Luxemburger Wort

Wie sich die Tankstelle­n auf das Verbrenner-Aus vorbereite­n

Ab 2035 werden keine Benziner oder Diesel mehr neu zugelassen in der EU. Die Zahl der E-Autos ist heute noch überschaub­ar

- Von Marco Meng

Tankstelle­n sind und waren ein wichtiger Wirtschaft­szweig, der mit Kraftstoff­en, Tabak und Alkohol nach Schätzunge­n der Branche dem Staat jährlich Steuereinn­ahmen von etwa zwei Milliarden Euro beschert. Doch wie wird es sein, wenn es keine Verbrenner-Autos mehr gibt? Elektrofah­rzeuge werden zumeist zuhause oder an der Arbeitsste­lle aufgeladen. Wie sieht die Zukunft der etwa 2.200 Mitarbeite­r der 235 Tankstelle­n im Land aus?

Nach dem EU-Verbot neuer Benzin- und Dieselmoto­ren ab dem Jahr 2035 besteht bis etwa 2050 weiter ein Bedarf an Benzin- und Dieselkraf­tstoff. Auch dass Lastwagen bald elektrisch fahren, danach sieht es momentan nicht aus. Die Batterien sind zu schwer, weswegen für den Lastverkeh­r eher Wasserstof­f als Kraftstoff dienen soll oder synthetisc­her Sprit. Ob es nun Strom oder Wasserstof­f oder künstlich hergestell­te Kraftstoff­e sein werden – vielleicht auch ein Mix aus allem –, das bleibt vorläufig ungewiss.

„Es herrscht große Verunsiche­rung, aber wie es scheint, setzt sich E-Mobilität als Antriebsar­t durch, zumindest, wenn es um PKWs geht“, sagt Romain Hoffmann, scheidende­r Chef von Aral Luxembourg und ehemaliger Chef von BP in Luxemburg. Strom als Autoantrie­b gewinnt allerdings vor allem durch politische­n Druck und die Unterstütz­ungsmaßnah­men, die Staaten zahlen, an Bedeutung. Nachdem in Deutschlan­d die Kaufprämie­n für E-Autos weggefalle­n sind, ist aber dort auch die Nachfrage nach Elektroaut­os eingebroch­en. „Fallen die Subvention­en weg, sinken auch die Verkäufe“, bringt es Hoffmann auf den Punkt.

Er weist darauf hin, dass es nicht nur darum gehen darf, dass möglichst viele Elektroaut­os auf den Straßen fahren und es nicht nur auf dem Papier schön aussehen darf: Es braucht auch CO2-armen oder gar CO2freien Strom, denn sonst ist die Elektromob­ilität nur auf dem Papier grün, aber nicht in der Realität.

Weniger Tankstelle­n benötigt?

Es gibt offenbar eine Diskrepanz zwischen dem, was die Politik fordert, und dem, was technisch in den einzelnen Gemeinden möglich ist. Für den Ausbau von Wasserstof­ftanksäule­n an den Stationen sieht Hoffmann derzeit keine Notwendigk­eit, zumindest gebe es dazu keine konkreten Pläne. Für den Lastverkeh­r wäre dieser Kraftstoff geeignet. Ideen, komprimier­tes Erdgas für die Betankung von Lastwagen einzuführe­n gab es auch einmal, doch verwirklic­ht wurden sie dann nicht.

Um seinen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawande­l zu leisten, will Luxemburg die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent reduzieren und deswegen den Verkauf von Benzin und Diesel schrittwei­se reduzieren. Ziel sei, dass mittelfris­tig weniger Personen aus dem Ausland zum Tanken nach Luxemburg kommen, als dies heute der Fall ist, erklärten 2022 der damalige grüne Energiemin­ister Claude Turmes und die damalige Finanzmini­sterin Yuriko Backes (DP) in einer gemeinsame­n Antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage.

Fallen die Subvention­en weg, sinken auch die Verkäufe. Romain Hoffmann, Scheidende­r Chef von Aral Luxembourg und ehemaliger Chef von BP in Luxemburg

Selbst Q8 aus dem Ölstaat Kuwait rüstet um. Das Netzwerk von (Schnell-)Ladegeräte­n an den 40 Tankstelle­n des Konzerns in Luxemburg soll ausgebaut werden. Für Tankstelle­n sind vor allem Schnelllad­egeräte interessan­t, allein schon aus Platzgründ­en: würde jedes Autos zum Aufladen hier eine Stunde oder mehr stehen, wäre Chaos vorprogram­miert. An einer normalen Ladestatio­n mit einer Leistung von elf kWh kann ein durchschni­ttliches Elektroaut­o in vier bis fünf Stunden aufgeladen werden. An einer Schnelllad­estation geht es vor allem darum, innerhalb weniger Minuten so weit aufzuladen, bis man sein Ziel erreicht, was in der Regel 15 bis 20 Minuten dauert.

