Viele Lieblingsmodelle der Autofahrer verschwinden vom Markt
VW, Ford, Opel: Zahlreiche Hersteller stoppen die Produktion von Kleinwagen. Andere Modelle, etwa von Porsche, werden wegen Cyberrisiken bald nicht mehr gebaut
Sie sind kompakt, effizient und passen in jede Parklücke – die Kleinsten unter den Fahrzeugmodellen. Die Nachfrage ist enorm, doch immer mehr dieser Modelle verschwinden vom Markt. Viele Autohersteller haben die Produktion einiger Kleinwagenmodelle mit Verbrenner gestoppt oder planen es: der Ford Fiesta, Opel Adam oder VW Up sind nur drei Beispiele von vielen. „Die kleinen Stadtautos werden langsam aussterben“, erklärt Guido Savi, der Generaldirektor des Autoindustrieverbands ALIA (Association luxembourgeoise de l‘industrie Automobile).
Im Januar 2024 wurden in Luxemburg insgesamt 3.500 Personenkraftfahrzeuge zugelassen, darunter war mit 424 Zulassungen nur etwa jedes achte Auto ein Kleinwagen. Das geht aus Zahlen der Zulassungsbehörde SNCA hervor. „Insgesamt ist ein leichter Rückgang im Kleinwagensegment zu vermerken“, beschreibt Frank Maas, Sprecher des Automobile Clubs Luxembourg (ACL). „Man kann auch feststellen, dass Kleinwagen nur einen geringen Anteil der Anzeigen auf den Gebrauchtwagenplattformen darstellen. Die Auswahl ist zurzeit limitiert“, ergänzt er.
Und ein Blick auf die größten Autoverkaufsseiten Luxemburgs reicht, um zu sehen: Das Angebot für Kleinwagen ist tatsächlich gering. MyCar bietet knapp 171 und Autoscout 342 Kleinwagen zum Verkauf an (Stand: 25.03.2024). Zum Vergleich: rechnet man die Angebote auf beiden Seiten für die großen Geschwister SUV oder Pickup zusammen, gibt es mehr als 2.700 Angebote.
An der Nachfrage liegt es nicht
Das Kundeninteresse für Kleinwagen ist nach wie vor groß. Das bemerkt auch Yves Faber vom Autohaus Car Avenue: „Der Toyota Yaris ist noch immer ein sehr, sehr gefragtes Auto.“Die Gründe, warum die Produktion kleiner Modelle eingestellt wird, liegen anderswo.
Den Hauptgrund sehen Händler und Vertreter der Branche in neuen Umweltstandards: Autohersteller sind konfrontiert mit immer strenger werdenden CO2-Vorschriften, wie etwa der Euro-7-Norm. „Die Abgasnormen sind in den letzten Jahren strikter und die Entwicklungskosten höher geworden“, beschreibt Yves Faber. Der bisherige Grenzwert der CO2-Emissionen, die ein Auto verbrauchen darf, liegt bei 95 Gramm CO2 pro Kilometer, erklärt Guido Savi. Bis 2025 soll dieser Wert um 15 Prozent und bis 2030 um 55 Prozent sinken, sagt er.
Die Einführung neuer Vorschriften wie der Euro-7-Norm, „stellt eine große Belastung in dem Segment dar. Das veranlasst die Autohersteller, die Produktion von kleinen Stadtautos zu reduzieren oder sogar einzustellen“, fügt ALIA-Chef Savi hinzu. Kleine Modelle den Vorgaben anzupassen, sei häufig mit hohen Kosten und viel Aufwand verbunden. Das Resultat dessen: „Die Gewinnmargen bei kleinen Autos sinken, gegebenenfalls lohnt sich die Produktion nicht mehr“, erklärt Frank Maas.
Folglich werden neue Lösungen gesucht: „Es wird jetzt alles getan, um die CO2Bilanz von Autos herunterzudrücken, wodurch Produzenten immer häufiger auf Hybrid-Technologien zurückgreifen“, ergänzt Yves Faber.
