Dänemark und Schweden erhöhen Verteidigungsbereitschaft
Während die einen über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutieren, schaffen andere Fakten
Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ist als Frau klarer Ansagen bekannt. Und die Sozialdemokratin blieb ihrer Linie treu, als sie neue dänische Militärdoktrin präsentierte. „Es geht heute nicht mehr um Wohlfahrt, es geht um unsere Sicherheit“, begründete sie in der vergangenen Woche das Paket an neuen Aufrüstungsmaßnahmen. Gleichzeitig bereitete sie ihre Landsleute darauf vor, dass es mehr Sicherheit nicht zum Nulltarif geben werde. „Wir wären nicht ehrlich, wenn wir nicht sagen würden, dass der Preis irgendwann kommen könnte. Dann müssen wir eben andere Dinge anders bewerten“, erklärte sie. Wo genau gespart werden könnte, wollte sie noch nicht sagen.
Eines ist aber sicher: In ganz Nordeuropa wird vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und der daraus resultierenden neuen geopolitischen Lage deutlich aufgerüstet. In Dänemark will die Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten, Konservativen und Liberalen die Militärausgaben in den kommenden fünf Jahren um 40,5 Milliarden Kronen (5,4 Milliarden Euro) erhöhen.
Im vergangenen Jahr gab das Land rund 155 Milliarden Kronen für das Militär aus und erreichte damit das von der NATO geforderte Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im laufenden Jahr will Dänemark diesen Anteil sogar auf 2,4 Prozent erhöhen. Allerdings rechnet das Land seine militärische Unterstützung der Ukraine über einen dafür extra eingerichteten Fonds mit ein.
Mehr Einberufungsbescheide
Neben der Aufstockung des Wehretats plant Dänemark auch eine deutlich verlängerte Wehrpflicht von elf Monaten. Bislang betrug der Wehrdienst nur vier Monate. Neu ist auch, dass die Wehrpflicht ab 2026 ebenfalls für Frauen gelten soll.
Zwar dienen auch schon jetzt Frauen im dänischen Militär, doch das geschieht auf freiwilliger Basis.
Auch Schweden, das erst vor einer guten Woche offiziell als 32. Mitglied der NATO aufgenommen wurde, hat wie Nachbar Dänemark eine Aufstockung des Wehretats vorgenommen. Im vergangenen Herbst wurde der Verteidigungshaushalt um 27 Milliarden Kronen (2,4 Milliarden Euro) auf 119 Milliarden erhöht. Damit erreicht auch Schweden das Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Und wenn es nach Verteidigungsminister Pål Jonson geht, sollte Schweden 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anstreben.
Das Land, das mehr als 200 Jahre lang bündnisfrei und nicht in Kriege verwickelt war, hatte in den vergangenen Jahr
Es geht heute nicht mehr um Wohlfahrt, es geht um unsere Sicherheit. Mette Frederiksen, dänische Ministerpräsidentin
zehnten kontinuierlich seine Militärausgaben zurückgefahren. Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine hat Schweden in atemberaubender Geschwindigkeit nicht nur seine Bündnisfreiheit aufgegeben, sondern investiert jetzt auch massiv in den Ausbau seiner Verteidigung. Seit 2020 sind die Ausgaben für das Militär verdoppelt worden.
Neue Mehrkampfflugzeuge vom Typ Saab Gripen 39 wurden bestellt, die UBoot-Flotte wird bis 2027 erweitert. Gerade die Kontrolle der Ostsee gehört zu einer der wichtigsten Aufgaben für das neue NATO-Mitglied. Der Ausbau eines Stützpunktes auf der strategisch äußerst wichtigen Ostseeinsel Gotland wird derzeit intensiv mit anderen
NATO-Partnern diskutiert. Von der größten Ostseeinsel aus lassen sich die baltischen NATO-Länder Estland, Lettland und Litauen leichter verteidigen.
Auch sollen mehr Einberufungsbescheide verschickt werden. So sollen bereits in diesem Jahr 8.000 Wehrpflichtige eingezogen werden. Bisher waren es pro Jahrgang nur 5.000. Schweden hatte die Wehrpflicht 2017 wieder eingeführt. Es werden alle Schulabgänger gemustert, allerdings erhalten nur rund 5.000 von ihnen eine Einberufung. Der Vorteil dieses Systems: Das Militär hat für den Ernstfall einen guten Überblick über die Fähigkeit der Wehrpflichtigen.
Finnland errichtet massiven Grenzzaun
Finnland, das bereits seit vergangenem Jahr NATO-Mitglied ist, hat wegen seiner 1.340 Kilometer langen Grenze zu Russland seine Militärausgaben nie so stark gekürzt wie viele andere Länder. Doch seit dem Krieg in der Ukraine und zunehmenden Provokationen Russlands erhöhte die finnische Regierung den Verteidigungshaushalt noch einmal um 400 Millionen Euro auf 6,5 Milliarden Euro. Damit gibt das Land 2,3 Prozent des BIP für sein Militär aus. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine hat das Land nicht nur seine Luftwaffe mit modernen F-35-Kampfflugzeugen ausgerüstet, sondern auch Luftabwehrsysteme aus Schweden und den USA bestellt.
Nachdem von Russland aus im vergangenen Herbst immer wieder Flüchtlinge aus Irak, Jemen Somalia und Sudan ohne gültige Papiere an die Grenze zu Finnland gebracht wurden, schloss das Land seine Grenzübergänge. Die Schließung gilt noch bis zum kommenden Monat. Gleichzeitig begann Finnland mit dem Bau eines Grenzzauns. Ein drei Kilometer langes Stück ist bereits fertiggestellt und steht an einem neuralgischen Bereich in der Nähe des Grenzübergangs von Imatra im Südosten des Landes. Insgesamt will Finnland rund 200 Kilometer Grenze auf diese Weise sichern. Bis Ende 2026 soll das komplette Bollwerk stehen. „Wir sind auf alle Eventualitäten gut vorbereitet“, sagt ein finnischer Offizier, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will.
Im hohen Norden Europas haben Streitkräfte aus 13 Ländern, darunter alle nordeuropäischen Staaten, in diesem Monat den Ernstfall geprobt. Bei dem „Nordic Response“-Manöver der NATO nahmen insgesamt 20.000 Soldaten und Soldatinnen am Boden, auf dem Wasser und in der Luft teil und simulierten einen feindlichen Angriff aus dem Osten. Es war das größte bisher abgehaltene Manöver im äußersten Norden Europas und zeigte deutlich, wie sehr sich die nordeuropäischen Länder auf die neue geopolitische Lage eingestellt haben: Mit deutlich mehr militärischer Präsenz.