Große Differenzen bei der Sicht auf die Haushaltspolitik
Die Handwerkskammer begrüßt den Kurs der Regierung, die Arbeitnehmerkammer hat ganz andere Begehrlichkeiten.
Lob von der Handwerkskammer: „Ein Übergangshaushalt, der die Handschrift der neuen Regierung trägt“, ist das Gutachten zum Haushalt 2024 überschrieben. Es ist ganz auf der Linie mit der Regierung, den Schwerpunkten, die sie setzt und wo sie den Rotstift ansetzen will. Die Gewerkschaften sehen die Regierungspolitik dagegen kritisch, vor allem beim Wohnungsbau. Von Sparen und den Haushalt konsolidieren wollen sie nichts wissen. Die wichtigsten Punkte ihrer Haushaltsgutachten im Überblick.
Maßnahmen zur Stärkung des Wohnungsbaus: Die Investorenunterstützung spaltet
Die Handwerkskammer begrüßt die Maßnahmen der Regierung zur Stärkung des Bausektors und zum Erhalt der Arbeitsplätze. Das reiche aber nicht, es müssten zusätzlich Anreize für Investoren geschaffen werden, wie die Registrierungsgebühren für den Anteil der bereits durchgeführten Bauarbeiten vorübergehend abzuschaffen und Investitionen im Zusammenhang mit dem Kauf privater bestehender Bauprojekte zu fördern.
Die Chambre des Salariés (CSL) bewertet das „Wohnungsbaupaket“eher negativ. Das Aufkaufprogramm sowie die Erhöhung der Beihilfen und Subventionen für selbstnutzende Eigentümer, darunter insbesondere Erstkäufer, werden begrüßt. Die Einführung oder Erhöhung von Steuervergünstigungen für Investoren und Vermieter werden dagegen strikt abgelehnt. Diese Maßnahmen seien nie einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen worden, die Ungleichheit der Vermögensverhältnisse und die Konzentration des Immobilienvermögens in den Händen einer stark privilegierten sozialen Schicht würden so verschärft. Es gebe zahlreiche strukturelle Hindernisse, die das potenzielle Wachstum des Wohnimmobilienbestands künstlich begrenzen, wie den sehr teuren Zugang zu Bauland. Diese müssten bekämpft werden mit einer progressiven Grundsteuererhöhung und Steuern zur Mobilisierung von Grundstücken und auf die Nichtnutzung von Wohnraum.
Zudem müssten die Mietobergrenzen mit einer Mietgesetzreform an die Entwicklung der Kaufkraft der Mieter angepasst werden.
Schuldenabbau: Haushalt konsolidieren gegen Unbesorgtheit um „komfortable Finanzlage“
Dass die Verschuldung bei unveränderter Politik von 22 Prozent im Jahr 2019 auf 27 Prozent im Jahr 2027 steigt und die öffentlichen Finanzen mittelfristig weiterhin ein Defizit aufweisen, sieht die Handwerkskammer kritisch. Sie fordert, dass die Bemühungen um ein Haushaltsgleichgewicht in Zukunft intensiviert werden, ohne die öffentlichen Investitionen zu gefährden.
Denn bei unveränderter Politik verringere sich der Handlungsspielraum zur Lösung der strukturellen Herausforderungen des Landes, wie der Wohnungsmangel, der Kampf gegen den Klimawandel und die Alterung der Bevölkerung. Dass die neue Regierung sich längerfristig mit dem Thema der Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen, einschließlich der sozialen Sicherheit, auseinandersetzen will, wird begrüßt.
Für die CSL bleibt die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen dagegen weiterhin gewährleistet. Das Defizit des Zentralstaats werde teilweise durch einen Überschuss der Sozialversicherung ausgeglichen, der laufende Staatshaushalt bleibe mit einem Überschuss von einem Prozent des BIP deutlich im Plus und das Defizit des Zentralstaats sei auf ein hohes Investitionsniveau zurückzuführen.
: In Zeiten hoher Inflation muss das Investitionsniveau angemessen erhöht werden, damit der Staat weiterhin im gleichen Umfang wie bisher investieren kann. Handwerkskammer
Die Finanzlage sei mehr als komfortabel. Deswegen sei es absolut unverständlich, dass Luxemburg plant, sich selber ein mittelfristiges Haushaltsziel aufzuerlegen, zumal dieses Instrument auf europäischer Ebene gescheitert ist. Der aktuelle Haushaltsentwurf scheine den Boden dafür zu bereiten. Sich selber Haushaltszwänge aufzuerlegen, bezeichnet die CSL als „bedauerlich und methodisch schwierig umzusetzen“.
Soll gespart oder mehr besteuert werden und wenn ja, wo?
Der Handwerkskammer sind die hohen Betriebskosten des Staates ein Dorn im Auge. Sie seien 2019-2023 schneller gestiegen als im historischen Durchschnitt und bis 2027 werden die Gehälter voraussichtlich mit sechs Prozent am schnellsten steigen. Um die öffentlichen Ausgaben zu senken, sollen vor allem die Funktionsweise des Staates optimiert und die soziale Selektivität von Sozialtransfers verallgemeinert werden.
Konkret heißt das: Das Vergütungssystem im öffentlichen Dienst sollte mit der Leistung der Mitarbeiter verknüpft werden, um die leistungsstärksten Mitarbeiter zu motivieren. Die Steigerung des „Volumen“-Effekts sollte durch eine Steigerung der Effizienz des Staates, beispielsweise durch Digitalisierung und Vereinfachung von Verwaltungsabläufen, begrenzt werden.
