Die Wasserstoff-Wirtschaft in der Region nimmt Gestalt an
Der Luxemburger Konzern Encevo baut zusammen mit Partnern ein neues Pipeline-Netz, um ab 2027 Unternehmen mit dem Energieträger zu versorgen
Bis zur Mitte des Jahrhunderts soll die europäische Wirtschaft klimaneutral werden. Damit das gelingt, müssen nicht nur die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut werden, die Rolle von Wasserstoff als Energiespeicher und -lieferant für Industrieprozesse wird ebenso zunehmen. Dafür ist aber derzeit noch nicht die notwendige Infrastruktur vorhanden. Weder gibt es heute in der Region Anlagen, die Wasserstoff im industriellen Maßstab herstellen, noch gibt es Leitungen, um ihn zu den Abnehmern zu transportieren.
Das soll sich nun ändern. Der Luxemburger Energiekonzern Encevo beteiligt sich zusammen mit seiner Tochtergesellschaft Creos Deutschland und GRTgaz aus Frankreich an einem großangelegten Projekt, um eine rund 90 Kilometer lange Pipeline für Wasserstoff in der Großregion zu bauen. Das Vorhaben sei ein erster Schritt hin zur Transformation in der gesamten Region, schreiben die Initiatoren.
Für das Projekt „Mosahyc“(der Name steht für „moselle-saar-hydrogen-conversion“) sollen etwa 70 Kilometer bestehende und zum Teil außer Betrieb befindliche Gas-Leitungen für den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden, alleine rund 50 Kilometer davon in Frankreich. Daneben werden rund 20 Kilometer Wasserstoff-Leitungen neu gebaut. Bereits 2027 soll das Netzwerk in Betrieb gehen.
Stahlindustrie als Hauptkunde
„Mosahyc ist ein Infrastrukturprojekt: Leitungen auf deutscher und französischer Seite werden zu einem Wasserstoff-Inselnetz zusammengefügt“, erklärt Jens Apelt, Geschäftsführer von Creos Deutschland. „Das Netz steht allen Kunden zur Verfügung, die sich in der Region daran anschließen wollen.“Es decke sowohl den Bedarf von Wasserstoff-Produzenten, die den Energieträger in das Netz einspeisen wollen, als auch den Bedarf der Konsumenten, die Wasserstoff beziehen wollen.
Dies seien zum Beispiel auf französischer Seite die Unternehmen Verso Energy, Gazel Energie und HDF, sowie auf deutscher Seite Iqony, RWE und SHS-StahlHolding Saar. Der „Ankerkunde für einen Wasserstoffhochlauf in der Region“sei die
SHS-Stahl-Holding-Saar, die große Mengen Wasserstoff für die Produktion von grünem Stahl benötigt, sagt Apelt. „Die Encevo-Gruppe prüft derzeit über Creos Luxemburg die Machbarkeit einer Versorgung potenzieller Industriekunden im Süden Luxemburgs über Frankreich, und später auch über Belgien, da hier spätestens
mittelfristig mit einer relevanten Nachfrage von Wasserstoff gerechnet wird“, erklärt Laurence Zenner, CEO von Creos Luxemburg. In diesem Kontext werde auch eine potenzielle Anbindung Luxemburgs an das Mosahyc-Projekt geprüft.
Nutzung bestehender Leitungen
Über die Leitungen sollen einmal mehr als 7.000 Kilogramm Wasserstoff pro Stunde laufen. Um Ressourcen zu schonen und wohl auch die Kosten niedriger zu halten, wollen die Initiatoren so weit wie möglich bestehende Pipelines nutzen. „Große Teile der Infrastruktur sind in diesem Raum bereits vorhanden und müssen ‚nur‘ auf Wasserstoff umgestellt werden. Rund 20 Kilometer werden vor allem auf deutscher Seite und dort insbesondere zur Anbindung des Stahlwerks in Dillingen als Neubau errichtet“, sagt Frank Gawantka, Geschäftsführer von Creos Deutschland. Leitungsabschnitte zwischen Völklingen im Saarland und St. Avold in Frankreich, zwischen dem deutschen Dillingen und dem französischen Bouzonville, sowie nach Perl würden mit einer bestehenden Leitung auf französischer Seite zu einem Inselnetz verbunden, erklärt er.
Das Vorhaben repräsentiere „die gesamte Wertschöpfungskette einer Wasserstoffwirtschaft und vereint Wasserstoffprojekte von Produzenten, Verbrauchern und Infrastrukturbetreibern“, sagt Claude Seywert, Geschäftsführer von Encevo. „Damit legt (es) den Grundstein für eine nachhaltige
Wasserstoffwirtschaft in der Großregion und leistet einen aktiven Beitrag zu den nationalen und europäischen Dekarbonisierungszielen.“Das Geschäftsmodell ist dabei ähnlich wie beim Netzbetrieb für Gas und Strom; Kunden zahlen für die Nutzung des Netzes.
Dass man einfach die bestehenden Pipelines verwenden kann, liegt daran, dass sich Leitungen für Wasserstoff oder Erdgas technisch nicht voneinander unterscheiden. In beiden Fällen bestehen sie aus Stahl. Für den Transport von Wasserstoff müssten lediglich die Wände der Leitungen dicker sein, erklären die Konsortialpartner. Bleibt die Wanddicke gleich, funktioniert der Transport zwar auch, aber es kann weniger Volumen an Wasserstoff durch die Pipelines fließen, als das bei Erdgas möglich wäre.
Zahlreiche Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff entstehen
Aber um Wasserstoff transportieren zu können, muss er erstmal hergestellt werden. Das geschieht in Elektrolyseuren, indem mithilfe von Strom Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. „Unternehmen auf saarländischer und französischer Seite wollen Elektrolyseure für die Produktion von Wasserstoff betreiben. Dies sind zum Beispiel Verso Energy, Gazel Energy, RWE und Iqony. Längerfristig ist auch die Anbindung an ein europäisches Wasserstoffnetz über Frankreich, Luxemburg oder Deutschland vorstellbar, um den steigenden Bedarfen nachzukommen“, erklärt Jens Apelt.
Auch in Luxemburg soll ab 2026 Wasserstoff produziert werden. Insgesamt 18 luxemburgische Unternehmen und öffentliche Einrichtungen sind an einem Vorhaben beteiligt, mit dem jährlich 500 bis 600 Tonnen des Energiespeichers hergestellt werden sollen. Der geplante Standort für die Anlage ist in Niederkerschen in relativer Nähe zu den Industriefirmen aus dem Konsortium. Nach derzeitigem Stand sei der Anschluss des Luxemburger Elektrolyseurs an Mosahyc aber nicht vorgesehen. Eine Integration in ein nationales Wasserstoffnetz zu einem späteren Zeitpunkt bleibe dennoch möglich, lassen die Initiatoren des Pipelinenetzwerkes wissen.
Das Pipeline-Netz aufzubauen, erfordert hohe Investitionen. Alleine für den Ausbau des deutschen Teils werden 70 Millionen Euro fällig. Etwa zwei Drittel davon sollen aus Haushaltsmitteln des Bundes und des Landes finanziert werden. Damit das Vorhaben entsprechende Unterstützung erhalten kann, wurde es von der Europäischen Kommission auf die Liste der „Projects of Common Interest“gesetzt. Das vereinfacht die Bewilligung von EU-Fördermitteln und beschleunigt Genehmigungsverfahren.
Das Projekt legt den Grundstein für eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft in der Großregion und leistet einen aktiven Beitrag zu den nationalen und europäischen Dekarbonisierungszielen. Claude Seywert, Encevo