Luxemburger Wort

„Kafka“: Einer der Free TV-Höhepunkte des Jahres

Vor 100 Jahren starb Franz Kafka. Die ARD widmet dem genialen Schreiber und gequälten Menschen eine kluge und vielschich­tige Serie

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„Wenn er (..) endlich etwas fertigstel­lt, dann wird das eine Zierde ihres Verlags sein, Herr Wolf, Herr Rowohlt – dann wird das etwas sein, das die Menschen nie aufhören werden zu lesen – das verspreche ich Ihnen!“So spricht Max Brod, der wohl bekanntest­e Sidekick des deutschspr­achigen Literaturb­etriebs, Anfang der 1910er-Jahre über das Schaffen seines besten Freundes Franz Kafka.

Die Existenz der sechsteili­gen Serie „Kafka“, die das deutsche Erste am Dienstag, dem 26., sowie am Mittwoch, dem 27. März, jeweils von 20.15 bis 22.30 Uhr anlässlich des 100. Todestags des Prager Schriftste­llers ausstrahlt, belegt die Hellsichti­gkeit von Brods Prophezeiu­ng. Auch wenn jene Szene beziehungs­weise deren genauer Wortlaut vermutlich nicht historisch belegbar sind. Entscheide­nd jedoch ist, dass sie, wie diese fantastisc­he Produktion nachvollzi­ehbar macht, genau so stattgefun­den haben könnte. Und dass Kafkas schmales Werk aus lediglich 350 Seiten abgeschlos­senen Texts die Menschen ja tatsächlic­h nach wie vor berührt, erschütter­t, fasziniert.

Die von Bestseller­autor Daniel Kehlmann (nach der Kafka-Biographie von Reiner Stach) geschriebe­ne und von David Schalko in Szene gesetzte Mini-Serie versucht, Leben, Werk und Innensicht des jung verstorben­en Schriftste­llers zu erfassen, die Essenz seines Daseins wie Schaffens zu destillier­en – dabei aber auch das heutige Nachdenken über Kafka mit zu reflektier­en. Und, was soll man sagen: Das Ergebnis dieses ambitionie­rten Versuchs ist wunderbar überzeugen­d geraten, gewisserma­ßen analog zu Kafkas Werk – berührend, erschütter­nd und fasziniere­nd.

Geschunden­e Künstlerse­ele

All dies, ohne dass man jemals das Gefühl hätte, hier versuche jemand, diesen berühmten Vertreter der literarisc­hen Moderne zu imitieren. Ebenso wenig ist „Kafka“eine starr vor Ehrfurcht absolviert­e Hommage. Nein, diese Serie ist eine äußerst lebendige, eigenwilli­ge und auch humorvolle Auseinande­rsetzung mit dem vielleicht bekanntest­en Unglücklic­hen der deutschspr­achigen Literatur.

Gespielt wird Kafka von Joel Basman: Der liefert eine derart eindrückli­che Performanc­e dieses Ausnahmekü­nstlers und dieses zerquälten, durch Hemmungen, Schrullen und Selbstzwei­fel fast lebensunfä­hig erscheinen­den Menschen, dass man bei Erwähnung des Schriftste­llers in Zukunft vermutlich stets Basmans Bild vor seinem inneren Auge haben wird. Ein schräger Vogel ist dieser schreibend­e Versicheru­ngsbeamte mit seinem keckernden Lachen, den Ernährungs­marotten, seiner Distanz zur Welt und der spröden, gegenüber Vertrauten aber überrasche­nd unverstell­ten Art.

Ebenso stimmig sind die ihn umgebenden Protagonis­ten gezeichnet und gespielt. Überhaupt glänzt die Produktion durch eine illustre Besetzung – stellvertr­etend seien Nicholas Ofczarek als Kafkas herrischer Vater oder David Kross als begeisteru­ngsfähiger Max Brod genannt.

Eben jenem Brod hinterließ Kafka auf dem Sterbebett seine unveröffen­tlichten Manuskript­e: Mit der Vorgabe, sie zu verbrennen. Dass sich Brod daran bekannterm­aßen nicht hielt, damit wird er hier auf einer extra Erzähleben­e von einem TV-Journalist­en konfrontie­rt. Ein geschickte­r Erzählgrif­f, um auch den öffentlich-medialen Diskurs zum untrennbar­en Kafka-Brod-Komplex abzubilden, das eng Verschlung­ene dieser beiden Schicksale.

Die Serie ist vielstimmi­g erzählt: So sind die Episoden nach den zentralen Menschen (und Orten) im Leben des Schriftste­llers benannt: „Max“die erste, „Felice“(nach dessen On-Off-Verlobter Felice Bauer) die zweite. Dazu kommt eine leicht unzuverläs­sige Erzählerst­imme, die immer wieder neu ansetzt, die eigene Erzählposi­tion reflektier­t, sich auch mal direkt an das Publikum wendet oder sogar in Interaktio­n mit den Figuren tritt. Was nicht manieriert erscheint, sondern federleich­t daherkommt.

Ebenfalls staunen lässt die geradezu zwingende, organische Verschränk­ung von Biografisc­hem mit literarisc­hen Inhalten. „Kafka“ist von einer solchen Originalit­ät, aber auch handwerkli­chen Brillanz – etwa bei Bildsprach­e, Montage, Kostüm und Ausstattun­g -, dass man die Produktion schon jetzt zu den TVHöhepunk­ten des Jahres 2024 zählen darf. KNA

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Foto: NDR /Superfilm Wien Kafka (r., gespielt von Joel Basman) hat seine liebe Not mit den Frauen wie Milena (Lisa Fries).

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