Vicky Krieps spricht über ihren neuen Film und ihren Bezug zu Luxemburg
Beim LuxFilmFest wurde der Spielfilm „The Dead Don’t Hurt“präsentiert. Zuvor stand Schauspielerin für ein Gespräch zur Verfügung
Eigentlich hat Vicky Krieps am frühen Freitagabend nicht allzu viel Zeit. Die 40-Jährige sitzt schließlich in der Jury des Luxembourg City Film Festival, noch sind nicht alle Filme geguckt und rund 24 Stunden später muss bei der Abschlussveranstaltung schon der Grand Prix überreicht werden. Trotzdem steht sie im Keller des Hotel Le Place d’Armes, leicht amüsiert vom Teppich in Zebra-Muster zu rustikalen Gewölbemauern, geduldig Rede und Antwort. Denn ihr neuer Film „The Dead Don’t Hurt“, für den sie vor der Kamera von Hollywood-Star Viggo Mortensen stand und der als Abschlussfilm gezeigt wird, liegt Krieps am Herzen. So sehr, dass sie das Interview am Ende sogar etliche Minuten länger laufen lässt als vorgesehen.
Vicky Krieps, ist es für Sie etwas Besonderes, Ihren neuen Film „The Dead Don’t Hurt“als Abschlussfilm beim Luxembourg City Film Festival, also in Ihrer alten Heimat, zu präsentieren?
Oh ja, das kann man wohl sagen. Zusammen mit Alexis Juncosa, dem künstlerischen Leiter des Festivals, habe ich deswegen auch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Film hier in Luxemburg zeigen zu können. Es ist einfach sehr cool, den Film hier in einem Kino zu präsentieren, in dem ich selbst früher ständig war und zum Beispiel „Titanic“gesehen habe. Und natürlich vor allem mit einem Publikum, das ich kenne, zu dem meine Eltern und meine Freunde gehören.
Wie oft sind Sie zwischen all den Dreharbeiten und Ihrem Leben in Berlin überhaupt noch in Luxemburg?
Ziemlich häufig eigentlich. Wann immer ich es schaffe, an Weihnachten natürlich, Ostern, aber auch im Sommer. Luxemburg im Sommer liebe ich wirklich ganz besonders.
Als jemand, der Sie bereits ein paar Mal getroffen hat, aber nun selbst das erste Mal in Luxemburg Zeit verbracht, muss ich sagen: es macht absolut Sinn, dass Sie hierher kommen, wenn ich das so sagen darf!
Ja, ich weiß, was Sie meinen. Es steckt schon viel Luxemburg in mir. Allen voran diese gewisse Ruhe, die daher kommt, dass man hier immer das Gefühl hat, es läuft einem nichts weg. Und wenn einem doch mal was wegläuft, dann gehe ich eben stattdessen zu den Schafen. Oder setze mich zu einer Kuh. Denn ich glaube, dass die luxemburgische Seele immer noch eine Bauernseele ist.
Tatsächlich?
Tief drinnen ja. Deswegen sind wir nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Aber dazu kommt natürlich noch etwas ganz anderes, nämlich unsere Lage als kleines Land mitten in Europa, umgeben von so vielen Nachbarländern. Ich bin wirklich als Europäerin durch und durch aufgewachsen, mit einem großen Verständnis dafür, dass Grenzen etwas recht Artifizielles sind und nicht wirklich viel über Unterschiede aussagen. Denn so sehr es hier die Franzosen und dort die Deutschen anderes behaupten mögen, so sehr habe ich doch immer gesehen, dass sie sich doch ziemlich ähnlich sind. Das ist das Ding mit kleinen Ländern wie Luxemburg: Man kann dort kaum anders, als weltoffen und ziemlich unvoreingenommen zu sein.
