Kaffeekränzchen und Deep-Talk mit Rushdie und Co.
„Schreiben ist etwas Köstliches“– so lautet die erste bündelnde Überschrift, die den ersten Texten der Anthologie „19/21 Synchron Global – Ein weltliterarisches Lesebuch von 1870 bis 2020“voransteht. Da würde man dem Herausgeber, dem Schweizer Literaturnetzwerker und -liebhaber Charles Linsmayer, allzu gerne hinzufügen: „Lesen in so einem Band aber auch“. Seine Textsammlung ist eine sorgfältig eingeräumte Schatztruhe. Oder wie es auf der ersten Seite zu lesen steht: „Mit Originalbeiträgen von 135 Autorinnen und Autoren und Zeichnungen von Claudio Fedrigo; ausgewählt, herausgegeben und mit Kurzbiografien versehen von Charles Linsmayer.“
Dieser verweist beim Einsenden des Presseexemplars nicht zu Unrecht auf die Kraft, die gerade für luxemburgische Leserinnen und Leser darin schlummert. Wie er selbst in seinem schmalen Nachwort betont, handelt es sich bei dem hohen Anspruch auf ein „weltliterarisches Lesebuch von 1870 bis 2020“um eine subjektive Wahl. Doch bereits mit dem Vorläuferband rund um das schweizerische Literaturschaffen hat er eins bewiesen: Seine Erfahrung als Verleger und Experte ist eben breitgefächert, seine subjektive Sicht dementsprechend eine spannende Reise. Er flicht mit seiner Textmischung unter unterschiedlichen Schwerpunkten nicht einfach nur einen Bogen an Perspektiven, die er bewusst nicht chronologisch sortiert.
Die Vielschichtigkeit des Menschseins
Nein, er lockt auch mit dem Aufeinanderprallen, dem Dialogischen. Wenn im Segment „Zwischen Daseinsbejahung und Lebensekel“Tolstoj, Rilke, Tschechow, Hesse, de SaintExupéry und Sartre auf Frans Eemil Sillanpää und Sándor Márai prallen, ist das dann wohlgemerkt kein Schullektürekanon. Es wirkt mehr wie ein gemeinsamer Cafébesuch verschiedenster Intellektueller, die sich über die zentralen Fragen des Daseins austauschen. Die Lesenden dürfen lauschen: Wahrheit, Freiheit, Krieg, Hass, Tod, Ausgrenzung und natürlich die Liebe; aber auch das Absurde, Irreale und Komische.
Nicht alle Intellektuelle, die Linsmayer zur Kaffeerunde einlud, kamen dazu. Urheberrechte wurden nicht erteilt. Aber: „Die 135 Autorinnen und Autoren, die dieses Lesebuch miteinander ins Gespräch bringt, können nicht mit ganzen Werken oder mit einem Querschnitt durch ihr OEuvre, sondern nur mit einem kurzen Beispiel aus ihrer Prosa oder drei, vier Gedichten vorgeführt werden. Dabei gibt es Beiträge, die eine Ahnung von Größe vermitteln, in vielen Fällen aber ermöglicht es der wiedergegebene Text, im Zusammenhang mit der Kurzbiografie im Anhang gelesen, einfach nur, einen Autor, eine Autorin im Originalton zu einem der Themen des Buches zu Wort kommen zu lassen“, so Linsmayer. Und genau das macht den Reiz aus. dco