In Gaza öffnet sich ein Zeitfenster für Verhandlungen
Mehr als sechs Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs ist es nun höchste Zeit, dem Sterben ein Ende zu setzen. Eine Verhandlungslösung zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas ist dringend notwendig, damit die Geiseln endlich nach Israel zurückkehren können, und das Leid der darbenden Bevölkerung in Gaza nicht noch größer wird. Ob der Abzug israelischer Truppen aus dem Süden des Gazastreifens jedoch tatsächlich eine Wende hin zu einem möglichen Waffenstillstand bedeutet, bleibt abzuwarten.
Eins ist aber klar: Die Kämpfe können so nicht weitergehen. Die humanitäre Situation ist katastrophal. Und noch immer befinden sich Geiseln in der Gewalt der Hamas, deren Schlächter diesen Krieg mit einem blutigen Massaker am 7. Oktober auslösten. Mehr als 33.000 Menschen im Gazastreifen wurden laut der Hamas seitdem getötet, die Mehrheit Frauen und Kinder. Und Hunderttausenden droht eine Hungersnot, da Lebensmittel- und Treibstoffvorräte zur Neige gehen. Der Überfall zwang Tel Aviv damals zu einer entschlossenen Reaktion. Inzwischen hat Premierminister Benjamin Netanjahu jedoch alle Grenzen des legitimen Rechts auf Selbstverteidigung überschritten.
Und in Israel dämmert es wohl auch, dass dieser Krieg nicht rein militärisch auf dem Schlachtfeld zu gewinnen ist. Der innen- und außenpolitische Druck auf Netanjahu ist in den vergangenen Wochen weiter gestiegen, insofern kann der Teilabzug der israelischen Armee auch als Reaktion darauf gewertet werden. Das Fass zum Überlaufen brachte aber wohl der Tod von sieben Mitarbeitern der Hilfsorganisation
World Central Kitchen (WCK). Der Vorfall hat weltweit eine Welle der Empörung ausgelöst und den einst treuen Verbündeten in Washington brüskiert. Und auch in der israelischen Bevölkerung wächst die Kritik an der Regierung: Zehntausende gehen gegen den Kurs von Netanjahu auf die Straße. „Bibi“droht sich innen- sowie außenpolitisch weiter zu isolieren.
Die gute Nachricht: Das dürfte jedoch den Druck erhöhen, die stockenden diplomatischen Verhandlungen zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Ein erster Schritt könnten ein Waffenstillstand und die Freilassung weiterer Geiseln sein. Und falls sich Israel und die Hamas dann weigern, mitzuspielen, sollte die internationale Gemeinschaft unter Führung der USA eine Resolution im UN-Sicherheitsrat aushandeln, wie sie bereits einmal 2006 den Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah beendete. Es wäre nur ein erster Schritt, aber immerhin. Langfristig bleibt eine Zweistaatenlösung aber die einzige realistische Möglichkeit für ein friedliches Zusammenleben im Nahen Osten.
Inzwischen hat Netanjahu alle Grenzen des legitimen Rechts auf Selbstverteidigung überschritten.