Die Gewerkschaftsseite bedauert, dass einzig eine Steuer auf tabakähnliche Produkte erhoben wird, um die Einnahmenseite zu verbessern. Es bestehe ein großer Bedarf an Investitionen und sozialen Korrekturen der europäischen Polykrise, sodass dringend neue
Steuerquellen mobilisiert werden müssten – wie auf Erbschaften, auf Kapitaleinkünfte oder hohe Einkommen.
Da die Körperschaftssteuer in den vergangenen 30 Jahren bereits um die Hälfte abgesenkt wurde und so immer weniger zum Staatshaushalt beiträgt, lehnt die CSL die für 2025 geplante weitere Senkung ab. Sie hätte auch begrüßt, wenn die im Koalitionsprogramm vorgesehene Anpassung der Steuerklasse 1a für Alleinerziehende 2024 durchgezogen worden wäre.
Sozialversicherung: Die Sorgen um die Renten werden nicht geteilt
„Die Zeiten, in denen der Überschuss der Sozialversicherung zum Ausgleich des von der Zentralverwaltung verzeichneten Defizits verwendet wurde, laufen aus, es werden nach 2027 Defizite erwartet“, schreibt die Handwerkskammer. Die Analyse der Tragfähigkeit des allgemeinen Rentensystems zeige, dass unter anderem eine zusätzliche Einnahmensteigerung von mindestens 2,1 Prozent pro Jahr erforderlich wäre, um das Gleichgewicht des Rentensystems bis 2070 zu garantieren.
Eine Strukturreform des allgemeinen Rentensystems sei notwendig. Während die Handwerker begrüßen, dass die Regierung die nachhaltige Absicherung angehen will, schweigen sich die Gewerkschaften hier aus. Sie beklagen, dass der jährliche Beitrag des Staates zur CNS immer noch bei 20 Millionen Euro liegt. Unverändert, seitdem die Mutterschaftsausgaben vor mehr als zehn Jahren vom Staatsbudget in die CNS integriert wurden.
Generell könnten angesichts der Solidität der öffentlichen Finanzen die Ausgaben für Sozialleistungen gemessen am BIP höher sein. Sie lägen deutlich unter dem europäischen Durchschnitt und denen der Nachbarländer.
Hohe Investitionen wollen alle, aber wohin soll das Geld gehen?
Die Handwerkskammer befürwortet die ambitionierte Investitionspolitik der Regierung in Krisenzeiten: Über den gesamten Zeitraum 2023–2027 liegen die Ausgaben dafür bei 4,2 bis 4,6 Prozent und liegen damit weiterhin über dem historischen Durchschnitt von 3,9 Prozent. Ein Teil dieses kometenhaften Investitionswachstums sei aber allein auf die Preisentwicklung zurückzuführen. „In Zeiten hoher Inflation muss daher das Investitionsniveau angemessen erhöht werden, damit der Staat weiterhin im gleichen Umfang wie bisher investieren kann“, wird gefordert. Europa dürfe auch seine Verteidigungsinvestitionen nicht vernachlässigen.
Gerade die Ausgaben für den Fonds für militärische Ausrüstung weisen einen rasanten Anstieg auf und gingen Richtung zwei Prozent-Ziel, meint die Arbeitnehmerkammer. Sie wünscht sich, dass auch die Ausgaben für die Entwicklungshilfe auf zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens ansteigen, um sie mit dem Ziel der Militärausgaben in Einklang zu bringen.
Großen Wert legt sie auf die ökologische Wende: „Grüne Investitionen müssen auf einem hohen Niveau gehalten werden“, heißt es im Gutachten. Während der für 2024 angekündigte Anstieg der Investitionen in diesem Bereich begrüßt wird, wird die mittelfristige Stagnation oder sogar Senkung der damit verbundenen Ausgaben abgelehnt. „Angesichts der großen Herausforderungen, die insbesondere bei der Dekarbonisierung des Verkehrssektors und der Wohngebäude bestehen, ist ein solcher Rückgang sehr enttäuschend und inakzeptabel.“
Die Arbeitnehmervertreter wünschen sich, dass der Haushaltsentwurf jährlich eine Tabelle mit der genauen Zusammensetzung der Kosten für die Umsetzung des Nationalen Energie- und Klimaplans sowie eine umfassende Aufstellung der verschiedenen Ausgabenposten enthält.
Aus dem Sonderfonds Klima und Energie sollen nur Maßnahmen finanziert werden, die einen dauerhaften und senkenden Effekt auf die Treibhausgasemissionen Luxemburgs haben. Statistische Transfers zwischen EU-Mitgliedstaaten sollen so weit wie möglich eingeschränkt werden. Auch sollte eine Vorfinanzierung der Klimabonus Wunnen-Beihilfen eingeführt werden.
Gefordert wird zudem eine ehrgeizige Reform des Klimadarlehenssystems, einschließlich der Einführung einer wesentlich höheren Zinssubvention für weniger wohlhabende Haushalte. Und angesichts des erwarteten Anstiegs der Gasrechnung um 17 und der Stromrechnungen um 60 Prozent, wenn die Deckelung Ende des Jahres wegfallen sollte, seien Übergangsmaßnahmen zur Abfederung zwingend erforderlich.
: Die Ungleichheit der Vermögensverhältnisse und die Konzentration des Immobilienvermögens in den Händen einer stark privilegierten sozialen Schicht werden verschärft. Arbeitnehmerkammer