Alexandra Schoos, was unterscheidet Sie von Fred Keup?
Warum die neue Präsidentin vom Image der Anti-Woke-Partei fort möchte und wie sich der politische Stil der ADR unter ihrer Führung ändern könnte
Vor einem Jahr hätte wohl niemand damit gerechnet, dass Alexandra Schoos da sein würde, wo sie heute steht. Erst Spitzenkandidatin im Osten bei den Nationalwahlen, dann der Einzug in die Chamber – und jetzt Präsidentin der ADR. Alles nur innerhalb eines Jahres. Dabei ist die 35-Jährige nicht gerade die natürliche Nachfolgerin des nun ehemaligen Präsidenten Fred Keup: Sie will nämlich die ADR thematisch breiter aufstellen – statt als Partei des Verbrennungsmotors oder der Anti-Woken bekannt zu sein, erzählt sie dem „Luxemburger Wort“im Interview.
Alexandra Schoos, was unterscheidet Sie als neue Parteichefin von Ihrem Vorgänger Fred Keup?
Das Geschlecht. Als Frau habe ich einen anderen Charakter. Ich gehe anders an die Sachen heran: Manchmal ruhiger, aber auch mal impulsiver, weil ich jünger bin. Zudem komme ich aus dem Gesundheitsbereich und Fred Keup aus der Bildung. Für den Rest wird sich aber nicht viel ändern: Ich werde der Parteilinie treu bleiben und unserem Grundsatzprogramm folgen.
Was Gemeinsamkeiten angeht: Ihr Vorgänger erklärt regelmäßig den „Woken“den Krieg. Halten Sie „Woke“auch für so gefährlich?
Ich würde mich nicht so ausdrücken wie Fred Keup. Es ist seine Art Rhetorik. Woke heißt für mich, wenn Themen künstlich aufgeblasen werden. Selbst wenn die Menschen, die von einem Problem betroffen sind, das eigentlich nicht wollen. Und Menschen, die nicht betroffen sind, pushen diese Themen dann trotzdem, dass es fast zur Propaganda wird. Ich möchte aber aufpassen, dass wir uns als ADR thematisch breit aufstellen. Man könnte uns sonst vorwerfen, nur die Partei des Verbrennungsmotors oder der Anti-Woken zu sein. Ich möchte, dass wir wieder zeigen, dass es nicht unsere einzigen Themen sind.
Über Ihre Partei wird oft gesagt: Es gibt eine ADR mit und ohne Fred Keup. Die mit Herrn Keup sei rechter und populistischer. Welcher ADR gehören Sie an?
Wir sind weder rechts noch links, sondern in der Mitte der Gesellschaft. Das steht auch so in unserem Grundsatzprogramm.
Die ADR ist also nicht rechts, sondern in der Mitte?
Die ADR hat linke Ideen, rechte Ideen und Ideen aus der Mitte. Wir decken das ganze Spektrum ab, weil wir mit unseren Grundwerten versuchen, nahe an den Menschen zu sein.
Beim ADR-Kongress in Grevenmacher haben Sie in Ihrer ersten Rede gemeint, Gesundheit, Pensionen und Logement seien für Sie wichtige Themen. Von Unsicherheit, der Luxemburger Sprache oder dem Ende des Verbrenner
Motors haben Sie nichts gesagt. Sie sind nicht wirklich eine typische ADR-Politikerin, oder?
Doch, aber ich will, dass wir uns thematisch breiter aufstellen. Wir sollen uns als Partei durch unsere Ideen auszeichnen und nicht, weil wir in den Medien präsent sind, nachdem wir jemanden schlechtgeredet haben. Oder weil wir nur sagen, was andere falsch machen. Unsere Kernthemen hängen auch davon ab, wie sich das Land entwickelt und was im Moment ein Problem ist. Weil Sie aber meine Rede ansprechen: Ich habe nach Fred Keup geredet und wollte nicht alles wiederholen, was er bereits vor mir ausgeführt hatte.
Nach den problematischen Äußerungen von Marc Lies (CSV), Simone Beissel (DP) oder beim Bettelverbot hat die ADR der Regierung den Rücken gestärkt. Sind Sie sicher, dass Sie in der Opposition richtig sind?
Auf jeden Fall. Die Frage sollte eher lauten, ob die Mehrheit nicht in Richtung Opposition gerückt ist. Es gibt ja diese Taktik, dass konservative Parteien von rechteren Parteien Ideen übernehmen, um damit erfolgreich zu sein.
