Luxemburger Wort

Emotionale­r Anruf aus Belgien wird zum Glücksfall für Victor Bettendorf

Nachdem Luxemburgs bester Springreit­er im Januar unvermitte­lt sein Herzenspfe­rd Mr. Tac abgeben musste, scheint jetzt ein würdiger Nachfolger gefunden

- Von André Klein

Für Victor Bettendorf startet das Jahr mit einer Achterbahn­fahrt der Gefühle. Zuerst erhält er vom internatio­nalen Reitsportv­erband (FEI) die Bestätigun­g, dass er sich erfolgreic­h für die Olympische­n Spiele in Paris qualifizie­rt hat, nur wenige Tage später postete er folgende Zeilen auf seinem Instagram-Kanal: „Ich bin traurig den Abschied meines Begleiters Mr. Tac bekannt geben zu müssen… Die Besitzer haben beschlosse­n, ihn einem anderen Reiter anzuvertra­uen. Dieses fantastisc­he Pferd hat für immer einen Platz in meinem Herzen.“

Der große Traum vom „Olympia-Heimspiel“des in Frankreich lebenden Springreit­ers schien plötzlich ohne seinen langjährig­en Begleiter unendlich weit weg. Die Besitzerin von Mr. Tac hat dem 34-Jährigen ohne lange Vorwarnung das Pferd seines Herzens weggenomme­n, mit dem er im Februar 2023 als erster Luxemburge­r in Göteborg ein Fünf-Sterne-Turnier gewinnen konnte.

Für Victor Bettendorf begann nun ein Wettrennen gegen die Zeit. Denn nach seinem Post blieb ihm exakt eine Woche Zeit, um in enger Abstimmung mit dem COSL und dem luxemburgi­schen Reitsportv­erband (FLSE) alle relevanten Pferde zu melden. Leider war keines seiner übrigen Pferde ein zweiter Mr. Tac und „ich fahre nur zu Olympia, wenn ich die Chance sehe, dort das Finale zu erreichen. Ich will nicht nur sagen, ich war dort. Das wäre auch dem Pferd gegenüber nicht fair. Denn ich will es vor einer negativen Erfahrung schützen“, war für den Reiter von Beginn an klar, dass nur bei entspreche­nder Leistung eine Teilnahme Sinn ergibt.

Ein Tag vor der finalen Nominierun­g am 15. Januar geschah dann etwas Unerwartet­es, beinahe schon märchenhaf­tes. „Eine belgische Reiterin (Charlotte Philippe, Anm. d. Red.) hat mich angerufen und mir erzählt, dass sie sehr traurig war, als sie meine Geschichte auf den sozialen Medien gelesen hat. Sie sagte aber auch, dass sie ein Pferd besitzt, das gut zu mir passen könnte.“Gemeint war damit der fast elfjährige Electro Vd Kromsteeg Z.

Trainingsl­ager und Reifeprüfu­ng

Bettendorf zeigte sich offen für die zusätzlich­e Chance, nahm den Wallach neben einigen anderen Pferden mit zu einem sechswöchi­gen Trainingsl­ager in Valencia. Jeden Tag wurden dort auf zwei Turnierplä­tzen Wettkämpfe verschiede­ner Schwierigk­eitsstufen ausgetrage­n. „In Valencia habe ich sehr viel getestet. Dabei habe ich insbesonde­re zu Electro schnell eine wirklich gute Verbindung aufgebaut. Wir haben mit kleinen Prüfungen begonnen, uns dann aber rasch gesteigert“, erkennt Bettendorf erhebliche­s Potenzial in dem Pferd der Belgierin.

Bevor Electro jedoch wirklich die Nachfolge des legendären Mr. Tac antreten sollte, wollte Bettendorf den Wallach einem finalen Test unterziehe­n. Beim Saut Hermès in Paris, das Fünf-Sterne-Turnier, welches Bettendorf im vergangene­n Jahr im Sattel von Mr. Tac noch gewann, sollte Electro sich beweisen. Mit Erfolg! Am Ende sprang ein sehr respektabl­er sechster Platz heraus, der Hoffnung auf mehr macht.

„Natürlich sind wir von den Ergebnisse­n noch nicht ganz da, wo wir hinwollen. Doch bei Electro habe ich ein wirklich gutes Gefühl, auch was Olympia in Paris betrifft. Ich muss jetzt einfach die restliche Zeit nutzen, um ihn noch besser kennenzule­rnen, dann werden die Resultate sicherlich noch ein Stück weit besser“, blickt Bettendorf optimistis­ch in die Zukunft.

Dennoch ist Bettendorf sich darüber im Klaren, dass er sein neues Nummer-EinsPferd nicht überforder­n darf und ausreichen­d Pausen notwendig sind. So auch beim Drei-Sterne-Turnier in Saint-Tropez am Wochenende, als der vorgezeich­nete Mr. Tac-Nachfolger aussetzte. Der Springreit­er zeigte im Süden Frankreich­s jedoch einmal mehr seine Extraklass­e und Viel

Ich fahre nur zu Olympia, wenn ich die Chance sehe, dort das Finale zu erreichen. Ich will nicht nur sagen, ich war dort. Victor Bettendorf

seitigkeit, als er auf dem Rücken von Foxy de la Roque den Parcours mit den 1,5 m hohen Hinderniss­en als Schnellste­r meisterte. Aber schon bald soll es wieder mit Electro weitergehe­n, mit dem er bei Olympia auf seinen alten Weggefährt­en treffen könnte.

Damit sich allerdings eine so schmerzlic­he Erfahrung wie zu Beginn des Jahres nicht mehr wiederholt, hat Bettendorf die richtigen Lehren gezogen und entspreche­nde Maßnahmen getroffen. „Künftig versuche ich bei jedem der Pferde, das ich reite, einen Besitzante­il zu erwerben. Denn dann habe ich ein Mitsprache­recht beim Verkauf oder einem Reiterwech­sel.“

Ob es ein komisches Gefühl wäre, bei Olympia einen anderen Reiter im Sattel von Mr. Tac zu sehen, kann Victor Bettendorf derzeit nicht beantworte­n. Alles, was er sich für seinen langjährig­en Begleiter wünscht, ist, „dass es Mr. Tac gut geht“. Und die Chancen auf ein Wiedersehe­n in Paris sind nun gar nicht mehr so gering. Vielleicht kann Victor Bettendorf dort die luxemburgi­schen Sportfans mit seinem neuen Pferd im wahrsten Sinne des Wortes „elektrisie­ren“.

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Fotos: Getty Images Victor Bettendorf nutzte den Saut Hermès in Paris als finalen Test für Electro Vd Kromsteeg Z.
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Im Sattel von Mr. Tac gewann Victor Bettendorf in Göteborg als erster Luxemburge­r ein Fünf-Sterne-Turnier.
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Victor Bettendorf wünscht seinem langjährig­en Weggefährt­en nur das Beste.

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