Alltag in Hochzeitskleidung
Das Fotoprojekt von Mammu und Pasi Rauhala „Bears All Things“sollte eigentlich nie enden. Es ist Fotografie, Performance und ein regelmäßiges Bekräftigen des Eheversprechens
Man muss die Dinge so nehmen, wie sie passieren. Das Leben passiert. Zeit vergeht. Auch so lässt sich die künstlerische Arbeit von Mammu und Pasi Rauhala deuten. Seit 2013 arbeiten sie an einem besonderen Projekt, das sie „Bears All Things“nennen, im finnischen Original „Kaiken se kestää“. Das Kunstprojekt des Ehepaares ist, so sagen sie, lebenslänglich ausgelegt. Immer wieder ziehen sie sich ihre Hochzeitskleidung an und fotografieren sich beim Alltag, bei der Hausrenovierung oder Gartenpflege.
Das Ganze tun sie mit viel Lakonie, Humor und Ernst. Wie Finnen eben sind, denken wir uns. Ihr jetzt erschienenes Buch führt in einen wundersamen Kosmos ein. Es spielt vor allem in und um ein finnisches Holzhaus. Ganz explizit verstehen die Künstler ihr Buch als eine Einladung, Einblicke in ihr Leben und auch in ihre Beziehung zu gewinnen.
Ihre Kunst, so drückt es das Vorwort aus, ist eine Darstellung der täglichen Entscheidung, Veränderung gemeinsam zu akzeptieren. Selten war ein künstlerischer Anspruch so unschuldig, aber auch so fundamental. Der Titel „Bear All Things“verweist auf den ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther im Neuen Testament, der sich mit der Liebe beschäftigt. Die Liebe: Sie erträgt alles. Sie glaubt alles. Sie hofft alles. Sie duldet alles.
Auf beinahe jeder der Farbfotografien ist das Ehepaar zu sehen – nur wenige Ausnahmen gibt es, die mal nur eine Person oder ein Detail des Hauses oder des Gartens zeigen. In ästhetischer Hinsicht gibt es hier nichts Ungewöhnliches zu beschreiben. Und auch was sie da tun, ist nichts Ungewöhnliches. Das erste Bild zeigt ihn mit einer Schippe in der Hand. Sie steht auf einem Erdhaufen. Da gibt es noch viel zu schippen, aber er schaut entschlossen drein. Das schaffen die schon.
Es gibt auch zärtliche Momente, aber zumeist wartet Arbeit, welche die Hochzeitskleidung ganz offensichtlich in Mitleidenschaft zieht. Oftmals posieren die beiden recht steif, stehen frontal, blicken streng in die Kamera. So viel gibt es zu tun! Und so ist die Kunst hier natürlich nicht das einzelne Bild, sondern das jahrelange Schaffen rund um das Haus. Das eigentliche Thema ist die Zeit, die vergeht und schon vergangen ist. Und die, welche noch bleibt.
Man muss diese Arbeit als ein Teil der Performancekunst verstehen, aber auch ganz persönlich, als eine Art Ritual, bei dem das Eheversprechen immer wieder neu bekräftigt wird, wie die Kuratorin und Professorin Maaretta Jaukkuri in ihrem Buchbeitrag schreibt. Und so gesehen, ist dieses Werk von einer berührenden Faszination – und trifft ins Herz des Betrachtenden. Wir hoffen sehr, dass die Arbeit an dem Haus niemals endet.
Vielleicht ist es an der Zeit, als nächstes das Dach zu reparieren? Fragen die beiden in ihrem kurzen Epilog zum Buch. „Die Zeit vergeht, aber das Haus steht unerschütterlich und bietet uns Schutz, einen Ort, den wir Zuhause nennen.“
Mammu & Pasi Rauhala: Bears All Things, Kerber Verlag, 100 Seiten, 32 Euro.