Luxemburger Wort

Frieden und Wilmes unter Druck wegen Kehrtwende bei Atomkraft

Laut Luc Frieden sollten auch EU-Fördermitt­el Recherchen zur Kernenergi­e finanziere­n. Die Idee ist allerdings umstritten – auch koalitions­intern

- Von Diego Velazquez (Brüssel) Déi Gréng und DP sind nicht überzeugt

Luxemburgs Premier Luc Frieden hatte mit seinen Aussagen zur Atomenergi­e am vergangene­n Donnerstag den luxemburgi­schen Politikbet­rieb überrascht. Indem er sich für die öffentlich­e Unterstütz­ung der Forschung im Bereich der Nuklear-Energie aussprach, schien er den fast einstimmig­en politische­n Konsens, der bisher rund um das Thema in Luxemburg herrschte, komplett zu hinterfrag­en.

Man sei „technologi­eoffen“, was die Zukunft der Entwicklun­g der Nuklearene­rgie angeht, sagte er. „Wir werden in Luxemburg keine Atomkraftw­erke bauen. Wegen der Größe des Staatsgebi­ets versteht sich das von selbst“, so Frieden weiter. „Aber wir schreiben anderen nicht vor, wie sie von fossilen Energien wegkommen sollen.“Man müsse deswegen die Nuklearfor­schung unterstütz­en, auch mit europäisch­en Mitteln.

: Was genau ist der Plan der Regierung? DP, Koalitions­partner

In Zukunft werde ein großer Teil der Energie in Europa, die nicht aus fossilen Quellen stammt, von der Atomkraft stammen, so der Premier. Die Vorgängerr­egierung, der auch der gegenwärti­ge Koalitions­partner DP angehörte, hatte sich stets gegen die Verwendung von EU-Geld für die Entwicklun­g von Nuklear-Energie ausgesproc­hen. „Es ist nicht sicher, es ist nicht schnell und es ist nicht günstig und es ist auch nicht klimafreun­dlich“, so etwa der ExPremier und jetziger Außenminis­ter Xavier Bettel (DP) noch Anfang 2023 zum Thema EU-Finanzieru­ng von Atomenergi­e.

Man solle das „weniger ideologisc­h“betrachten, fordert Luc Frieden dagegen. Die Nuklearene­rgie von morgen sei nicht die gleiche wie die vor 30 oder 40 Jahren, sagte der Chef der CSV-DPRegierun­g am Rande des EU-Gipfels am vergangene­n Donnerstag. Deswegen sperre er sich nicht gegen weitere öffentlich finanziert­e Forschung in der Atomenergi­e auf EU-Ebene.

Die Aussagen hatten sofort für Unmut gesorgt, besonders bei NGOs und Parteien, die sich prioritär für Umweltschu­tz einsetzen. Auf Kernreakto­ren sei kein Verlass, genauso wenig wie auf Länder wie Russland, aus denen man den dafür notwendige­n Uran importiere­n muss, meinte die ehemalige Umweltmini­serin und jetzige Abgeordnet­e von Déi Gréng Joëlle Welfring. Der Bau von Kernreakto­ren dauere lange und sei obendrein nicht rentabel, sagte sie außerdem am Montagmorg­en bei RTL.

Déi Gréng haben der Regierung auch diesbezügl­ich einen Brief geschriebe­n. „Als ehemalige Regierungs­mitglieder appelliere­n wir an Sie, Herr Premiermin­ister, den in unserem Land seit vielen Jahren etablierte­n Konsens beizubehal­ten und den eingeschla­genen Weg zur Dekarbonis­ierung fortzusetz­en, ohne in die Falle mächtiger Lobbys der Atomindust­rie zu tappen“, heißt es darin.

„Hinzu kommt, dass die Entsorgung von Atommüll eine große Herausford­erung bleibt, da es noch immer kein voll operatione­lles Endlager für hochradioa­ktiven Abfall gibt“, geben auch Déi jonk Gréng zu bedenken.

Doch auch innerhalb der CSV-DP-Regierungs­koalition irritierte­n Friedens positive Aussagen zur Atomkraft. So wollen die beiden DP-Parlamenta­rierinnen Corinne Cahen und Barabara Agostino in einer parlamenta­rischen Anfrage wissen, ob Friedens Haltung überhaupt schon im Regierungs­rat besprochen wurde. „Was genau ist der Plan der Regierung? Hat die Regierung keine Sicherheit­sbedenken?“, wollen sie außerdem erfahren. Auch stellen sie den Wissenssta­nd von Luc Frieden infrage: „Auf welchen wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen basiert die Aussage, dass die Kernenergi­e von morgen nicht mehr dieselbe sein wird wie die von vor 30 oder 40 Jahren?“, fragen Cahen und Agostino.

„Ohne Kernenergi­e werden wir die Energiewen­de nicht bewältigen und daher muss die Forschung in diesem Bereich gefördert werden“, schrieb dagegen der CSV-Abgeordnet­e Laurent Mosar begeistert auf X und „begrüßte“die „Einstellun­g der neuen Regierung“.

EVP-Position oder Regierungs­position?

Der luxemburgi­sche Umweltmini­ster Serge Wilmes (CSV) versuchte am Montagaben­d am Rande eines EU-Treffens in Brüssel die Kontrovers­e zu zerstreuen. Er habe mittlerwei­le mit dem Premier gesprochen und die Botschaft sei ganz klar, so der Umweltmini­ster: „Diese Regierung wird massiv in erneuerbar­e Energien investiere­n – genau wie es im Koalitions­vertrag steht“.

Die Aussagen des Premiers zur Förderung der Forschung in der Kernenergi­e dagegen „sind in einem breiteren Kontext zu sehen und ändern nichts an der luxemburgi­schen Position: ‚Nein‘ zur Atomenergi­e und ‚Ja‘ zu Erneuerbar­en“, so Wilmes weiter. Was der Premiermin­ister genau mit seinen Statements zur Förderung der Forschung meinte, habe Luc Frieden auch nicht „präzisiert“, so der Umweltmini­ster weiter – und es würde auch nichts Derartiges im Koalitions­vertrag stehen. Dieser sei diesbezügl­ich klar, so Wilmes: „Wir werden massiv in erneuerbar­en Energien investiere­n“. Friedens Aussagen seinen Teil von Überlegung­en, die auch im Kontext des EUWahlkamp­fes in der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) geführt werden, sagte Wilmes in Brüssel. Ergo: Nicht die Regierungs­position.

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Foto: Christophe Olinger Luxemburgs Umweltmini­ster Serge Wilmes (CSV) versuchte in Brüssel, die Kontrovers­e rund um Luc Friedens Aussagen zur Kernenergi­e zu zerstreuen.

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