Wie ein Republikaner die eigene Partei umgehen muss
Nach Blockaden neuer US-Hilfen für die Ukraine zeichnet sich Bewegung ab. Speaker Mike Johnson müsste dafür den rechten Flügel der Fraktion ignorieren
Zuletzt redete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich dem Speaker der Republikaner ins Gewissen. Das war kurz vor Ostern, als er ihm am Telefon schilderte, wie prekär die militärische Lage des von Russland überfallenen Landes sei. Neue Waffen und Munition würden dringend gebraucht, damit sich die junge Demokratie in diesem Frühjahr verteidigen könne.
Ob es die eindringlichen Worte Selenskyjs waren, die ständigen Ermahnungen der NATO-Verbündeten oder die Aussicht, von einer Koalition aus moderaten Republikanern und Demokraten über einen sogenannten „Entlastungsantrag“(engl. „discharge petition“) im Repräsentantenhaus ausgebootet zu werden, die Signale einer bevorstehenden Kehrtwende Johnsons mehren sich.
Erfahrene Kongressbeobachter sagen, es sei nicht mehr die Frage, ob Johnson die Hilfe für die Ukraine zur Abstimmung stellt, sondern wann und wie. Der US-Senat hat bereits mit überparteilicher Mehrheit ein Gesetzespaket beschlossen, das 95 Milliarden US-Dollar an Hilfen für die Ukraine und Israel vorsieht. Falls Johnson den Text so zur Abstimmung stellte, gilt eine Mehrheit als sicher.
In einem Interview mit FOX gab der Speaker aus Louisiana zu erkennen, dass er versuchen wird, dem Weißen Haus und den Demokraten Zugeständnisse abzuringen. „Wenn wir zur Arbeit zurückkehren, werden wir ein Produkt voranbringen, das über ein paar innovative Elemente verfügt“, erklärte Johnson. Es sei noch nichts final beschlossen, aber er arbeite daran „unter den Republikanern einen Konsens zu bilden.“
Eingefrorene russische Staatsvermögen für die Ukraine
Der Speaker deutete an, dass der Kongress den Weg freimachen könnte für den Zugriff auf eingefrorene russische Staatsvermögen. „Wenn wir der Ukraine erlauben, diese beschlagnahmten Vermögen russischer Oligarchen zu nutzen, wäre das die reine Poesie“, zeigte sich Johnson angetan von der Idee, die Verteidigung der Ukraine mit russischem Geld zu bezahlen.
Experten weisen darauf hin, dass die USA selbst nur Zugriff auf rund fünf Milliarden Dollar aus
Russland hätten. Der Löwenanteil der 300 Milliarden Dollar an Auslandsvermögen im Westen hat Moskau in anderen Staaten deponiert. Das Weiße Haus hat Bedenken über die Konsequenzen eines solchen Vorgehens geäußert, scheint aber bereit, die Kröte zu schlucken.
Eine weitere Bedingung der Republikaner könnte die Bereitstellung der Militärhilfe in Form eines günstigen Kredits an die Ukraine sein. „Sogar (der frühere, die Red.) Präsident Trump hat darüber gesprochen“, versuchte Johnson dem rechten Flügel seiner Fraktion die Idee schmackhaft zu machen.
Schließlich will der Speaker das Weiße Haus dazu zwingen, mehr Flüssiggas-Terminals zu genehmigen. „Wir wollen die Kraft amerikanischer Energie entfesseln“, sagt Johnson, der größere Gasexporte als Beitrag sieht, „Wladimir Putins Kriegsmaschine die Mittel zu entziehen“. Dass sich der Politiker aus Louisiana damit daheim bei seinen Wählern beliebt machte, erwähnt Johnson nicht. Der Südstaat Louisiana würde von der Genehmigung weiterer Flüssiggas-Infrastruktur unmittelbar profitieren.
Unklar bleibt, ob all das reicht, den rechten Flügel seiner Fraktion zum Einlenken zu bewegen. Oder mindestens ein Stillhalten zu erkaufen. Johnsons Mehrheit im Repräsentantenhaus ist nach dem Ausscheiden weiterer Republikaner auf ganze zwei Stimmen zusammengeschrumpft. Gleichzeitig droht die Trump-Verbündete Marjorie Taylor Greene, von ihrem Recht als Abgeordnete Gebrauch zu machen, eine Vertrauensabstimmung über den Speaker zu verlangen.
Mit diesem Verfahren war Vorgang Kevin McCarthy vor einem halben Jahr des Amtes enthoben worden. Johnsons Überleben liegt damit mindestens so sehr in den Händen der Demokraten wie seiner eigenen Partei. Was erklären könnte, warum er sich bei der Hilfe für die Ukraine und Israel auf die Minderheit im Repräsentantenhaus zubewegt.
Der ukrainische Präsident Selenskyj wertete die Bewegung als Anlass zur Hoffnung. Es gebe sicherlich verschiedene Ansichten im Kongress, wie es weitergehen soll, zitiert ihn die „New York Times“. Wichtig sei, „dass die Hilfe für die Ukraine am Ende beide Seiten zusammenbringt.“