Das Europäische spielt interessanterweise auch in „The Dead Don’t Hurt“eine entscheidende Rolle. Der Regisseur und Drehbuchautor Viggo Mortensen, der auch die männliche Hauptrolle spielt, legt in seinem im späten 19. Jahrhundert spielenden Western viel Wert darauf, die Wurzeln seiner Figuren herauszustellen …
Das war einer von vielen Aspekten, die mir an diesem Skript sofort gefielen. Viggo setzt die unterschiedlichen Identitäten der Figuren sehr bewusst ein und arbeitet sie präzise heraus. Das war ja damals im amerikanischen Westen wirklich das Besondere, dass da Menschen von den unterschiedlichsten Orten auf der ganzen Welt zusammenkamen, um einen neuen Ort entstehen zu lassen. Sie erschufen sich eine komplett neue Identität, die aber natürlich von ihren jeweiligen Wurzeln geprägt war. Mich hat das auch deswegen interessiert, weil unsere Gesellschaft heutzutage ja in vielerlei Hinsicht immer noch nach ähnlichen Prinzipien funktioniert wie damals diese Westernstädte. Allen voran in den USA. Dort gilt eigentlich immer noch das Motto: wenn ich stärker bin als du, nehme ich dir etwas weg. Und wenn du nicht stark genug bist, bekommst du es nicht zurück.
Was waren die anderen Aspekte, die Sie an der Rolle reizten?
Ich habe ein paar Ähnlichkeiten zwischen der Figur und mir entdeckt, die ich spannend fand. Angefangen bei ihrem Dialekt. Ihrer ist frankokanadisch, was natürlich anders ist als der, den ich als Luxemburgerin spreche. Aber ich kenne auf jeden Fall dieses Gefühl, ein „schmutziges“Französisch zu sprechen. Noch mehr identifiziert habe ich mich mit ihrer Unabhängigkeit als Frau, die beschließt, alleine zu leben und nicht zu heiraten. Der Film zeigt das gerade anfangs als etwas Positives, aber lotet dann natürlich auch all die Schwierigkeiten und Abgründe aus, die zumal in jener Zeit damit einhergingen. Die Entscheidungen, die diese Vivienne in „The Dead Don’t Hurt“trifft, sind ein Zeichen ihrer Stärke, aber sie bergen auch Gefahren und Risiken. Man könnte sagen, dass sie eigentlich ein bisschen verrückt ist, diesen Lebensweg zu gehen. Und ich glaube, dass ich vielleicht auch ein bisschen verrückt bin, so wie ich alleine als Frau durchs Leben gehe.
War es eigentlich etwas Besonderes, in diesem Fall von jemandem inszeniert zu werden, der selbst Schauspieler ist?
Ich hatte das schon einmal, mit Mathieu Amalric. Der spielte in „Serre moi fort“allerdings nicht auch selbst mit. Er und Viggo sind sich ihrer Einfühlsamkeit und ihrem Verständnis von Schauspiel ziemlich ähnlich. Ich habe von anderen gehört, dass interessanterweise nicht jeder Schauspieler hinter der Kamera automatisch ein Gespür dafür hat, wie man mit Schauspielern umgeht. Aber ich hatte in beiden Fällen großes Glück. Interessant war dieses Mal nur eben, dass Viggo auch selbst mitgespielt hat. Da wusste ich manchmal nicht, ob ich nun eigentlich gerade den Regisseur vor mir habe oder den Kollegen.
Und ich glaube, dass ich vielleicht auch ein bisschen verrückt bin, so wie ich alleine als Frau durchs Leben gehe. Vicky Krieps, Schauspielerin
War das verwirrend?
Ehrlich gesagt habe ich erst nach Ende der Dreharbeiten wirklich darüber nachgedacht, dass ich mich dadurch manchmal etwas verloren gefühlt habe. Worüber ich mich allerdings nicht beklage, denn ich liebe es eigentlich, mich in der Arbeit auch mal verloren zu fühlen. Es war einfach eine reizvolle Herausforderung, denn ich kommuniziere mit einem Regisseur nun einmal anders als mit jemandem, mit dem ich vor der Kamera stehe. Als Schauspieler will man ja die Person hinter der Kamera auch mal aus der Reserve locken und zum Beispiel eine Szene sprengen, einfach um zu sehen, was passiert. So wie Kinder, die absichtlich ein riesiges Chaos machen, um zu gucken, wie die Eltern reagieren. Aber bei Viggo war nun eben immer die Frage: ist er gerade eher mein Spielkamerad oder doch das Elternteil?