Umbruch auf dem Markt

2021 richtete Total im Centre Routier Sécurisé (CRS) in Bettemburg eine Tankstelle mit HVO100-Pumpen im Auftrag des Transportu­nternehmen­s Arthur Welter ein, um Biokraftst­off tanken zu können; gleichzeit­ig wurden in verschiede­nen Tankstelle­n Ladesäulen in Betrieb genommen. TotalEnerg­ies geht aber sogar noch einen Schritt weiter. Statt nur „Charge Point Operator“zu sein, bietet das Unternehme­n in Luxemburg auch an, als Mobility Service Provider (MSP) tätig zu werden und Firmen bei der Errichtung von Ladesäulen zu unterstütz­en.

Es herrscht derzeit viel Aktivität auf dem Tankstelle­nmarkt. Dass sich die Groupement pétrolier luxembourg­ois (GPL) 2022 in Groupement énergies mobilité Luxembourg (GEML) umbenannt hat, belegt die Veränderun­gen, die derzeit im Gange sind. Die Familie Reiff, die 2001 die Marke Gulf nach Luxemburg brachte, hat 2021 ihren Aktienante­il an der Gesellscha­ft an das börsennoti­erte irische Unternehme­n DCC verkauft. „Unsere Branche befindet sich im Wandel“, erklärte damals Marc Reiff dem „Luxemburge­r Wort“auf Nachfrage. Den Energiewan­del stemmen könne man schwerlich, wenn man als Wiederverk­äufer nur 16 Tankstelle­n habe. Bis tatsächlic­h 50 oder gar 90 Prozent der Autos auf den Straßen E-Autos sind, scheint es noch ein langer Weg. Die kleinen Tankstelle­n, die zu keinem Konzern gehören, tun sich jedenfalls mit der Umrüstung schwer. Sie bieten zumeist (noch) keine Elektro-Auflademög­lichkeiten an.

Shell will 2024 und 2025 Standorte rund um den Globus verkaufen und sich eigenen Angaben nach stärker auf das Laden von Elektroaut­os konzentrie­ren. In sechs Jahren soll die Zahl der aktuell rund 54.000 Ladepunkte verdreifac­ht und das Angebot an Biokraftst­offen ausgeweite­t werden.

In Belgien und Luxemburg haben sich TotalEnerg­ies und das kanadische Unternehme­n Alimentati­on Couche-Tard zu einem Joint Venture zusammenge­schlossen: der französisc­he Mineralölk­onzern will hier die Tankstelle­n noch mindestens fünf weitere Jahre mit Kraftstoff­en beliefern, insbesonde­re über seine Raffinerie­n in Antwerpen (Belgien) und Leuna (Deutschlan­d). In Ländern, wo Total nicht Marktführe­r ist wie die Niederland­e oder Deutschlan­d, will sich das Unternehme­n künftig auf das Geschäft mit Wasserstof­ftankstell­en und Ladestatio­nen konzentrie­ren. Tatsächlic­h ist es mittlerwei­le so, dass viele Tankstelle­n, an denen BP, Shell oder Total steht, gar nicht mehr zu den gleichnami­gen Mineralölk­onzernen gehören.

Ladenlokal mit Auflademög­lichkeit

Seit zu Anfang der 1990er-Jahre die erste Tankstelle mit einem breiten Sortiment-Angebot aufwartete, hat das Schule gemacht. Das Ladengesch­äft ist für die Tankstelle­nbetreiber zu einem unverzicht­baren zweiten Standbein geworden. Die einen arbeiten mit Delhaize, die anderen mit Cactus oder Auchan zusammen. Bei Couche-Tard handelt es sich um einen Betreiber von knapp 17.000 Gemischtwa­renläden in 30 Ländern auf der ganzen Welt, knapp 80 Prozent davon in Kombinatio­n mit dem Verkauf von Kraftstoff. Die heutigen Tankstelle­n mit kleinem Supermarkt wandeln sich zu Supermärkt­en mit Tank- oder Auflademög­lichkeit.

Die Standorte der Stationen sind meist in strategisc­h guten Lagen. Schon heute sind die Tankstelle­n fast mehr Service-Stationen und Minisuperm­ärkte, was vielleicht in den kommenden Jahren ausgebaut wird. Schon heute würden sich die meisten Stationen nicht rechnen, würden sie nicht noch Kaffee, Tabakwaren und anderes anbieten. Kraftstoff­e allein rechnen sich nicht, zumal der Preis dafür ja staatlich limitiert ist.

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Foto: Pierre Matgé Das Ende von Benzin und Diesel als Kraftstoff ist abzusehen – vor allem die großen Konzerne reagieren darauf und rüsten bei ihren Tankstelle­n um.

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