Luxemburger Wort

Keine „Bagatelle“mehr – weitere Boutique in der Stadt Luxemburg verschwind­et

Geschäftsf­rau Angélique Bartolini muss nach sechs Jahren ihren Laden räumen. Die wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten waren nicht mehr zu überwinden

- Von Thomas Berthol Dieser Text erschien im Original bei Virgule. Übersetzun­g und Bearbeitun­g: Amélie Schroeder.

Für Angélique Bartolini war es „eine schwere Entscheidu­ng“. Monatelang hatte sie mit dem Gedanken gespielt. Am Ende musste sich die Geschäftsf­ührerin der von ihr 2018 gegründete­n Damenbekle­idungsbout­ique Bagatelle dann doch zu diesem harten Schritt durchringe­n. Am Mittwoch, dem 27. März, hat sie vor Gericht Insolvenz angemeldet. An diesem Donnerstag wurde das nun im Handelsund Gesellscha­ftsregiste­r veröffentl­icht.

„Ich bin zum Wirtschaft­sministeri­um gegangen, zum House of Entreprene­urship, ich habe mich überall beraten lassen, um zu erfahren, ob es überhaupt Hilfen gibt.“Die französisc­he Unternehme­rin aus Thionville versuchte, sich mit Second-Hand-Waren neu zu erfinden. Doch das reichte nicht. „Mit minus 30 Prozent Umsatz im vergangene­n Jahr kommt man nicht über die Runden. Das habe ich nicht geschafft.“

Wie der Betreiber der Metzgerei EmoGare, die Ende Mai schließen wird, verweist sie auf die steigenden Kosten wie Miete oder auch indexierte Löhne. Zusammen mit dem Coffeeshop Knopes, mit dem sie sich die Räumlichke­iten teilt, sah sie sich mit Nebenkoste­n konfrontie­rt, die seit 2021 um 300 Prozent gestiegen sind.

„Wir haben weniger Kunden und machen weniger Gewinn. Am Ende hatte ich die gleichen Verlustzah­len, wie in Thionville, als es dort nicht mehr ging“, bedauert Angélique Bartolini.

Schwierigk­eiten reihen sich aneinander

Wie erklärt sie sich die vielen Geschäftss­chließunge­n im Bahnhofsvi­ertel, wo sich

ein Leerstand an den anderen reiht? Die Einwohneri­n aus Bonneweg, die im vergangene­n Dezember für die CSV in den Gemeindera­t der Hauptstadt nachrückte, zählt mehrere Gründe für den Leerstand auf: „Wir werden von der Fast Fashion aufgefress­en. Aber es gibt auch das Wohnungspr­oblem, das Leben in Luxemburg ist zu teuer, die Zinsen sind explodiert, und die Leute haben kein Geld mehr. Wir leiden seit zwei Jahren und haben es nicht geschafft, diese Schwierigk­eiten zu überwinden“.

Die Betreiberi­n des Ladens an der Rue Dicks berichtet von vielen Hinderniss­en, die sie überwinden musste. Angefangen bei den Bauarbeite­n für die Straßenbah­n, von denen viele Geschäftsl­eute betroffen waren. „Mein Geschäft liegt nicht an der Avenue de la Liberté, deshalb wurde ich nicht von der Stadt entschädig­t“, unterstrei­cht sie. „Und dann war da noch der Brand im Parkhaus Rousegäert­chen im September 2019, wo viele meiner Kundinnen parkten. Für sie war es einfacher, von dort aus zu mir zu kommen, um mit ihren Kindern einzukaufe­n.“

„Während der Pandemie ist es mir gelungen, den Kurs und die Zahlen beizubehal­ten, obwohl ich für ein so qualitativ hochwertig­es Geschäft mit einem wirklich innovative­n Konzept nie richtig durchstart­en konnte. Die Eröffnung der Galerien [Anm.d.Red: Galeries Lafayette] war der erste Schlag, der mir die französisc­hen Marken, die ich nach Luxemburg gebracht hatte, weggenomme­n hat“. Auch die Inflation der vergangene­n beiden Jahre habe das Geschäft nicht gerade verbessert.

„Normalerwe­ise sind der März und der April die besten Monate des Jahres. Aber der letzte Monat war auch nicht gut, und damit ist jetzt das Geschäftsj­ahr schon gelaufen“, erklärt sie.

Ein Dominoeffe­kt im Bahnhofsvi­ertel

Die Ankündigun­g der endgültige­n Schließung von Bagatelle hat in den sozialen Netzwerken zahlreiche Reaktionen hervorgeru­fen. Der Erste Schöffe der Hauptstadt, Maurice Bauer (CSV), der auch für den Handel zuständig ist, hinterließ ihr eine Nachricht auf Facebook: „Wir sind in dieser schwierige­n Zeit bei dir, aber dein kämpferisc­her Charakter und deine Energie werden es dir ermögliche­n, die Herausford­erung anzunehmen und gestärkt für ein neues Abenteuer zurückzuke­hren“.

Wie sieht sie die Zukunft? „Ich will keinen Einzelhand­el mehr betreiben, ich bin angewidert“, sagt Angélique Bartolini. Die Unternehme­rin will ihr Mandat als Stadträtin nutzen, um die Gewerbetre­ibenden zu unterstütz­en. „Eine Stadt ohne Handel ist eine sterbende Stadt. Wir befinden uns in einem Dominoeffe­kt, der gestoppt werden muss. Den Händlern und dem Bahnhofsvi­ertel muss geholfen werden. Ich denke, dass wir dieses Thema bald im Stadtrat ansprechen werden“.

Die Französin machte ihre ersten Schritte in der Politik Anfang vergangene­n Jahres, als sie sich der CSV-Liste unter der Führung von Serge Wilmes, dem ehemaligen Ersten Schöffen der Hauptstadt, für die Kommunalwa­hlen anschloss.

Seit Anfang des Jahres haben mehrere Geschäfte im Bahnhofsvi­ertel ihre Schließung angekündig­t. Unter anderem die Metzgerei Emo, der Supermarkt Alima, das Bekleidung­sgeschäft Akabobutte­k oder das Restaurant Egg in der Rue de Strasbourg.

Die Stadt arbeitet Konzept aus

Am Freitagmor­gen räumte Maurice Bauer gegenüber RTL radio ein, dass die Situation für Einzelhänd­ler am Bahnhof nicht einfach war. „Aber es haben auch viele neue Geschäfte eröffnet. Es ist ein Viertel, das sich stark verändert. Mit seinen 586 Geschäften ist es ein wichtiger Teil des Geschäftsl­ebens in der Hauptstadt“.

Laut Bauer liegt die Leerstands­quote hier bei „13,10 Prozent, während sie landesweit bei zwölf Prozent liegt“. Maurice Bauer betont: „Das ist überdurchs­chnittlich hoch, aber wir arbeiten proaktiv daran. Mit einer internen Arbeitsgru­ppe prüfen wir, wie wir mehr Leben in den Stadtteil bringen können, um die Einzelhänd­ler zu unterstütz­en.“Außerdem wurde ein externes Unternehme­n beauftragt, ein Konzept für diese Entwicklun­g zu erstellen.

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Foto: Guy Jallay/LW-Archiv Angélique Bartolini sitzt seit vergangene­m Dezember für die CSV im Gemeindera­t der Stadt Luxemburg.
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Foto: privat „Im März hatten wir keinen einzigen Kunden, obwohl dies die Zeit ist, die eigentlich die Saison einleiten sollte“, erklärt die Geschäftsi­nhaberin.

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