„Luxemburg spielt im Kampf gegen Parkinson in der Champions League“
Der Neurologe Prof. Rejko Krüger erklärt, weshalb es für Patientinnen und Patienten einen neuen Hoffnungsschimmer gibt. Gerade im Großherzogtum habe sich viel getan
Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung – und noch vor Alzheimer die am rasantesten um sich greifende. „Wir erleben derzeit ein exponentielles Wachstum der Fallzahlen und schätzen, dass sich die Zahl der Erkrankten in den kommenden 20 Jahren verdoppeln wird“, erklärt Prof. Reiko Krüger, der als Neurologe am Centre Hospitalier de Luxembourg (CHL) arbeitet, sowie an der Universität Luxemburg in der Lehre und Grundlagenforschung und am Luxembourg Institute of Health (LIH) in der klinischen Forschung tätig ist. Dies liege nicht nur daran, dass die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt, sondern auch an Umwelteinflüssen wie Pestiziden oder ungesunder Ernährung. Weltweit leiden derzeit sieben bis zehn Millionen Menschen an Parkinson. In Luxemburg liegt die Zahl bei über 3.000.
Bisher ist die Krankheit zwar nicht heilbar, aber „gut behandelbar“, wie es aus der Fachwelt heißt. Doch was bedeutet das für die Betroffenen? Und welche Therapieansätze sind besonders erfolgversprechend? Kann die Parkinson-Krankheit schon bald gestoppt, verzögert oder gar geheilt werden? Laut Krüger gebe es diesbezüglich vielversprechende Ansätze.
Kettenreaktion im Gehirn
Bei Parkinson-Patienten sterben fortlaufend Nervenzellen im Gehirn ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Fehlt dem Körper dieser Neurotransmitter, kommt es zu den für die Krankheit typischen Symptomen wie zum Beispiel dem Zittern, einer Steifheit der Muskeln, der Verschlechterung des Gleichgewichtssinns und einem unsicheren Gang. Zu den prominentesten Parkinson-Patienten zählen oder zählten der Schauspieler Michael J. Fox, Fernsehmoderator Frank Elstner, der Rockmusiker Ozzy Osbourne sowie der bereits verstorbene Box-Weltmeister Muhammad Ali. Die Diagnose erfolgt oft zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr, aber auch jüngere Menschen können betroffen sein.
Ausgelöst wird diese Zerstörung vom Eiweiß alpha-Synuclein, das in jeder Nervenzelle vorkommt. Bei Parkinson-Patienten verklumpen die Proteine zu runden Strukturen, die die Nervenzellen schädigen. Irgendwann verlassen die Verklumpungen die zerstörte Zelle und befallen dann die nächste. Es entsteht eine Kettenreaktion, die letztlich zum Auftreten der typischen Symptome führt.
Dass Krüger trotz dieser düsteren Prognosen zu den stark ansteigenden Fallzahlen hoffnungsvoll in die Zukunft blickt, liegt am Fortschritt der Forschung und der Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten, die in den vergangenen Jahren nicht nur weltweit, sondern vor allem auch im Großherzogtum gemacht wurden.
„Ich kann sagen, dass Luxemburg im Kampf gegen Parkinson in der Champions League spielt. Wir arbeiten mit Forschenden auf der ganzen Welt zusammen und mittlerweile ist es so, dass sich viele Länder an uns orientieren. Hierzulande haben Behandlung und Forschung wirklich Fahrt aufgenommen und es hat sich eine tolle Dynamik entwickelt“, sagt Prof. Krüger. Seit dem vergangenen Freitag, so der Parkinson-Experte weiter, werde der Luxemburger Forschungsverband auch von der „Mi
chael J.-Fox Foundation“bezuschusst. Die vom gleichnamigen Schauspieler ins Leben gerufene Stiftung sammelt weltweit Mittel für den Kampf gegen Parkinson. Im Großherzogtum ermögliche sie es den Forschenden, 100 neue Patientinnen und Patienten in ihre Studien aufzunehmen.