Also die Regierung klaut die Ideen der ADR, um bei den Bürgern zu punkten?
Das hätte ich nicht so formuliert. Man kann nicht davon reden, dass sie Ideen klauen. Es ist eher so, dass sie Ideen aus der Opposition eben doch nicht so blöd finden. Luc Frieden hat kürzlich eingesehen, dass auch Luxemburg in der Frage der Atomkraft technologieoffen sein muss. Das haben wir bisher immer gesagt.
Nun hat sich die ADR unter Blau-Rot-Grün bei den Wählern einen Ruf als scharfe Regierungskritikerin gemacht. Fürchten Sie zwischen links-grüner Opposition und einer Mitte-Rechts-Mehrheit Ihr Profil zu verlieren?
Wir sagen nicht, dass die Regierung aktuell immer recht hat. Es ist aber eine andere Politik als unter Gambia. Wo wir allerdings sicher nicht einverstanden sein werden, ist, wenn diese Regierung im Wohnungsbau damit anfängt, Steuern auf leerstehende Immobilien eintreibt. Wir sind klar dagegen.
: Ich möchte aufpassen, dass wir uns als ADR thematisch breit aufstellen. Man könnte uns sonst vorwerfen, nur die Partei des Verbrennungsmotors oder der Anti-Woken zu sein.
Ihre Partei warnt vor Sozialismus und betreibt regelmäßig Grünen-Bashing. Sind Ihnen Klima und soziale Gerechtigkeit nicht wichtig?
Nachhaltigkeit und Solidarität gehören zu den Grundwerten unserer Partei. Beim Thema Klima und Umwelt wurde aber die letzten Jahre eine Politik von oben herab gemacht, ohne die Menschen mit ins Boot zu nehmen. Obwohl der Einfluss Luxemburgs auf die Umwelt auf globaler Ebene kaum eine Rolle spielt, wird Klimaschutz auf dem Rücken der Menschen ausgetragen.
Sozialisten und Grüne sind aber aktuell nicht in der Regierung. Warum also andere Oppositionsparteien attackieren, statt die Regierung zu kontrollieren?
Ich habe selbst kein Problem mit diesen Parteien in der Chamber. Es ist eher umgekehrt: Dass das Klima in der Chamber feindseliger geworden ist, liegt an der anderen Seite. Bei Resolutionen oder Motionen redet fast niemand aus der Opposition vorher mit uns. Wir werden teilweise ignoriert. Dass wir anderer Meinung als Grüne und Sozialisten sind, ist normal. Wir unterscheiden uns eben als Parteien.
Jeder sucht Lösungen, sagen Sie. Eine Ihrer Lösungen im Wahlkampf war es, das Wachstum zu begrenzen. Seither hört man die ADR kaum noch zu dem Thema etwas sagen. Warum nicht?
Wachstum ist ein komplexes Thema. Es genügt nicht, dass die Politik darüber spricht, sondern es muss in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden. Und in Verbindung mit der Wohnungsbaufrage gestellt werden. Denn wir müssen schauen, dass die ganzen Wohnungen, die wir aktuell bauen, später nicht umsonst sind, weil die
Menschen nicht mehr da sind. Unternehmen wandern mittlerweile ab, weil die Unterhaltskosten hierzulande zu teuer sind. Dieses Problem kann also nicht nur die Politik lösen.
Es fällt auf, dass Sie den Wohnungsbau öfters aufgreifen. Sie hatten in Grevenmacher gemeint, Logement sei nicht Ihre Stärke.
Es ist nicht mein Steckenpferd. Ich kenne mich bei steuerlichen Fragen, die mit dem Wohnungsbau zusammenhängen, weniger gut aus. Bisher habe ich nämlich keine Immobilie gekauft. Da ist es kompliziert, über alles Bescheid zu wissen, wenn man selbst im Alltag nicht damit konfrontiert wird.
Eine Ihrer Stärken ist Ihre Expertise als Wissenschaftlerin. Einige Ihrer Parteikollegen behaupten aber, der Klimawandel sei nicht menschengemacht. Nervt Sie das nicht?
Wenn sie diese Aussagen getroffen haben, dann weil sie sich informiert haben. Als Wissenschaftler sehen wir die Sachen vor allem nuanciert. Es ist schwierig, über alles Bescheid zu wissen. Und es ist ja so: Manche Politiker erzählen nur ihre Version der Wahrheit, das machen auch gewisse Wissenschaftler.
Sie sagen also, dass Wissenschaftler vor der Klimakrise warnen, bloß weil es ihnen gut passt?
Nein, sondern weil sie sich nur mit diesem einen Thema auseinandersetzen und sich informiert haben. Je nachdem, welche Studie man aber durchführt, kann man auf unterschiedliche Resultate kommen. Man kann sich nur zu dem Bereich äußern, den man erforscht hat. Das heißt aber nicht, dass es die anderen Argumente nicht gibt.
Ist die ADR wissenschaftsskeptisch?
Nein, mit Tom Weidig und mir sitzen sogar zwei Wissenschaftler im Parlament.
Sie erwähnen wiederholt die Grundwerte Ihrer Partei. Einer soll die Freiheit sein. Ihr Parteikollege Tom Weidig hat vor Kurzem einem Karikaturisten auf Facebook wegen einer Zeichnung gedroht. Schaut so das Freiheits-Verständnis der ADR aus?
Nein, eine Bedrohung kann nie mit Freiheit in Verbindung gesetzt werden. Hier war es nur keine Drohung. Wir haben alles intern besprochen. Herr Weidig hat eine Erklärung zu der ganzen Geschichte auf Facebook gepostet und auch mir gegenüber ausgeführt, was mit seinem Kommentar gemeint war.
Vor den Wahlen wurden Mitglieder mit nationalsozialistischer Symbolik in Verbindung gesetzt. Wie wollen Sie mit solchen Fällen als neue Chefin künftig umgehen?
Mir sind solche Sachen nicht egal. Ich möchte aber heraus aus dieser Stereotypie, in die die ADR hineingedrückt wird. Was ich mir wünsche, ist, dass mehr gesprochen und kommuniziert wird. Aber auch die Presse muss neutral berichten, Fragen stellen und hinterfragen. Im Fall Vossen: Die vermeintlichen SS-Runen auf dem T-Shirt waren das Logo einer Motorradmarke. Die Geschichte war also aus der Luft gegriffen. Es hat nur in das Bild gepasst, das manche Menschen draußen von der ADR haben. Und die Presse hat eine Geschichte daraus gemacht.
Die Presse hat Anfragen an Herrn Vossen geschickt und mit diversen Parteimitgliedern geredet, inklusive Parteipräsident Keup. Die SS-Runen waren klar auf dem T-Shirt zu sehen. Wie wollen Sie also künftig mit solchen Situationen umgehen?
Wenn es wirklich in der Partei ein Problem geben sollte, dann werde ich mit der Presse kommunizieren, aber nicht bevor ich intern mit den Menschen in der Partei geredet habe. Es ist mir wichtig, einen Hintergrund zu kennen und nicht vorher vor die Presse zu treten. Aber ich bin niemand, der etwas unter den Tisch kehren wird. Wenn ein Verstoß unserer Grundwerte vor unseren Augen stattfindet, dann werde ich handeln. Aber ich bin nicht die Polizei. Es gilt auch die Meinungsfreiheit, wie auch für Frau Beissel oder Herrn Lies.
Meinungsfreiheit hört also nicht bei rassistischen Aussagen auf?
Dann müssen Sie Rassismus definieren. Wo fängt die Freiheit des anderen an und wo endet sie?
Um es klarer zu formulieren: Wenn Hühner geköpft und daraufhin Flüchtlinge ohne Beweislage als Erste verdächtigt werden, ist das für Sie in Ordnung?
Nein, das ist es nicht, weil es ein Vorurteil ist.
Eines Ihrer ersten Ziele als neue Parteichefin wird es sein, im Juni bei den Europawahlen einen Sitz in Brüssel zu erobern. Die ADR gehört auf EU-Ebene der konservativen EKR an. Wird die ADR im EU-Parlament in der EKRFraktion im Europaparlament sitzen?
Nicht, dass ich etwas anderes bisher gehört hätte. Dafür müssen wir aber erst den Sitz sichern.
Können Sie sich eine strukturierte Zusammenarbeit zwischen EKR und EVP im EU-Parlament vorstellen?
Wir wollen als ADR keine Brandmauern. Man muss nur dieselben Ideen vertreten, wir sind für eine Zusammenarbeit offen.
In der EKR sitzen Parteien wie Eric Zemmours „Reconquête“und die spanische „Vox“. Beide gelten als gesichert rechtsextrem. Stört Sie das nicht?
Welche Parteien sie aufnimmt, ist Sache der EKR.
Es stört Sie also nicht?
Ich habe Eric Zemmour zum Beispiel noch nie live gesehen. Ich mache mir aber selbst gerne ein Bild von den Menschen.