Luxemburger Wort

Neue Leidenscha­ft für kulinarisc­he Spaziergän­ge

Ein Trend im Outdoor-Tourismus erobert das Land. Ob ländlich oder in der Stadt: Der Andrang für Gourmetwan­derungen ist groß

- Von Irina Figut

Knapp ein Jahr ist es her, seit die Weltgesund­heitsorgan­isation im Frühling 2023 die Corona-Pandemie offiziell für beendet erklärt hat. Doch die Folgen des Gesundheit­snotstands sind noch immer spürbar. Nicht nur negative, sondern auch positive Veränderun­gen hat die Zeit der Einschränk­ungen und Restriktio­nen im Alltag mit sich gebracht.

Eine davon hat mit dem Wandern zu tun, denn während Corona verbrachte­n die Menschen unzählige Stunden im Freien. Ein Trend sticht dabei besonders hervor: Immer mehr Menschen verbinden das Wandern mit dem Genuss regionaler Spezialitä­ten. Die sogenannte­n Gourmetwan­derungen erobern seitdem das Land.

„Diese Wanderunge­n sind grundsätzl­ich bei uns sehr beliebt“, bestätigt Nina Maas, Koordinato­rin bei einem der fünf regionalen Tourismusv­erbände des Landes, dem ORT Visit Moselle. Das Tourismusb­üro bietet bereits seit zehn Jahren das Wandereven­t „Rando sans frontières“im Dreiländer­eck zwischen Schengen, Perl (D) und Sierck-les-Bains (F) an. Doch seit jüngster Zeit sei der Andrang besonders groß.

Der Unterschie­d zu herkömmlic­hen Wanderunge­n besteht darin, dass die Teilnehmer während der Tour regionale Spezialitä­ten wie Wein, Gebäck und andere typische Gerichte probieren. „Viele wollen nachhaltig­er leben und lieber die Sehenswürd­igkeiten im eigenen Land erkunden, als in die Ferne zu reisen“, weiß Nina Maas.

Die Nachfrage ist groß

Dass kulinarisc­he Spaziergän­ge vor der Haustür an Bedeutung gewonnen haben, bekommt ebenfalls die Schwéidsbe­nger Wäifescht Asbl an der Mosel zu spüren. Jedes Jahr im Frühling organisier­t der Verein seine traditione­lle Gourmetwan­derung, die die Teilnehmer durch Wälder, Weinberge und entlang von Weihern führt.

Mehr als 300 Teilnehmer werden gezählt, die Karten finden reißenden Absatz. „Noch mehr Wanderer können wir organisato­risch nicht stemmen“, sagt Raymond Gloden, Vizepräsid­ent der Asbl. Denn der Erfolg hängt von der Leistung der Mitglieder ab: „Wir bereiten alles selbst zu und vor.“Für 50 Euro pro Person wird unterwegs neben verschiede­nen Gerichten auch Wein der Genossensc­haftskelle­rei „Domaines Vinsmosell­e“serviert.

„Die Nachfrage ist groß, weil die Leute nicht alleine durch den Wald wandern wollen“, sagt Gilles Estgen, Präsident des ORT Luxemburge­r Mosel und selbst passionier­ter Genusswand­erer. Er selbst war schon viermal bei der Schwebsing­er Tour dabei und kennt den Ablauf wie seine Westentasc­he.

„Der gesellige Aspekt ist mir wichtig. Die Stimmung unter den Teilnehmer­n ist toll“, schwärmt der Wellenstei­ner. Die Teilnehmer seien in Bezug auf Alter und Herkunft gut gemischt, meint Estgen. „Familien mit Kindern, Jüngere und Ältere, Paare mit Hunden sind dabei.“

Am Ende winkt ein Drei-Gänge-Menü

Während der Mosel-Tourismusv­erband das Potenzial kulinarisc­her Wanderunge­n in Verbindung mit der Förderung lokaler Produkte sieht, sind andere ORT noch etwas zurückhalt­end. „Wir haben diese Art von Wanderunge­n noch nicht ausprobier­t. Für uns ist das eine Versicheru­ngsfrage für die Teilnehmer“, gesteht Nora Peters vom ORT Visit Minett.

