Frieden und Wilmes unter Druck wegen Kehrtwende bei Atomkraft
Laut Luc Frieden sollten auch EU-Fördermittel Recherchen zur Kernenergie finanzieren. Die Idee ist allerdings umstritten – auch koalitionsintern
Luxemburgs Premier Luc Frieden hatte mit seinen Aussagen zur Atomenergie am vergangenen Donnerstag den luxemburgischen Politikbetrieb überrascht. Indem er sich für die öffentliche Unterstützung der Forschung im Bereich der Nuklear-Energie aussprach, schien er den fast einstimmigen politischen Konsens, der bisher rund um das Thema in Luxemburg herrschte, komplett zu hinterfragen.
Man sei „technologieoffen“, was die Zukunft der Entwicklung der Nuklearenergie angeht, sagte er. „Wir werden in Luxemburg keine Atomkraftwerke bauen. Wegen der Größe des Staatsgebiets versteht sich das von selbst“, so Frieden weiter. „Aber wir schreiben anderen nicht vor, wie sie von fossilen Energien wegkommen sollen.“Man müsse deswegen die Nuklearforschung unterstützen, auch mit europäischen Mitteln.
: Was genau ist der Plan der Regierung? DP, Koalitionspartner
In Zukunft werde ein großer Teil der Energie in Europa, die nicht aus fossilen Quellen stammt, von der Atomkraft stammen, so der Premier. Die Vorgängerregierung, der auch der gegenwärtige Koalitionspartner DP angehörte, hatte sich stets gegen die Verwendung von EU-Geld für die Entwicklung von Nuklear-Energie ausgesprochen. „Es ist nicht sicher, es ist nicht schnell und es ist nicht günstig und es ist auch nicht klimafreundlich“, so etwa der ExPremier und jetziger Außenminister Xavier Bettel (DP) noch Anfang 2023 zum Thema EU-Finanzierung von Atomenergie.
Man solle das „weniger ideologisch“betrachten, fordert Luc Frieden dagegen. Die Nuklearenergie von morgen sei nicht die gleiche wie die vor 30 oder 40 Jahren, sagte der Chef der CSV-DPRegierung am Rande des EU-Gipfels am vergangenen Donnerstag. Deswegen sperre er sich nicht gegen weitere öffentlich finanzierte Forschung in der Atomenergie auf EU-Ebene.
Die Aussagen hatten sofort für Unmut gesorgt, besonders bei NGOs und Parteien, die sich prioritär für Umweltschutz einsetzen. Auf Kernreaktoren sei kein Verlass, genauso wenig wie auf Länder wie Russland, aus denen man den dafür notwendigen Uran importieren muss, meinte die ehemalige Umweltminiserin und jetzige Abgeordnete von Déi Gréng Joëlle Welfring. Der Bau von Kernreaktoren dauere lange und sei obendrein nicht rentabel, sagte sie außerdem am Montagmorgen bei RTL.
Déi Gréng haben der Regierung auch diesbezüglich einen Brief geschrieben. „Als ehemalige Regierungsmitglieder appellieren wir an Sie, Herr Premierminister, den in unserem Land seit vielen Jahren etablierten Konsens beizubehalten und den eingeschlagenen Weg zur Dekarbonisierung fortzusetzen, ohne in die Falle mächtiger Lobbys der Atomindustrie zu tappen“, heißt es darin.
„Hinzu kommt, dass die Entsorgung von Atommüll eine große Herausforderung bleibt, da es noch immer kein voll operationelles Endlager für hochradioaktiven Abfall gibt“, geben auch Déi jonk Gréng zu bedenken.
Doch auch innerhalb der CSV-DP-Regierungskoalition irritierten Friedens positive Aussagen zur Atomkraft. So wollen die beiden DP-Parlamentarierinnen Corinne Cahen und Barabara Agostino in einer parlamentarischen Anfrage wissen, ob Friedens Haltung überhaupt schon im Regierungsrat besprochen wurde. „Was genau ist der Plan der Regierung? Hat die Regierung keine Sicherheitsbedenken?“, wollen sie außerdem erfahren. Auch stellen sie den Wissensstand von Luc Frieden infrage: „Auf welchen wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert die Aussage, dass die Kernenergie von morgen nicht mehr dieselbe sein wird wie die von vor 30 oder 40 Jahren?“, fragen Cahen und Agostino.
„Ohne Kernenergie werden wir die Energiewende nicht bewältigen und daher muss die Forschung in diesem Bereich gefördert werden“, schrieb dagegen der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar begeistert auf X und „begrüßte“die „Einstellung der neuen Regierung“.
EVP-Position oder Regierungsposition?
Der luxemburgische Umweltminister Serge Wilmes (CSV) versuchte am Montagabend am Rande eines EU-Treffens in Brüssel die Kontroverse zu zerstreuen. Er habe mittlerweile mit dem Premier gesprochen und die Botschaft sei ganz klar, so der Umweltminister: „Diese Regierung wird massiv in erneuerbare Energien investieren – genau wie es im Koalitionsvertrag steht“.
Die Aussagen des Premiers zur Förderung der Forschung in der Kernenergie dagegen „sind in einem breiteren Kontext zu sehen und ändern nichts an der luxemburgischen Position: ‚Nein‘ zur Atomenergie und ‚Ja‘ zu Erneuerbaren“, so Wilmes weiter. Was der Premierminister genau mit seinen Statements zur Förderung der Forschung meinte, habe Luc Frieden auch nicht „präzisiert“, so der Umweltminister weiter – und es würde auch nichts Derartiges im Koalitionsvertrag stehen. Dieser sei diesbezüglich klar, so Wilmes: „Wir werden massiv in erneuerbaren Energien investieren“. Friedens Aussagen seinen Teil von Überlegungen, die auch im Kontext des EUWahlkampfes in der Europäischen Volkspartei (EVP) geführt werden, sagte Wilmes in Brüssel. Ergo: Nicht die Regierungsposition.