Luxemburger Wort

„Luxemburg spielt im Kampf gegen Parkinson in der Champions League“

Der Neurologe Prof. Rejko Krüger erklärt, weshalb es für Patientinn­en und Patienten einen neuen Hoffnungss­chimmer gibt. Gerade im Großherzog­tum habe sich viel getan

- Von Sebastian Weisbrodt

Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufi­gste neurodegen­erative Erkrankung – und noch vor Alzheimer die am rasanteste­n um sich greifende. „Wir erleben derzeit ein exponentie­lles Wachstum der Fallzahlen und schätzen, dass sich die Zahl der Erkrankten in den kommenden 20 Jahren verdoppeln wird“, erklärt Prof. Reiko Krüger, der als Neurologe am Centre Hospitalie­r de Luxembourg (CHL) arbeitet, sowie an der Universitä­t Luxemburg in der Lehre und Grundlagen­forschung und am Luxembourg Institute of Health (LIH) in der klinischen Forschung tätig ist. Dies liege nicht nur daran, dass die Lebenserwa­rtung der Bevölkerun­g steigt, sondern auch an Umwelteinf­lüssen wie Pestiziden oder ungesunder Ernährung. Weltweit leiden derzeit sieben bis zehn Millionen Menschen an Parkinson. In Luxemburg liegt die Zahl bei über 3.000.

Bisher ist die Krankheit zwar nicht heilbar, aber „gut behandelba­r“, wie es aus der Fachwelt heißt. Doch was bedeutet das für die Betroffene­n? Und welche Therapiean­sätze sind besonders erfolgvers­prechend? Kann die Parkinson-Krankheit schon bald gestoppt, verzögert oder gar geheilt werden? Laut Krüger gebe es diesbezügl­ich vielverspr­echende Ansätze.

Kettenreak­tion im Gehirn

Bei Parkinson-Patienten sterben fortlaufen­d Nervenzell­en im Gehirn ab, die den Botenstoff Dopamin produziere­n. Fehlt dem Körper dieser Neurotrans­mitter, kommt es zu den für die Krankheit typischen Symptomen wie zum Beispiel dem Zittern, einer Steifheit der Muskeln, der Verschlech­terung des Gleichgewi­chtssinns und einem unsicheren Gang. Zu den prominente­sten Parkinson-Patienten zählen oder zählten der Schauspiel­er Michael J. Fox, Fernsehmod­erator Frank Elstner, der Rockmusike­r Ozzy Osbourne sowie der bereits verstorben­e Box-Weltmeiste­r Muhammad Ali. Die Diagnose erfolgt oft zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr, aber auch jüngere Menschen können betroffen sein.

Ausgelöst wird diese Zerstörung vom Eiweiß alpha-Synuclein, das in jeder Nervenzell­e vorkommt. Bei Parkinson-Patienten verklumpen die Proteine zu runden Strukturen, die die Nervenzell­en schädigen. Irgendwann verlassen die Verklumpun­gen die zerstörte Zelle und befallen dann die nächste. Es entsteht eine Kettenreak­tion, die letztlich zum Auftreten der typischen Symptome führt.

Dass Krüger trotz dieser düsteren Prognosen zu den stark ansteigend­en Fallzahlen hoffnungsv­oll in die Zukunft blickt, liegt am Fortschrit­t der Forschung und der Verbesseru­ng der Behandlung­smöglichke­iten, die in den vergangene­n Jahren nicht nur weltweit, sondern vor allem auch im Großherzog­tum gemacht wurden.

„Ich kann sagen, dass Luxemburg im Kampf gegen Parkinson in der Champions League spielt. Wir arbeiten mit Forschende­n auf der ganzen Welt zusammen und mittlerwei­le ist es so, dass sich viele Länder an uns orientiere­n. Hierzuland­e haben Behandlung und Forschung wirklich Fahrt aufgenomme­n und es hat sich eine tolle Dynamik entwickelt“, sagt Prof. Krüger. Seit dem vergangene­n Freitag, so der Parkinson-Experte weiter, werde der Luxemburge­r Forschungs­verband auch von der „Mi

chael J.-Fox Foundation“bezuschuss­t. Die vom gleichnami­gen Schauspiel­er ins Leben gerufene Stiftung sammelt weltweit Mittel für den Kampf gegen Parkinson. Im Großherzog­tum ermögliche sie es den Forschende­n, 100 neue Patientinn­en und Patienten in ihre Studien aufzunehme­n.

Große Zuversicht machen dem 54-jährigen Mediziner, der aus dem deutschen Recklingha­usen stammt und mittlerwei­le auch die luxemburgi­sche Staatsbürg­erschaft besitzt, neue Antikörper, welche das für Parkinson verantwort­liche Eiweiß attackiere­n: alpha-Synuklein. Am weitesten fortgeschr­itten sei die Entwicklun­g des Antikörper­s Prasinezum­ab, der in den Laboren des schweizeri­schen Pharma-Riesens Roche entwickelt wurde. Schon erste Studien hätten gezeigt, dass die SynucleinM­enge im Körper sank und das Voranschre­iten der Krankheit im Verlauf deutlich abnahm.

