations noch nie einen Wettkampf in Frankreich bestritten – weder ein klassisches Eintagesrennen noch eine Rundfahrt oder ein Etappenrennen!
Der 24-Jährige lächelt die Statistik weg: „Ich bin als Junior sehr viele Rennen in Frankreich gefahren und habe alle gewonnen.“Der direkte Vergleich mit Roglic, den es im April zusammen mit Vingegaard erneut bei der Baskenland-Rundfahrt geben wird, wird interessant. Evenepoel ist sehr stark ins Jahr gestartet. Bei der Figueira Classic und der Algarve-Rundfahrt hat er jeweils gewonnen.
Bei Paris-Nice muss an Tag drei ein Teamzeitfahren absolviert werden, bei dem im Ziel für alle Fahrer einer Mannschaft die Zeit ihres ersten Fahrers gewertet wird. Ansonsten versprechen vor allem die Etappen drei mit Ziel am Mont Brouilly und sieben mit Ziel im Skiort Auron eine packende Auseinandersetzung.
Evenepeoel hat Paris-Nice als „Ziel Nummer eins der ersten Saisonhälfte“gekennzeichnet. Mattia Cattaneo (I), Gianni Moscon (I) und Ilan van Wilder (B) sollen ihm den Weg zum Triumph ebnen. Mikel Landa (E) ist nicht am Start. Roglic setzt auf der anderen Seite auf Aleksandr Vlasov (RUS), Matteo Sobrero (I) und Jungels.
Der 31-Jährige, der seinen Kapitän im Höhentrainingslager auf Teneriffa näher kennenlernen konnte, ist überzeugt: „Primoz wird alle im Team besser machen. Mit Roglic gibt es fast so etwas wie eine Garantie. Er wird Siege feiern – auch bei großen Wettkämpfen. Wir werden bei sehr vielen Rennen mit dem Ziel des Siegens an den Start gehen. Das ist für jeden in der Mannschaft eine immense Motivation.“Jungels selber ist mit Rang 18 bei der Vuelta a Murcia und Platz 15 in der Algarve gut ins Jahr gestartet. Am vergangenen Wochenende war er beim Opening Weekend in Belgien allerdings chancenlos.
In den kommenden Tagen wird er sich im Peloton auch auf Luxemburgisch unterhalten können, denn Alex Kirsch (Lidl), Kevin Geniets (Groupama) und Arthur Klu
Ich bin als Junior sehr viele Rennen in Frankreich gefahren und habe alle gewonnen. Remco Evenepoel
ckers (Tudor) sind dabei. Sie sind in Form: Kirsch untermauerte das zuletzt mit den Rängen 15 und 20 in Belgien, während Geniets bislang in jedem seiner Saisonrennen eine gute Rolle spielte: Er startete mit dem befreienden Sieg beim GP La Marseillaise, dann folgten die Etoile de Bessèges (10.), die Classic Var (37.), die Tour des AlpesMaritimes (12.), die Ardèche Classic (11.) und schließlich die Drôme Classic (16.).
Kirsch hat zwei ausgemachte Kapitäne im Team: Mads Pedersen (DK) soll Etappen gewinnen und Mattias Skjelmose (DK) peilt das Schlusspodium an. Beim GenietsArbeitgeber dreht sich alles um David Gaudu (F), der im vergangenen Jahr Zweiter wurde. Die anderen Herausforderer heißen Carlos Rodriguez (E/Ineos), Egan Bernal (COL/Ineos), Joao Almeida (P/Emirates), Felix Gall (A/Decathlon), Pello Bilbao (E/Bahrain) und Matteo Jorgenson (USA/Visma).
Wer noch am Stellenwert von Paris-Nice zweifelt, muss nur Ralph Denk zuhören. Das Rennen „ist für uns schon wichtig“, sagt der Bora-hansgrohe-Teamchef. „Es sind einige Fahrer dabei, die auch so für die Tour de France vorgesehen sind. Und da muss die Mannschaft schon auch ein Stück weit eingespielt sein. Sie müssen sich gut verstehen und sich vertrauen. Es ist also ein erster Härtetest.“Jungels wird demnach gefordert sein. Aber nicht nur er.