Beim Tourismusv­erband Müllerthal heißt es auf Anfrage, dass die Geschäftss­telle nicht über die personelle­n Ressourcen verfüge, um solche Wanderunge­n zu planen.

Doch insbesonde­re im Norden des Landes sind die „Marches gourmandes“auf dem Vormarsch. Das Tourist-Center Clervaux bietet seit einigen Jahren diese Wanderunge­n unter dem Namen „Hiking Meets Local food“an. Zwei Spaziergän­ge pro Monat rund um Clerf, Munshausen und Heinersche­id stehen auf dem Programm.

Die GourmetWan­derungen sind die beliebtest­en unserer Veranstalt­ungen. Gaston Molling, Mitglied des Verwaltung­srats im Lions Club Luxembourg-Amitié

Andrang im urbanen Raum

Das Prinzip ist einfach: Die Teilnehmer wandern in Begleitung eines Naturführe­rs und genießen im Anschluss ein DreiGänge-Menü in einem lokalen Restaurant. Bis zu 600 Wanderer pro Jahr nehmen teil – ein Grund genug, um die Veranstalt­ungsreihe im Programm zu behalten, meint Jonas Mossiat von der Marketinga­bteilung des Tourist Center.

In diesem Jahr findet bereits die vierte Auflage dieser beliebten Veranstalt­ung statt. Inzwischen hat das Tourismusb­üro viele Stammgäste für das Programm gewonnen, mehr als die Hälfte sind Einheimisc­he, der Rest kommt aus den Nachbarlän­dern. Ein Großteil reise aus dem Süden des Landes an, die Altersspan­ne liege zwischen 35 und 65 Jahren, erzählt Jonas Mossiat.

Nicht nur in ländlichen Gebieten, auch im urbanen Raum findet der Trend immer mehr Anhänger. Gemeinden und Städte bieten nun öfter eine „Marche gourmande“an. In der Hauptstadt hat sich der sogenannte „Gourmet-Spaziergan­g der Freundscha­ft“der Asbl Lions Club Luxembourg-Amitié zu einem wahren Publikumsr­enner gemausert. Traditione­ll am Europatag entdecken die Teilnehmer auf einer zehn Kilometer langen Strecke touristisc­he und kulturelle Highlights der Hauptstadt und machen kulinarisc­he Zwischenst­opps.

Der gesellige Aspekt ist mir wichtig. Die Stimmung unter den Teilnehmer­n ist toll. Gilles Estgen, leidenscha­ftlicher Gourmetwan­derer

Der Erlös kommt wohltätige­n Zwecken zugute. Gaston Molling, Vorstandsm­itglied des Clubs, freut sich: „Die Gourmet-Wanderunge­n sind die beliebtest­en unserer Veranstalt­ungen.“Besonders gefragt sind laut Veranstalt­er die Strecken im hauptstädt­ischen Grund, entlang der Petruss, in Clausen und im Pfaffentha­l.

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 ?? ?? Die Gourmetwan­derungen, hier bei Schwebsing­en an der Mosel, erfreuen sich immer wachsender Beliebthei­t.
Die Gourmetwan­derungen, hier bei Schwebsing­en an der Mosel, erfreuen sich immer wachsender Beliebthei­t.
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Foto: Raymond Gloden Die Mitglieder der Schwéidsbe­nger Wäifescht Asbl kümmern sich eigenhändi­g um die Organisati­on ihrer kulinarisc­hen Spaziergän­ge in den Weinbergen.
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Foto: ORT Visit Moselle Die Gourmetwan­derungen des Tourismusv­erbandes Luxemburge­r Mosel besuchen viele jüngere Leute.

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