Gründungsvater der USA und Sklavenhalter
Die Unabhängigkeitserklärung der USA stammt zum Teil aus der Feder von Thomas Jefferson – einem Mann, der Hunderte Sklaven hatte
Es ist immer ein besonderes Ereignis, das weltweit großes Interesse hervorruft: die seit dem „Presidential Election Day Act“von 1845 alle vier Jahre am ersten Dienstag im November stattfindenden US-Präsidentenwahlen. Wenn der 47. Präsident der USA am kommenden 5. November gewählt wird, ist die Spannung quasi über den ganzen Globus spürbar. Die Vereinigten Staaten von Amerika verkörpern eine Supermacht, die allgemein den Nimbus eines Weltenlenkers genießt. Wer dieses Land als Präsident führt, darf sich als einflussreichste Person des Globus ansehen.
Die Kandidaten müssen sich einer langwierigen Wahlprozedur stellen. Zudem ist ihr Privatleben einer dauernden Radiografie ausgesetzt. In peinlicher Erinnerung verbleibt während der Präsidentschaft von Bill Clinton die sogenannte Monica Lewinsky-Affäre, die 1998 mit einem Amtsenthebungsverfahren durch das Repräsentantenhaus ihren Höhepunkt erreichte. Nach 21 Verhandlungstagen, wo die ganze Welt teilweise live im Fernsehen das Geschehen um Clintons Privatleben verfolgen konnte, endete das Verfahren schlussendlich mit einem Freispruch des Präsidenten.
Manche seiner Vorgänger wurden ebenfalls wegen angeblicher Verfehlungen in ihrem Intimleben Opfer eines Spießrutenlaufs. Im streng konservativen US-Amerika werden solche Entgleisungen, besonders von höher gestellten Persönlichkeiten, nicht entschuldigt. Diese bittere Erfahrung musste bereits der dritte US-Präsident Thomas Jefferson (1801-1809) machen, dem eine außereheliche Beziehung mit der schwarzen Sklavin Sally Hemings nachgesagt wurde. Da die Sklaverei zu jener Zeit noch in Kraft in den Vereinigten Staaten war, wog dieser „Fehltritt“umso schwieriger.
Über die Beziehungen zu seinen Eltern ist wenig bekannt, allerdings sollte das Verhältnis Jeffersons zu seiner Mutter eher schwierig gewesen sein. Die Vorfahren seines Vaters, der starb, als er 14 Jahre alt war, stammten aus Irland. Am 13. April 1743 geboren, hatte Jefferson noch vier Schwestern und einen Bruder. Er wuchs in einem vornehmlich von Schwarzen dominierten familiären Umfeld auf. Am 1. Januar 1772 heiratete er Martha Wayles Skelton.
Zwiespältiges Verhältnis zur Sklaverei
Jeffersons Vermächtnis als US-Präsident darf nicht von seiner Beziehung zu einer schwarzen Sklavin überschattet werden, gehörte er doch zu den drei Unterzeichnern der Unabhängigkeitserklärung und galt als einer der einflussreichsten US-Staatstheoretiker. Der spätere Präsident, ein humanistisch geprägter Mensch mit Kenntnissen in Latein, Griechisch und Französisch, besaß eine der größten Bibliotheken der jungen Vereinigten Staaten. Bücher fesselten ihn. Als Jugendlicher hatte er ebenfalls großes Gefallen an der Mathematik. Zeitweise war er Präsident der amerikanischen philosophischen Gesellschaft.
Seine Liebe zur Natur spiegelte sich in dem 1766 begonnenen famosen „Garden Book“wider. Musik, Reiten und Tanzen gehörten des Weiteren zu seinen Passionen. In seinem „Farm Book“vermerkte er alle seine Sklaven betreffende Details. Insgesamt wirkte er allerdings in vielen Bereichen wie Religion, Liebe, Revolution oder Macht eher ambivalent. Er verabscheute die Sklaverei, war sich aber nicht zu schade, sein eigenes Leben mithilfe von Sklaven zu verschönern! Auch während seiner Zeit als Botschafter in Paris, wo er die ersten Auswirkungen der Französischen Revolution hautnah erlebte, wohnten zwei Sklaven unter seinem Dach. Zwei Jahre nach seiner Heirat forderte er die Abschaffung der Sklaverei! Die von ihm mitunterzeichnete Unabhängigkeitserklärung sah vor, dass alle Menschen frei geboren seien. Obwohl er von vielen als Revolutionär, Anarchist und Jakobiner verschrien wurde, lebte er mit der Eleganz eines britischen Lords.