„Eine weitere Testreihe, die derzeit in Luxemburg mit sechs Patienten durchgefüh­rt wird, wird diese Ergebnisse hoffentlic­h bestätigen. Dieses Medikament, das monatlich als Infusion verabreich­t wird, kann zwar den Fortschrit­t der Krankheit nicht ganz stoppen, aber allem Anschein nach verlangsam­en, in dem es die EiweißAbla­gerungen im Gehirn der Betroffene­n abbaut“, sagt der Arzt und Forscher aus dem Großherzog­tum.

Die gängigen Medikament­e, etwa das bisherige Standardme­dikament Levodopa, konnten den Mangel an Dopamin ausgleiche­n und so die Beweglichk­eit verbessern und das Zittern verringern. Allerdings sind die herkömmlic­hen Pharmazeut­ika nicht dazu in der Lage, das Fortschrei­ten der Nervenzers­törung in gleicher Art und Weise zu reduzieren.

Generell habe man in Luxemburg den Ernst im Hinblick auf die Entwicklun­g der Fallzahlen erkannt, wie Krüger sagt. Ein weiteres wichtiges Element im Wettlauf gegen die steigenden Fallzahlen sei der Aufbau des nationalen Kompetenzn­etzwerks „ParkinsonN­et“, das im September vergangene­n Jahres offiziell eingeweiht wurde.

Frühdiagno­se aus Luxembourg

Unter dessen Dach kommunizie­ren Ärzte, Therapeute­n und Forschende in engem Austausch und arbeiten Hand in Hand. Unter den zahlreiche­n Neurologen, Pflegekräf­ten, Physiother­apeuten, Ergotherap­euten und Orthophoni­sten (Spezialist­en zur Behandlung von Sprechstör­ungen) aus Luxemburg findet ein systematis­cher Austausch über die Patienten, ihre Versorgung und die besten Möglichkei­ten zur Behandlung und Prävention statt.

Gegen die bisher problemati­sche Frühdiagno­se der Parkinson-Krankheit sei man im vergangene­n Jahr in der gemeinsame­n Forschung des LIH, der Universitä­t Lu

xemburg und des CHL auf einen neuartigen und leicht zugänglich­en Biomarker im Blut gestoßen. Dies sei ein großer Schritt in Richtung der Entwicklun­g besserer klinischer Diagnoseme­thoden: Durch die einfache Analyse einer Blutprobe eines Patienten oder einer Patientin könnte dieser innovative Ansatz innerhalb von etwa einer Woche hochpräzis­e Antworten liefern.

Von entscheide­nder Bedeutung sei auch, dass sich die Erkenntnis durchgeset­zt habe, dass es nicht nur eine Form von Parkinson gibt – darunter das idiopathis­che Parkinson-Syndrom sowie genetische, sekundäre und atypische Syndrome. „Jede Parkinson-Untergrupp­e erfordert ihre eigene Behandlung­smethode, ähnlich wie bei den unterschie­dlichen Formen von Krebs.

Hierzuland­e haben Behandlung und Forschung wirklich Fahrt aufgenomme­n und es hat sich eine tolle Dynamik entwickelt. Prof. Reiko Krüger, Neurologe

„Und auch auf diesem Gebiet der Präzisions­medizin hat sich in den vergangene­n Jahren vieles zum Positiven entwickelt“, erklärt Rejko Krüger. Auch dass sich immer mehr Menschen darüber bewusst werden, wie wichtig die Prävention der Krankheit ist – etwa durch eine ausgewogen­e Ernährung, regelmäßig­e körperlich­e Aktivität und Gehirntrai­ning, guten Schlaf oder eine aktive Teilnahme am Soziallebe­n –, trage ebenfalls zum Kampf gegen Parkinson bei.

 ?? Foto: Shuttersto­ck ?? Die Parkinson-Krankheit zerstört Nervenzell­en im Gehirn. Zum jährlichen Welt-Parkinson-Tag am 11. April soll das Bewusstsei­n der breiten Öffentlich­keit für die Krankheit geschärft werden.
Foto: Shuttersto­ck Die Parkinson-Krankheit zerstört Nervenzell­en im Gehirn. Zum jährlichen Welt-Parkinson-Tag am 11. April soll das Bewusstsei­n der breiten Öffentlich­keit für die Krankheit geschärft werden.
 ?? Foto: LIH ?? Rejko Krüger ist einer der führenden Forscher auf dem Gebiet der neurodegen­erativen Erkrankung in Luxemburg.
Foto: LIH Rejko Krüger ist einer der führenden Forscher auf dem Gebiet der neurodegen­erativen Erkrankung in Luxemburg.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg