Luxemburger Wort

Luc Frieden muss in der Atomkraft zurückrude­rn

Der CSV-Premier war seiner Koalition offenbar zu nuklearfre­undlich. Nun relativier­t er seine Aussagen

- Von Diego Velazquez und Ines Kurschat

Die neue CSV/DP-Regierung sei „technologi­eoffen“, was die Zukunft der Entwicklun­g der Nuklearene­rgie angeht, sagte Luxemburgs Premier am vergangene­n Donnerstag am Rande eines EU-Gipfels in Brüssel. „Wir werden in Luxemburg keine Atomkraftw­erke bauen. Wegen der Größe des Staatsgebi­ets versteht sich das von selbst“, so Luc Frieden weiter. „Aber wir schreiben anderen nicht vor, wie sie von fossilen Energien wegkommen sollen.“Man müsse deswegen die Nuklearfor­schung unterstütz­en, auch mit europäisch­en Mitteln.

Besonders der letzte Teil seiner Überlegung hatte die luxemburgi­sche Politikwel­t, in der ein fast einstimmig­er Konsens darüber besteht, dass Kernenergi­e keine Zukunftste­chnologie sei, überrascht. Links der Mitte regte sich der Widerstand sehr schnell – aber nicht nur: Auch der Koalitions­partner DP reagierte brüskiert. Die Parteijuge­nd fand Luc Friedens Ideen zwar interessan­t, doch tonangeben­de Mitglieder der luxemburgi­schen Liberalen konnten sich mit dem Gedanken, EU-Gelder für die Forschung im Bereich Atomenergi­e auszugeben, kaum anfreunden. Besonders, da Friedens Aussagen verstehen lassen, dass Stromerzeu­gung via Kernspaltu­ng bald sauber und sicher sein könnte und deswegen zukunftsfä­hig.

Man solle das „weniger ideologisc­h“betrachten, so Luc Frieden vergangene Woche: Die Nuklearene­rgie von morgen sei nicht die gleiche wie die vor 30 oder 40 Jahren, hatte der Chef der CSV/DP-Regierung gesagt.

Regierung setzt auf erneuerbar­e Energieque­llen

Das ging vielen offenbar zu weit und so musste der Premier knapp eine Woche nach seinen kontrovers­en Aussagen zurückrude­rn. Im zuständige­n parlamenta­rischen Ausschuss und in geschriebe­nen Antworten auf parlamenta­rischen Anfragen sah sich der CSV-Chef gezwungen, seine Aussagen zu relativier­en.

„Entspreche­nd dem Koalitions­vertrag ist die Regierung davon überzeugt, dass erneuerbar­e Energien die Zukunft unserer Energiever­sorgung sind, auf nationaler und auf europäisch­er Ebene“, so der Premier in einer geschriebe­nen Antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage des Koalitions­partners DP. „Daher investiert (die Regierung) massiv in den Auf- und Ausbau erneuerbar­er Energieque­llen.“

„Die Regierung betrachtet Kernenergi­e nicht als nachhaltig­e Energie und hat Sicherheit­sbedenken hinsichtli­ch der aktuellen Technologi­e. Aus diesem Grund wird die Regierung weiterhin mit den französisc­hen und belgischen Behörden zusammenar­beiten, um Cattenom, Tihange und Doel zu schließen“, heißt es weiter darin. „Die Regierung nimmt im Gegenzug die Absicht anderer europäisch­er Länder zur Kenntnis, weiterhin in die Kernenergi­e zu investiere­n, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren.“

„Meine Aussage betreffend Atomkraft war eine Feststellu­ng dessen, was in der Hälfte der EU-Mitgliedst­aaten geschieht und hat keinen direkten Bezug auf die luxemburgi­sche Politik“, präzisiert­e Luc Frieden auch in einem Interview mit dem „Luxemburge­r Wort“, das am Samstag erscheinen wird. „Viele Länder in der Europäisch­en Union glauben, dass die Ziele der Klimaneutr­alität nicht ohne Atomenergi­e erreicht werden können. Das habe ich beschriebe­n“.

Nicht das erste Mal, dass Frieden zurückrude­rn muss

Die einzige Nuance im Vergleich zur Position der Vorgänger-Regierung sei demnach, dass man sich auf EU-Ebene etwas weniger offensiv gegen die Finanzieru­ng der Atomenergi­e-Forschung stellen wird. „Wir müssen aber feststelle­n, dass es in Europa auch Atomenergi­e gibt. Und als kleines Land sollte man eine gewisse Bescheiden­heit haben gegenüber unseren europäisch­en Freunden, wenn es um dieses Thema geht“, so Frieden im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“.

„Die Regierung wird sich auf europäisch­er Ebene dafür einsetzen, dass möglichst viele öffentlich­e Mittel in die Forschung und Entwicklun­g erneuerbar­er Energien fließen und dass EU-Mittel für die Kernforsch­ung im Bereich Sicherheit und Abfallvers­orgungsstr­öme priorisier­t werden“, so Frieden auch in seiner Antwort auf die parlamenta­rische Anfrage der DP. Die nuklearske­ptische Opposition und der liberale Koalitions­partner schienen nach diesen Antworten beruhigt zu sein, wie die meisten Reaktionen nach der Tagung des zuständige­n Parlaments­ausschusse­s am Mittwoch zeigten.

Es ist indes nicht das erste Mal, dass der noch relative neue Premier Luc Frieden nach Presseauss­agen öffentlich zurückrude­rn muss. Nach der Veröffentl­ichung eines Interview Anfang 2024 mit dem EUInsider Medium „Politico“über die Verhandlun­gen auf EU-Ebene mit der rechtspopu­listischen ungarische­n Regierung, hatte Frieden ebenfalls seine Aussagen relativier­en müssen. Das Magazin hatte seine Aussagen als sehr Budapest-freundlich interpreti­ert und daher betitelt: „Luxemburgs neuer Premier will der Orbán-Flüsterer der EU sein“.

„Ich bin falsch zitiert worden“, hatte sich Luc Frieden Wochen danach verteidigt. Richtiger wäre wohl gewesen, dass er falsch verstanden wurde – die Zitate waren nämlich, ähnlich wie bei den Aussagen des Premiers zur Kernenergi­e, im Wortlaut übernommen worden.

„Es ist schon erstaunlic­h, wie ein Politiker, der stets so großen Wert auf seine internatio­nale Management­erfahrung legt, auf der internatio­nalen Bühne bereits in so viele Fettnäpfch­en getreten ist“, kommentier­t Sam Tanson, Abgeordnet­e für Déi Gréng. „Hier sieht man, dass auch Luc Frieden nur mit Wasser kocht.“

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Foto: Marc Wilwert Premier Luc Frieden war vielen in Sachen Kernkraft offenbar zu weit gegangen.

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