Jefferson gab nach sieben Jahren seinen Beruf als Anwalt auf, um in die Politik zu wechseln. Während der Revolution in den Vereinigten Staaten übte er, der kein eloquenter Redner war, das Amt des Gouverneurs in Virginia aus. Mit Monticello, frei „der kleine Hügel“übersetzt, schuf er sich eine ansehnliche Domäne, wo er sich wohlfühlte und Abstand von seinen beruflichen Herausforderungen nehmen konnte. Bis zu 90 Sklaven waren auf diesem Anwesen beschäftigt. Die Indianer ihrerseits faszinierten den späteren Präsidenten.
Abneigung gegenüber der britischen Krone
Im Alter von 22 Jahren wurde er erstmals mit revolutionären Ideen gegen den englischen König konfrontiert, als das „Stamp Act“, eine vom britischen Parlament eingeführte Stempelsteuer, in die Kritik geriet. 1769 gelang ihm der Sprung ins Abgeordnetenhaus von Virginia.
Die Unzufriedenheit gegenüber den Briten manifestierte sich in einem von George Washington initiierten Boykottaufruf von britischen und ausländischen Waren. Den Briten wurde zudem eine Versklavung der amerikanischen Einwohner vorgeworfen. In der Periode zwischen 1769 und 1774, als Jefferson nicht mehr dem Parlament in Virginia angehörte, verfasste er sein erstes revolutionäres Pamphlet mit dem Titel „ A Summary View of the Rights of British America“, wo er König George III. auch Ratschläge für seine Politik in Amerika erteilte.
Ferner unterstellte er dem König, einen grausamen Krieg gegen die menschliche Natur zu führen. Der Hass gegen das englische Oberhaupt gipfelte in New York in der Zerstörung seiner Statue. Jefferson analysierte andere föderative Regierungssysteme und gelangte zum
Schluss, die englische Krone sei nicht erblich. Getrübt wurde dann der Frieden durch die sogenannte „Boston Tea Party“am 16. Dezember 1773, ein Akt des Widerstandes gegen die britische Kolonialpolitik.
Jefferson, der einen Hang zu Depressionen hatte und sogar Selbstmordgedanken hegte, benötigte regelmäßig Auszeiten, um sich auf sei
Die Erde gehört den Lebenden, und nicht den Verstorbenen. Thomas Jefferson
nem Anwesen ausruhen zu können. Im August 1774 schlug er ein Angebot von Präsident George Washington ab, Spezialgesandter in Spanien zu werden, mit dem Argument, Politik sei für ihn kein Thema mehr. Am 21. Juni 1775 errang er ein Mandat im kontinentalen Kongress von Philadelphia, der sich aus Vertretern von 12 der 13 nordamerikanischen Kolonien zusammensetzte. Er näherte sich zusehends dem revolutionären Kern und machte Bekanntschaft mit Gleichgesinnten wie Benjamin Franklin oder Samuel Adams. Zu seinen weiteren engen Mitstreitern gehörten James Madison, James Monroe und William Short.
Zwischen dem 17. Mai und 28. Juni 1776 redigierte er seine bedeutendsten politischen Schriften: die Verfassung für den Staat Virginia und die amerikanische Unabhängigkeitserklärung, die er mit fünf weiteren Kongressmitgliedern schrieb. Mit der am 4. Juli 1776 erfolgten Unterzeichnung dieser Erklärung durch 12 Staaten, stellte sich eine historische Wende in Nordamerika ein. Knapp drei Wochen später demissionierte er allerdings im Kongress.
Erst nach dem Tod seiner Frau, der seinen Lebensrhythmus änderte, kehrte er auf die politische Bühne zurück. Der spätere US-Präsident widmete sich nun noch intensiver seiner großen Leidenschaft, dem Schreiben. Das Violinspiel musste er allerdings wegen eines Handbruchs ganz aufgeben. Ende 1781 begann er mit seinem bekannten Werk „Notes on the State of Virginia“. Er setzte sich für Freiheit und die Trennung von Kirche und Staat ein. Zwei Zeilen im Buch genügten, um ihn fortan als Atheisten zu qualifizieren.
Seine Überlegungen zur Sklaverei führten allerdings zu großen Kontroversen. So stellte er unter anderem die Frage, ob die Schwarzen ohne Rassenmischung sich genetisch weiter entwickeln könnten? Allerdings sprach er ihnen die Fähigkeit nicht ab, sich in schwarzer Gesellschaft selbst verwalten zu können. Er übte Kritik an einer Verschuldung und Gesetzen, die kommende Generationen belasten würden. „Die Erde gehört den Lebenden, und nicht den Verstorbenen“, so sein Leitmotiv. Nach seinem Tod wurde sein Werk „Syllabus“als „The Jefferson Bible“publiziert.
Am 1. März 1780 errang Pennsylvania als erster Staat die gesamte Unabhängigkeit. In Virginia wurde im Oktober 1780 ein Gesetz votiert, das jedem weißen Rekrut, der bis zum Ende des Krieges diente, 300 Hektar Land und einen gesunden schwarzen Sklaven zwischen 10 und 30 Jahren zur Verfügung stellte. Jefferson brachte allerdings auch ein Gesetzvorhaben auf den Instanzenweg, das die Abschaffung der Sklaverei nach 1800 vorsah. Allerdings sicherten nur sechs Staaten diesem Vorschlag ihre Unterstützung zu, sieben wären aber nötig gewesen. Bis 1804 hatten immerhin alle Staaten nördlich von Maryland die Sklaverei abgeschafft. South Carolina war 1807 noch der einzige Staat, in dem der Sklavenhandel erlaubt blieb.
Mit der Hilfe mehrerer Gleichgesinnter gelang Jefferson, einen Friedensplan mit England auszuhandeln. Im Mai 1785 ersetzte er Benjamin Franklin als Minister. An Washington schrieb er 1788, er sei seit seiner Rückkehr aus Europa noch ein größerer Gegner der Monarchie. Darum setzte er sich auch für eine begrenzte Amtszeit der amerikanischen Präsidenten ein. „Die Republik ist die einzige Regierungsform, die nicht auf ewig im Krieg mit den Menschenrechten steht“, lautete eine weitere seiner Thesen. Jefferson, der zwischen 1790 und 1793 Staatssekretär war und acht Jahre als Vizepräsident fungierte, hegte große Sympathien für Frankreich. 1793 beschrieb er das Hexagon als „wahre Mutter Amerikas, seit es seinem Land Unabhängigkeit und Freiheit garantiert habe“. Hier verliebte er sich auch in die Musikerin Maria Cosnay. Zu seinen engen aristokratischen Freunden in Frankreich zählte ebenfalls General Lafayette. 1793 zog er sich erneut zurück, doch sollte dies nur bis zum Februar 1797 der Fall sein. George Washington verstarb übrigens am 14. Dezember 1799.
Dritter US-Präsident
Gegen seinen Willen stellte er schlussendlich seine Kandidatur als Präsident. Selten hat ein Kandidat für das höchste politische Amt in den USA eine so unauffällige Wahlkampagne geführt. Und doch artete der Wahlkampf zu einer regelrechten Schlammschlacht aus. Jeffersons Wahl werde einen Bürgerkrieg auslösen, tönte es aus der föderalistischen Ecke. Mit 73 Stimmen lagen Jefferson und sein Konkurrent Aaron Burr gleichauf. Nach fünftägigen Ballotagen im Repräsentantenhaus ging Jefferson schließlich am 17. Februar 1801 als Sieger gegen seinen späteren Vizepräsidenten hervor. Vizepräsident Burr wurde übrigens später beschuldigt, ein Attentat auf Jefferson geplant zu haben. Darum musste er hinter Gitter.
Als Jefferson in das Amt eingeführt wurde, war das Kapitol in Washington noch nicht fertiggestellt. Seine Ansprache verhallte in der gefüllten Kammer und nicht wenige Abgeordnete mussten seine Rede am kommenden Tag in den Washingtoner Zeitungen nachlesen. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Abschaffung der verhassten föderalen Taxe auf Whisky! Als seine größten Erfolge werden der durch geschickte Verhandlungen mit Napoleon abgeschlossene Kauf von Louisiana für 2 Millionen Dollar sowie der Bau einer Straße zum Pazifik angesehen. 1802 sollte dann seine Affäre mit der schwarzen Sklavin Sally Hemings durch den Journalisten James Thomson Callender, der am 17. Juli 1803 tot im „James River“aufgefunden wurde, in der Presse aufgerollt werden. Im „Port Folio“wurde am 10. Juli 1802 eine anonyme Ballade über die Vorliebe des Präsidenten für schwarze Frauen veröffentlicht. All diese böswilligen Unterstellungen sollten aber seine Wiederwahl im Jahre 1804 nicht verhindern. In seiner zweiten Mandatsperiode dominierte die Feindschaft zwischen Napoleon, den er verabscheute, und Großbritannien. Jefferson versuchte Krieg zu vermeiden und setzte eher auf ein wirtschaftliches Embargo. Obwohl er also zeitlebens für Frieden eintrat, wurde seine Präsidentschaft aber insgesamt als enttäuschend dargestellt.
Seinen Lebensabend verbrachte der dritte US-Präsident auf seinem geliebten „Monticello“. Zwischen 1809 und 1826 schrieb er dort Tausende von Briefen. Jefferson verstarb er am 4. Juli 1826.
Jefferson, der einen Hang zu Depressionen hatte und sogar Selbstmordgedanken hegte, benötigte regelmäßig Auszeiten, um sich auf seinem Anwesen ausruhen zu können.