Es braucht einen neuen Gesondheetsdësch
Gesundheitsministerin Martine Deprez (CSV) fallen derzeit so ziemlich alle Versäumnisse der vergangenen Jahre in der Gesundheitspolitik vor die Füße. Vom Ärztemangel angefangen, auf den die Medizinstudenten schon vor fast 20 Jahren mit einer Studie hingewiesen haben.
Erst Etienne Schneider nahm 2018 die Warnung ernst und ließ das Problem untersuchen. Mit dem Bericht der Forscherin Marie-Lise Laire aus dem Jahr 2019 gelangte die Brisanz der Situation ins öffentliche Bewusstsein – nicht nur die Mediziner betreffend, sondern auch die des Pflegepersonals in den Krankenhäusern und deren Ausbildung.
Die Pflegerzahlen sind zwar hoch, am Bett des Patienten – Kerngeschäft der Pflegerinnen und Pfleger – arbeiten aber nicht genug und sie werden noch zur Hälfte mit administrativen Arbeiten belastet. Den Krankenhäusern läuft das Personal weg, man munkelt auch, der Krankenstand sei sehr hoch, Zahlen und Daten dazu gibt es, wie so oft, nicht.
Dass der Gesondheetsdësch politisch zur Alibifunktion verkam, ist bedauerlich.
Eine Bestandsaufnahme, wer, wie und wo eingesetzt wird, ob nicht beispielsweise ein Wasserkopf an Personen geschaffen wurde, die sich als cadre intermédiaire mit Workflow-Fragen befassen, aber am Bett fehlen und wie der Bedarf bestimmt werden soll, gibt es nicht. Das bisherige PNRSystem zur Berechnung des Personalschlüssels wurde abgeschafft, ein neues noch nicht eingerichtet.
Immer wieder wurde auch festgestellt, dass hierzulande nicht genug Pfleger ausgebildet werden. Mit der Pandemie wurde die Abhängigkeit des Systems von Grenzgängern bewusst. Die Reform, die während der Pandemie übers Knie gebrochen wurde und hauptsächlich die Erweiterung der akademischen Ausbildung an der Universität Luxemburg betrifft, reicht nicht. Sie bezieht auch die dringend reformbedürftige Ausbildung am Lycée Technique pour professions de la Santé nicht ein. Zu viele Schüler scheitern dort an den Anforderungen des Sprachunterrichts, zu viele schlagen mit dem Bac in der Tasche eine ganz andere Laufbahn ein.
Dazu kommt, dass sich die Kassen der CNS leeren. Die Frage steht an, was die Gesundheitskasse künftig noch leisten kann und was möglicherweise über ein eigenes und gut dotiertes Budget des Gesundheitsministeriums laufen müsste. Es gilt auch, grundsätzlich noch die Fragen der digitalen und vor allem der ambulanten Wende zu klären: Was muss in den Spitälern angeboten werden, was kann und müsste ausgelagert werden – und in welcher Form. Und was wird an gesetzlichen Rahmen benötigt.
Alle Themen, die am Gesondheetsdësch grundsätzlich debattiert werden sollten, sind heute so aktuell wie damals, ja sogar noch dringender. Der Gesondheetsdësch war eine gute Idee, der Input der Beteiligten sehr stark. Dass er politisch nach dem Motto „Gut, dass wir darüber geredet haben“zur Alibifunktion verkam, nicht ernst genommen wurde und ordentliche Schlussfolgerungen ausblieben, ist ausgesprochen bedauerlich. Ein neuer Anlauf wäre wünschenswert.
Kontakt: annette.welsch@wort.lu
einmal mehr eine Psychologin an der Schule. Sie konnte bisher nicht ersetzt werden.“
Von solchen Fällen, wie dem von Pascale, hört Dany Semedo, Präsident der CNEL (Nationale Schülerkonferenz Luxemburgs), öfters.
„Wenn ein Schüler psychische Probleme hat, weiß er oft nicht, an wen er sich wenden und mit wem er sprechen soll. Zwar gibt es den psychologischen Dienst der Schule. Relativ zur Anzahl der Schüler verfügen sie aber nicht über genügend Personal.“
Sensibilisierungskampagnen zur Enttabuisierung der psychischen Gesundheit
„Wir brauchen mehr Psychologen an der Schule“, betont Semedo. „Die Umsetzung ist jedoch komplex, wie wir wissen. Es bleibt abzuwarten, ob man mit privaten Psychologen arbeiten könnte.“Im Übrigen versichert die CNEL, in Zusammenarbeit mit dem CePas (Centre psycho-social et d’accompagnement scolaires), der zentralen Stelle, die sich um die kleinen SePas kümmert, zwei große Baustellen umsetzen zu wollen.
