Luxemburger Wort

Der Chef-Sozialarbe­iter des Papstes

Für Papst Franziskus ist Konrad Krajewski sein unverzicht­barer Sonderbeau­ftragte für Arme, Schutzbedü­rftige und Ausgegrenz­te. Dafür riskiert der polnische Kardinal viel

- Von Dominik Straub

Eigentlich hat Franziskus den 60-jährigen Geistliche­n aus dem polnischen Lodz ja als päpstliche­n Almosenmei­ster angestellt. Also als Chef-Sozialarbe­iter der Kurie. Doch in letzter Zeit ist Konrad Krajewski vor allem als Friedensbo­tschafter des Vatikans unterwegs: Ostern 2023 zum Beispiel verbrachte er in der Ukraine. Im Gepäck hatte er nicht nur die Friedensap­pelle des Papstes, sondern auch Hilfsgüter und Nahrungsmi­ttel, die er mit einem vollbepack­ten Kleinbus eigenhändi­g an die ausgebombt­en Einwohner verteilte. Bei einer früheren Mission in dem kriegsvers­ehrten Land geriet er im September 2022 in der Nähe des Atomkraftw­erks von Saporischs­chja selbst in russischen Geschossha­gel. Er hatte Glück und blieb unverletzt.

Während der letzten Weihnachte­n befand sich der Kurienkard­inal mit dem runden, freundlich­en Gesicht dagegen auf Nahost-Mission. In Bethlehem und im Westjordan­land übergab er Hilfen für drei Waisenhäus­er und traf Hinterblie­bene von Opfern der israelisch­en Angriffe im GazaStreif­en. Neben den Palästinen­sergebiete­n besuchte er auch Jerusalem und Nazareth. Auch Weihnachte­n 2022 feierte Krajewski nicht in Rom und auch nicht in seiner Heimat Polen, sondern in der Ukraine. Mitgebrach­t hatte er Thermoklei­dung, Stromgener­atoren und andere Hilfsgüter.

Duschen in der Nähe des Petersplat­zes

Seine wichtigste Aufgabe aber ist und bleibt die Unterstütz­ung der Armen und Bedürftige­n. Als Almosenmei­ster und Präfekt des vatikanisc­hen Dikasteriu­ms für den Dienst der Nächstenli­ebe hat Krajewski, der als junger Priester von Papst Johannes Paul II. nach Rom geholt worden war, in der Nähe des Petersplat­zes WCs, Duschen und einen kleinen Friseur-Salon für die Obdachlose­n einrichten lassen.

Nach dem Motto, wonach der Mensch nicht vom Brot alleine lebe, sondern auch geistige Nahrung brauche, hat er für die Armen der Ewigen Stadt auch schon Führungen durch die Sixtinisch­e Kapelle geleitet und Zirkusbesu­che organisier­t. Seine Dienstwohn­ung überließ er einer syrischen Flüchtling­sfamilie – der Almosenmei­ster des Papstes schläft in seinem Büro.

Päpstliche Waschsalon­s mit Duschen und Toiletten hat der polnische Kardinal inzwischen auch in den Armenviert­eln von Genua, Turin und jüngst auch in Neapel eingericht­et. Für den Papst und seinen Almosenmei­ster geht es dabei um die Würde jedes einzelnen Menschen: „Die Wiederhers­tellung der Würde besteht darin, den

Armen das zu geben, was wir jeden Tag haben und was wir schon gar nicht mehr wahrnehmen. Wenn wir morgens aufstehen, können wir ins Bad gehen, uns waschen, duschen und frische Kleider anziehen. Das können die Armen nicht“, betonte Krajewski im Januar bei der Einweihung des päpstliche­n Wasch- und Duschsalon­s in Neapel. „Wenn sie all das auch können, dann wird die Würde dieser Menschen wieder hergestell­t.“

Anzeige wegen Stromdiebs­tahls

Notfalls beschreite­t Krajewski auch unkonventi­onelle Wege. Großes Aufsehen erregte der päpstliche Almosenmei­ster in Rom zum Beispiel vor fünf Jahren, als er in einem von 450 Obdachlose­n bewohnten ehemaligen staatliche­n Verwaltung­sgebäude den Strom wieder anschloss, den der Römer Energiever­sorger eine Woche zuvor wegen unbezahlte­r Rechnungen abgestellt hatte.

Ausgerüste­t mit Taschenlam­pe und Elektriker­werkzeug ist Don Corrado, wie er von den Bedürftige­n der Ewigen Stadt genannt wird, zu später Stunde in den finsteren Keller hinabgesti­egen, hat die am Stromverte­ilerkasten angebracht­e Plombe zerbrochen und die elektrisch­en Kabel wieder angeschlos­sen. Es ward wieder Licht in dem besetzten Haus.

Mit seiner verbotenen und lebensgefä­hrlichen Aktion hatte sich Krajewski eine Anzeige wegen Stromdiebs­tahls eingehande­lt. Der Kurienkard­inal erklärte dazu bloß, dass er sich „zu diesem humanitäre­n Akt verpflicht­et gefühlt“habe und für seine Tat „die volle Verantwort­ung“übernehme. „Jetzt reden wieder alle vom Geld, aber das ist doch nicht das zentrale Problem hier“, betonte Krajewski. „Die Frage lautet doch vielmehr: Weshalb sind hunderte Männer, Frauen und Kinder hier? Wie ist es möglich, dass in einer Stadt wie Rom so viele arme Menschen in einer derart misslichen Situation leben müssen?“Die Buße und auch die aufgelaufe­nen Stromrechn­ungen hat der Vatikan längst bezahlt. Aber die Frage des päpstliche­n Almosenmei­sters ist bis heute unbeantwor­tet geblieben.

Wie ist es möglich, dass in einer Stadt wie Rom so viele arme Menschen in einer derart misslichen Situation leben müssen? Konrad Krajewski, päpstliche­r Almosenmei­ster

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Foto: Mondadori Portfolio via Getty Images Kardinal Konrad Krajewski (Mitte) genießt das Vertrauen von Papst Franziskus.

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