Neue EU-Richtlinien gegen Hackerangriffe auf Neuwagen
Jüngst sorgt auch die Einführung strengerer EU-Regeln für die Gewährleistung von Cybersicherheit in Autos für einen Umschwung auf dem Kleinwagenmarkt. Der Hintergrund war, dass in der Vergangenheit immer wieder Versuche von Hackern unternommen wurden, Datensätze in Fahrzeugen zu stehlen oder zu manipulieren. Deshalb steckt in modernen Fahrzeugen eine Vielzahl an Sicherheitsvorkehrungen, die sich stark auf das Fahrzeuggewicht und die Produktionskosten auswirken, erklärt Savi.
Die Richtlinien umzusetzen – vor allem in ältere Modelle mit Verbrenner – stellt Autohersteller vor weitere Probleme. „Wir müssten da noch einmal eine komplett neue Elektronik-Architektur integrieren“, sagt VW-Markenchef Thomas Schäfer. Der Aufwand ist zu groß. Die Folge dessen: Ab dem 7. Juli fliegen bei VW der Transporter T6 und der Miniwagen Up – seit 2020 wurden fast 3.000 Fahrzeuge dieses Modells in Luxemburg zugelassen – aus dem Programm. Auch Porsche stellt dann die Produktion von Macan, Boxster und Cayman ein – drei sehr beliebte Modelle der Luxemburger: in den letzten vier Jahren wurden mehr als 1.100 Porsche Macan, über 230 Cayman und etwa 180 Boxster zugelassen laut Zahlen der SNCA.
Es wird jetzt alles getan, um die CO2-Bilanz von Autos herunterzudrücken. Yves Faber, Car Avenue
Tote Modelle stehen elektrisch wieder auf
Das Autohaus Car Avenue vertreibt Fahrzeuge der Marken Toyota und Nissan; Yves Faber beschreibt: „Wir verkaufen viele Kleinwagen, wie etwa den Toyota Aygo oder Yaris. Diese Modelle existieren noch und sie sind für uns auch noch sehr wichtig, denn die Hälfte unserer Autos sind Kleinwagen.“Er fügt aber hinzu, dass die Verkaufsmarke Nissan aktuell kein einziges Kleinwagenmodell anbietet, nachdem der Micra als Verbrenner bereits vor einigen Jahren eingestellt wurde. Im nächsten Jahr soll das Modell jedoch elektrifiziert auf den Markt zurückkehren.
Dieses Beispiel spiegelt eine Hoffnung der Automobilbranche wider, sorgt aber für Verschiebungen im Kleinwagensegment laut Maas: Modelle, die bislang als Verbrenner verkauft wurden, werden elektrifiziert auf den Markt zurückgeholt. So wird beispielsweise bei Renault mit dem R5 Ende dieses Jahres eine Wiedergeburt gefeiert.
Die kleinen Stadtautos werden langsam aussterben. Guido Savi, Generaldirektor von ALIA
Dabei sehen Autohändler und Branchenvertreter jedoch noch ein Problem. Guido Savi erklärt: „In der Elektroversion sind kleine Modelle teuer und für die Hersteller wenig rentabel. Sie haben Schwierigkeiten, ausreichende Gewinnspannen zu erzielen und ihre Industrieanlagen rentabel zu machen.“Yves Faber schließt sich an: „Die Kosten für die Elektrifizierung von Modellen sind sehr hoch.“
SUVs sind nach wie vor am beliebtesten
„Die Nachfrage nach SUVs ist noch immer ungebrochen. Sie sprechen die Kunden am meisten an“, weiß Faber. Außerdem werden sie häufig als Familienauto genutzt, erklärt Maas und ergänzt: „Mittlerweile werden sogar kleinere Autos als SUV angeboten“– so wie der Yaris Cross von Toyota. Faber beschreibt: „Das war in den ersten Monaten unser meistverkauftes Auto. Es liegt ein bisschen höher, ist kompakt und ist im Stil wie ein SUV auf Yaris-Basis. Sowas verkauft sich sehr gut.“ALIA-Chef Savi bezeichnet diese Entwicklung als „Premiumisierung“des Automobilsmarktes. Die Nachfrage nach SUVs sei in den letzten Jahren rasant gewachsen, was auch die hohe Angebotszahl auf den Autoverkaufsseiten belegt. „Diese Entwicklung dürfte also das allmähliche Verschwinden der Kleinwagen einläuten“, meint Guido Savi.