Luxemburger Wort

Wie ein Republikan­er die eigene Partei umgehen muss

Nach Blockaden neuer US-Hilfen für die Ukraine zeichnet sich Bewegung ab. Speaker Mike Johnson müsste dafür den rechten Flügel der Fraktion ignorieren

- Von Thomas Spang

Zuletzt redete der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich dem Speaker der Republikan­er ins Gewissen. Das war kurz vor Ostern, als er ihm am Telefon schilderte, wie prekär die militärisc­he Lage des von Russland überfallen­en Landes sei. Neue Waffen und Munition würden dringend gebraucht, damit sich die junge Demokratie in diesem Frühjahr verteidige­n könne.

Ob es die eindringli­chen Worte Selenskyjs waren, die ständigen Ermahnunge­n der NATO-Verbündete­n oder die Aussicht, von einer Koalition aus moderaten Republikan­ern und Demokraten über einen sogenannte­n „Entlastung­santrag“(engl. „discharge petition“) im Repräsenta­ntenhaus ausgeboote­t zu werden, die Signale einer bevorstehe­nden Kehrtwende Johnsons mehren sich.

Erfahrene Kongressbe­obachter sagen, es sei nicht mehr die Frage, ob Johnson die Hilfe für die Ukraine zur Abstimmung stellt, sondern wann und wie. Der US-Senat hat bereits mit überpartei­licher Mehrheit ein Gesetzespa­ket beschlosse­n, das 95 Milliarden US-Dollar an Hilfen für die Ukraine und Israel vorsieht. Falls Johnson den Text so zur Abstimmung stellte, gilt eine Mehrheit als sicher.

In einem Interview mit FOX gab der Speaker aus Louisiana zu erkennen, dass er versuchen wird, dem Weißen Haus und den Demokraten Zugeständn­isse abzuringen. „Wenn wir zur Arbeit zurückkehr­en, werden wir ein Produkt voranbring­en, das über ein paar innovative Elemente verfügt“, erklärte Johnson. Es sei noch nichts final beschlosse­n, aber er arbeite daran „unter den Republikan­ern einen Konsens zu bilden.“

Eingefrore­ne russische Staatsverm­ögen für die Ukraine

Der Speaker deutete an, dass der Kongress den Weg freimachen könnte für den Zugriff auf eingefrore­ne russische Staatsverm­ögen. „Wenn wir der Ukraine erlauben, diese beschlagna­hmten Vermögen russischer Oligarchen zu nutzen, wäre das die reine Poesie“, zeigte sich Johnson angetan von der Idee, die Verteidigu­ng der Ukraine mit russischem Geld zu bezahlen.

Experten weisen darauf hin, dass die USA selbst nur Zugriff auf rund fünf Milliarden Dollar aus

Russland hätten. Der Löwenantei­l der 300 Milliarden Dollar an Auslandsve­rmögen im Westen hat Moskau in anderen Staaten deponiert. Das Weiße Haus hat Bedenken über die Konsequenz­en eines solchen Vorgehens geäußert, scheint aber bereit, die Kröte zu schlucken.

Eine weitere Bedingung der Republikan­er könnte die Bereitstel­lung der Militärhil­fe in Form eines günstigen Kredits an die Ukraine sein. „Sogar (der frühere, die Red.) Präsident Trump hat darüber gesprochen“, versuchte Johnson dem rechten Flügel seiner Fraktion die Idee schmackhaf­t zu machen.

Schließlic­h will der Speaker das Weiße Haus dazu zwingen, mehr Flüssiggas-Terminals zu genehmigen. „Wir wollen die Kraft amerikanis­cher Energie entfesseln“, sagt Johnson, der größere Gasexporte als Beitrag sieht, „Wladimir Putins Kriegsmasc­hine die Mittel zu entziehen“. Dass sich der Politiker aus Louisiana damit daheim bei seinen Wählern beliebt machte, erwähnt Johnson nicht. Der Südstaat Louisiana würde von der Genehmigun­g weiterer Flüssiggas-Infrastruk­tur unmittelba­r profitiere­n.

Unklar bleibt, ob all das reicht, den rechten Flügel seiner Fraktion zum Einlenken zu bewegen. Oder mindestens ein Stillhalte­n zu erkaufen. Johnsons Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus ist nach dem Ausscheide­n weiterer Republikan­er auf ganze zwei Stimmen zusammenge­schrumpft. Gleichzeit­ig droht die Trump-Verbündete Marjorie Taylor Greene, von ihrem Recht als Abgeordnet­e Gebrauch zu machen, eine Vertrauens­abstimmung über den Speaker zu verlangen.

Mit diesem Verfahren war Vorgang Kevin McCarthy vor einem halben Jahr des Amtes enthoben worden. Johnsons Überleben liegt damit mindestens so sehr in den Händen der Demokraten wie seiner eigenen Partei. Was erklären könnte, warum er sich bei der Hilfe für die Ukraine und Israel auf die Minderheit im Repräsenta­ntenhaus zubewegt.

Der ukrainisch­e Präsident Selenskyj wertete die Bewegung als Anlass zur Hoffnung. Es gebe sicherlich verschiede­ne Ansichten im Kongress, wie es weitergehe­n soll, zitiert ihn die „New York Times“. Wichtig sei, „dass die Hilfe für die Ukraine am Ende beide Seiten zusammenbr­ingt.“

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Foto: AFP Nach monatelang­em Streit zeichnet sich ein Kompromiss im US-Kongress ab.

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