Eine Plattform für rechtskonservative Kulturkämpfer
Der britische Fernsehsender GB News ist keine drei Jahre alt – hat aber bereits viel Einfluss auf die politische Debatte im Land. Das könnte bald zu einem Problem werden
Es begann so herrlich stümperhaft. Als GB News im Juni 2021 erstmals auf Sendung ging, sorgten die endlosen technischen Pannen für Heiterkeit und Häme. Mal funktionierte der Ton nicht, dann wurde eine Sendung plötzlich durch lautes Hämmern im Studio unterbrochen. Oft war die Beleuchtung miserabel, und manchmal war stundenlang gar nichts zu sehen. Die zunächst recht ansehnlichen Zuschauerzahlen brachen schnell ein. GB News schien ein Witz, manche sagten das baldige Ende des Senders voraus.
Bald drei Jahre später sieht es jedoch ganz anders aus. GB News wird in Westminster nicht mehr belächelt, sondern zunehmend hofiert. Der Auftritt ist professioneller, die Programme sind mit allerhand Promis aus Politik und Unterhaltung besetzt, und die Zuschauerzahlen sind, wenn nicht gerade berauschend, so doch stabil – im dritten Quartal 2023 zog der Kanal jede Woche 430.000 Zuschauer an.
Entscheidend ist jedoch vor allem, dass sich GB News eine treue Fangemeinde im britischen Machtzentrum aufgebaut hat: Die größten Bewunderer sitzen auf den Tory-Bänken im Unterhaus. Am letzten Jahrestag der Konservativen Partei schwärmte die ehemalige Innenministerin Priti Patel auf der Rednerbühne vom „neusten und dynamischsten NoNonsense-Kanal“, den sie als „Verteidiger der Redefreiheit“bezeichnete. Im Januar wünschte Boris Johnson dem „rebellischen, dynamischen Fernsehkanal GB News“persönlich ein gutes neues Jahr.
Dass der Kanal bei konservativen Politikern so beliebt ist, überrascht nicht. Bis auf wenige Ausnahmen kommen die Moderatoren aus der rechten Ecke des politischen Spektrums – manche von ziemlich weit hinten. Sie haben sich den Kampf gegen „Wokeismus“auf die Fahnen geschrieben, schimpfen über Einwanderung und warnen vor einer islamistischen Unterwanderung der britischen Politik. Es sind die klassischen Themen der rechtskonservativen Kulturkämpfer. Auch Klimaskepsis gehört bei GB News zum guten
Ton: Eine Studie des Investigativportals DeSmog kam letztes Jahr zum Schluss, dass ein Drittel der Moderatoren den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel angezweifelt haben. Zwar reagieren die Führungsleute von GB allergisch gegen den Vorwurf, der Kanal sei eine britische Version von Fox News, aber die Beschreibung ist, objektiv gesehen, ziemlich passend.
Bekanntes Gesicht mischt kräftig mit
Eine Besonderheit des Senders ist, dass viele Moderatoren aktive Politiker sind, manche von ihnen sitzen im Unterhaus. Der Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg beispielsweise hat seine eigene Sendung, genauso Lee Anderson, der vor zwei Wochen von den Tories zur Rechtspartei Reform UK übergelaufen ist. Das prominenteste Gesicht ist Nigel Farage, der berüchtigtste und effektivste Rechtspopulist Großbritanniens. Oft werden Regierungsminister von ihren Kollegen auf den Tory-Bänken interviewt – eine merkwürdig inzestuöse Talkshow-Variante.
Aber genau das ist mit ein Grund, weshalb GB News so einflussreich geworden ist, sagt
der Politologe Rob Ford, der an der Universität Manchester lehrt. „Im Prinzip ist es ein Fernsehsender, in dem Konservative rund um die Uhr mit anderen Konservativen reden.“Das gebe GB News die Möglichkeit, die Debatte zu steuern. „Besonders Leute vom rechten Tory-Flügel haben eine Plattform, um ihre Perspektive darzulegen und andere Leute im medienpolitischen Ökosystem zu beeinflussen. Es scheint gut zu funktionieren.“Zum Beispiel beim Thema Migration: Der Vorsitzende Angelos Frangopoulos hat gegenüber dem Nachrichtenportal „Politico“geprahlt, dass die unablässige Berichterstattung über irreguläre Einwanderer das „politische Gravitationszentrum“verschoben und zum Verspechen der Regierung, die „Boote zu stoppen“, geführt habe.
Zwar ist GB News gerade erst gerügt worden wegen Verstößen gegen die Regeln des Rundfunks. Es geht um mehrere Fälle, in denen Politiker Nachrichtensendungen moderiert haben – das verstößt gegen die Pflicht zur Unparteilichkeit, schrieb die Medienaufsichtsbehörde Ofcom am Dienstag.
Aber manche Experten fordern ein viel robusteres Vorgehen gegen den Sender. Ofcom lasse es zu, dass GB News „jede Menge rechte Propaganda zu Themen wie Klimawandel
Besonders Leute vom rechten Tory-Flügel haben eine Plattform, um ihre Perspektive darzulegen und andere Leute im medienpolitischen Ökosystem zu beeinflussen.
verbreiten kann, ohne dass eine gegenteilige Meinung präsentiert wird“, sagt Steven Barnett, Professor für Medienpolitik an der Westminster University, gegenüber „Politico“. Im Hinblick auf die kommende Parlamentswahl, die wohl im Herbst stattfindet, werde GB News versuchen, „die Debatte weiter nach rechts zu verschieben.“Das könnte gefährlich werden – Fox News, das wilde Verschwörungstheorien rund um Donald Trumps angeblich „gestohlene“Wahl von 2020 verbreitete, sei ein warnendes Beispiel, was passieren kann, wenn ein Sender nicht richtig reguliert wird.
Aufbau- und Einrichtungsarbeiten der Büros und Studios für den neuen britischen Fernsehnachrichtensender GB News in Paddington. Der Sender gilt als konservativ-populistische Antwort auf die auf ihre Unparteilichkeit pochende, öffentlich-rechtliche BBC.