„Wir haben Sensibilisierungskampagnen eingeführt, um psychische Gesundheitsprobleme und die Inanspruchnahme von Psychologen zu normalisieren. Für manche ist es nämlich immer noch ein Tabu, den Schulpsychologen aufzusuchen.“Die andere größere Baustelle: das Problem der Vertraulichkeit.
„Einige wollten nicht zum SePas ihrer Schule gehen, da es über mehrere Jahre hinweg Vertrauensprobleme gab.“Einige der anvertrauten Informationen seien nicht vertraulich behandelt worden, so Semedo. Der SePas hätte in der Vergangenheit schon mal Eltern und Lehrer über das Gesagte informiert und auch manchmal Klassenkameraden. In anderen Fällen holte eine SePas-Person einen Schüler mitten in der Unterrichtsstunde vor der ganzen Klasse ab, womit anderen Schülern klar gewesen sei, wo der Klassenkollege hingehen würde. „Auch das ist eine Form von Unbehagen, die nicht sein sollte. Das war ein sehr großer Faktor, den es zu berücksichtigen galt, denn jeder Schüler möchte, dass seine Sorgen geheim bleiben. Die Schweigepflicht muss gelten.“
Tabu und Vertrauen sind jedoch nicht die einzigen Hemmnisse. Laut Dany Semedo ist auch der Standort des Dienstes ein Problem. „Es kommt vor, dass sich der SePas dort befindet, wo viele Passanten sind. Das bedeutet, dass sich einige nicht trauen, hinzugehen, weil sie Angst haben, von anderen gesehen zu werden, und dass die Schüler dann untereinander reden. Dadurch entsteht ein Schamgefühl.“
Damit die Scham aufhört, würde die CNEL derzeit mit dem CePas zusammenarbeiten, um sich Kampagnen auszudenken, die Schüler wieder motivieren und ihnen zeigen sollen, was der SePas anbieten kann. „Denn wir glauben aufrichtig, dass seitdem einiges erreicht wurde.“
CePas: Psychotherapie gehört nicht zum Auftrag der Schule
Das CePas bestätigt diese Information: „Zusätzlich zu den verschiedenen Aktionen, um das Thema mentale Gesundheit nicht länger zu tabuisieren, setzen wir in diesem Jahr die Kampagne #MirSinn fort, die wir 2022 gemeinsam mit verschiedenen Jugendorganisationen, darunter die CNEL, ins Leben gerufen haben und deren Ziel es ist, die Zugänglichkeit und die Nähe der in den Sekundarschulen vorhandenen pädagogischen und psychosozialen Dienste zu verbessern.“
Das Centre psycho-social et d’accompagnement scolaires möchte dennoch darauf hinweisen, „dass, obwohl die Psychotherapie selbst nicht zum Auftrag der Schule gehört, neben den Psychologen zahlreiche multidisziplinäre professionelle Akteure für die psychische Gesundheit der Jugendlichen mobilisiert werden“.
Eine qualitative Vorrichtung sei bereits eingerichtet und werde weiter ausgebaut, wobei Ressourcen in das pädagogische und psychosoziale Personal investiert werden, das innerhalb der Schulen tätig sei. Aber auch auf anderen Ebenen wie der Kostenübernahme über das ONE, der Erstattung von Psychotherapien oder auch dem Beratungszentrum für Jugendliche und Familien des CePas, das einen kostenlosen und vertraulichen Dienst anbietet. Derzeit werden 750 Ersthelfer für psychische Gesundheit ausgebildet, um in den Oberschulen mit leidenden Jugendlichen zu arbeiten.
Schließlich wird das CePas im Rahmen der vom 7. bis 20. Oktober stattfindenden Wochen der psychischen Gesundheit in Zusammenarbeit mit den Rotondes und dem Eltereforum Schulaufführungen und eine öffentliche Aufführung des Theaterstücks „Wellbeing Mental Noise“anbieten, das im Rahmen des Nationalen Aktionsplans für die Jugend 2022-2025 inszeniert wurde.
Dieser Artikel erschien zuerst bei „Virgule“und wurde mit leichten Anpassungen ins Deutsche übersetzt. Übersetzung: Florian Javel
Einige wollten nicht zum SePas ihrer Schule gehen, da es mehrere Jahre lang Vertrauensprobleme gegeben hat. Dany Semedo, Vorsitzender der CNEL
Der Vorname wurde aus Gründen der Anonymität geändert.