Luc Frieden muss in der Atomkraft zurückrudern
Der CSV-Premier war seiner Koalition offenbar zu nuklearfreundlich. Nun relativiert er seine Aussagen
Die neue CSV/DP-Regierung sei „technologieoffen“, was die Zukunft der Entwicklung der Nuklearenergie angeht, sagte Luxemburgs Premier am vergangenen Donnerstag am Rande eines EU-Gipfels in Brüssel. „Wir werden in Luxemburg keine Atomkraftwerke bauen. Wegen der Größe des Staatsgebiets versteht sich das von selbst“, so Luc Frieden weiter. „Aber wir schreiben anderen nicht vor, wie sie von fossilen Energien wegkommen sollen.“Man müsse deswegen die Nuklearforschung unterstützen, auch mit europäischen Mitteln.
Besonders der letzte Teil seiner Überlegung hatte die luxemburgische Politikwelt, in der ein fast einstimmiger Konsens darüber besteht, dass Kernenergie keine Zukunftstechnologie sei, überrascht. Links der Mitte regte sich der Widerstand sehr schnell – aber nicht nur: Auch der Koalitionspartner DP reagierte brüskiert. Die Parteijugend fand Luc Friedens Ideen zwar interessant, doch tonangebende Mitglieder der luxemburgischen Liberalen konnten sich mit dem Gedanken, EU-Gelder für die Forschung im Bereich Atomenergie auszugeben, kaum anfreunden. Besonders, da Friedens Aussagen verstehen lassen, dass Stromerzeugung via Kernspaltung bald sauber und sicher sein könnte und deswegen zukunftsfähig.
Man solle das „weniger ideologisch“betrachten, so Luc Frieden vergangene Woche: Die Nuklearenergie von morgen sei nicht die gleiche wie die vor 30 oder 40 Jahren, hatte der Chef der CSV/DP-Regierung gesagt.
Regierung setzt auf erneuerbare Energiequellen
Das ging vielen offenbar zu weit und so musste der Premier knapp eine Woche nach seinen kontroversen Aussagen zurückrudern. Im zuständigen parlamentarischen Ausschuss und in geschriebenen Antworten auf parlamentarischen Anfragen sah sich der CSV-Chef gezwungen, seine Aussagen zu relativieren.
„Entsprechend dem Koalitionsvertrag ist die Regierung davon überzeugt, dass erneuerbare Energien die Zukunft unserer Energieversorgung sind, auf nationaler und auf europäischer Ebene“, so der Premier in einer geschriebenen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Koalitionspartners DP. „Daher investiert (die Regierung) massiv in den Auf- und Ausbau erneuerbarer Energiequellen.“
„Die Regierung betrachtet Kernenergie nicht als nachhaltige Energie und hat Sicherheitsbedenken hinsichtlich der aktuellen Technologie. Aus diesem Grund wird die Regierung weiterhin mit den französischen und belgischen Behörden zusammenarbeiten, um Cattenom, Tihange und Doel zu schließen“, heißt es weiter darin. „Die Regierung nimmt im Gegenzug die Absicht anderer europäischer Länder zur Kenntnis, weiterhin in die Kernenergie zu investieren, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren.“
„Meine Aussage betreffend Atomkraft war eine Feststellung dessen, was in der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten geschieht und hat keinen direkten Bezug auf die luxemburgische Politik“, präzisierte Luc Frieden auch in einem Interview mit dem „Luxemburger Wort“, das am Samstag erscheinen wird. „Viele Länder in der Europäischen Union glauben, dass die Ziele der Klimaneutralität nicht ohne Atomenergie erreicht werden können. Das habe ich beschrieben“.
Nicht das erste Mal, dass Frieden zurückrudern muss
Die einzige Nuance im Vergleich zur Position der Vorgänger-Regierung sei demnach, dass man sich auf EU-Ebene etwas weniger offensiv gegen die Finanzierung der Atomenergie-Forschung stellen wird. „Wir müssen aber feststellen, dass es in Europa auch Atomenergie gibt. Und als kleines Land sollte man eine gewisse Bescheidenheit haben gegenüber unseren europäischen Freunden, wenn es um dieses Thema geht“, so Frieden im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“.
„Die Regierung wird sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass möglichst viele öffentliche Mittel in die Forschung und Entwicklung erneuerbarer Energien fließen und dass EU-Mittel für die Kernforschung im Bereich Sicherheit und Abfallversorgungsströme priorisiert werden“, so Frieden auch in seiner Antwort auf die parlamentarische Anfrage der DP. Die nuklearskeptische Opposition und der liberale Koalitionspartner schienen nach diesen Antworten beruhigt zu sein, wie die meisten Reaktionen nach der Tagung des zuständigen Parlamentsausschusses am Mittwoch zeigten.
Es ist indes nicht das erste Mal, dass der noch relative neue Premier Luc Frieden nach Presseaussagen öffentlich zurückrudern muss. Nach der Veröffentlichung eines Interview Anfang 2024 mit dem EUInsider Medium „Politico“über die Verhandlungen auf EU-Ebene mit der rechtspopulistischen ungarischen Regierung, hatte Frieden ebenfalls seine Aussagen relativieren müssen. Das Magazin hatte seine Aussagen als sehr Budapest-freundlich interpretiert und daher betitelt: „Luxemburgs neuer Premier will der Orbán-Flüsterer der EU sein“.
„Ich bin falsch zitiert worden“, hatte sich Luc Frieden Wochen danach verteidigt. Richtiger wäre wohl gewesen, dass er falsch verstanden wurde – die Zitate waren nämlich, ähnlich wie bei den Aussagen des Premiers zur Kernenergie, im Wortlaut übernommen worden.
„Es ist schon erstaunlich, wie ein Politiker, der stets so großen Wert auf seine internationale Managementerfahrung legt, auf der internationalen Bühne bereits in so viele Fettnäpfchen getreten ist“, kommentiert Sam Tanson, Abgeordnete für Déi Gréng. „Hier sieht man, dass auch Luc Frieden nur mit Wasser kocht.“