Große Zuversicht machen dem 54-jährigen Mediziner, der aus dem deutschen Recklinghausen stammt und mittlerweile auch die luxemburgische Staatsbürgerschaft besitzt, neue Antikörper, welche das für Parkinson verantwortliche Eiweiß attackieren: alpha-Synuklein. Am weitesten fortgeschritten sei die Entwicklung des Antikörpers Prasinezumab, der in den Laboren des schweizerischen Pharma-Riesens Roche entwickelt wurde. Schon erste Studien hätten gezeigt, dass die SynucleinMenge im Körper sank und das Voranschreiten der Krankheit im Verlauf deutlich abnahm.
„Eine weitere Testreihe, die derzeit in Luxemburg mit sechs Patienten durchgeführt wird, wird diese Ergebnisse hoffentlich bestätigen. Dieses Medikament, das monatlich als Infusion verabreicht wird, kann zwar den Fortschritt der Krankheit nicht ganz stoppen, aber allem Anschein nach verlangsamen, in dem es die EiweißAblagerungen im Gehirn der Betroffenen abbaut“, sagt der Arzt und Forscher aus dem Großherzogtum.
Die gängigen Medikamente, etwa das bisherige Standardmedikament Levodopa, konnten den Mangel an Dopamin ausgleichen und so die Beweglichkeit verbessern und das Zittern verringern. Allerdings sind die herkömmlichen Pharmazeutika nicht dazu in der Lage, das Fortschreiten der Nervenzerstörung in gleicher Art und Weise zu reduzieren.
Generell habe man in Luxemburg den Ernst im Hinblick auf die Entwicklung der Fallzahlen erkannt, wie Krüger sagt. Ein weiteres wichtiges Element im Wettlauf gegen die steigenden Fallzahlen sei der Aufbau des nationalen Kompetenznetzwerks „ParkinsonNet“, das im September vergangenen Jahres offiziell eingeweiht wurde.
Frühdiagnose aus Luxembourg
Unter dessen Dach kommunizieren Ärzte, Therapeuten und Forschende in engem Austausch und arbeiten Hand in Hand. Unter den zahlreichen Neurologen, Pflegekräften, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Orthophonisten (Spezialisten zur Behandlung von Sprechstörungen) aus Luxemburg findet ein systematischer Austausch über die Patienten, ihre Versorgung und die besten Möglichkeiten zur Behandlung und Prävention statt.
Gegen die bisher problematische Frühdiagnose der Parkinson-Krankheit sei man im vergangenen Jahr in der gemeinsamen Forschung des LIH, der Universität Lu
xemburg und des CHL auf einen neuartigen und leicht zugänglichen Biomarker im Blut gestoßen. Dies sei ein großer Schritt in Richtung der Entwicklung besserer klinischer Diagnosemethoden: Durch die einfache Analyse einer Blutprobe eines Patienten oder einer Patientin könnte dieser innovative Ansatz innerhalb von etwa einer Woche hochpräzise Antworten liefern.
Von entscheidender Bedeutung sei auch, dass sich die Erkenntnis durchgesetzt habe, dass es nicht nur eine Form von Parkinson gibt – darunter das idiopathische Parkinson-Syndrom sowie genetische, sekundäre und atypische Syndrome. „Jede Parkinson-Untergruppe erfordert ihre eigene Behandlungsmethode, ähnlich wie bei den unterschiedlichen Formen von Krebs.
Hierzulande haben Behandlung und Forschung wirklich Fahrt aufgenommen und es hat sich eine tolle Dynamik entwickelt. Prof. Reiko Krüger, Neurologe
„Und auch auf diesem Gebiet der Präzisionsmedizin hat sich in den vergangenen Jahren vieles zum Positiven entwickelt“, erklärt Rejko Krüger. Auch dass sich immer mehr Menschen darüber bewusst werden, wie wichtig die Prävention der Krankheit ist – etwa durch eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität und Gehirntraining, guten Schlaf oder eine aktive Teilnahme am Sozialleben –, trage ebenfalls zum Kampf gegen Parkinson bei.