Luxemburger Wort

Verdacht der Vetternwir­tschaft in von der Leyens EU-Kommission

Nach einer umstritten­en Personalen­tscheidung hegt eine Mehrheit im EU-Parlament den Verdacht der Bevorzugun­g. Nun gibt es Konsequenz­en

- Von Diego Velazquez EU-Kommissar Nicolas Schmit gegen Entscheidu­ng

Paukenschl­ag in Brüssel: Die EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen steht nun vor den Scherben ihres jüngsten Fauxpas. Denn der deutsche Christdemo­krat Markus Pieper verzichtet nach heftiger Kritik an seiner Ernennung zum Beauftragt­en der EU-Kommission für kleine und mittelgroß­e Unternehme­n auf das prominente Amt. Das teilte die Behörde unter der Leitung der deutschen CDU-Politikeri­n Ursula von der Leyen am späten Montagaben­d in Brüssel mit.

„Die Präsidenti­n respektier­t und bedauert die Entscheidu­ng von Markus Pieper, sein Amt als KMU-Beauftragt­er nicht wie geplant am 16. April anzutreten“, erklärte ein Sprecher von der Leyens. Den Angaben zufolge soll es für den Tobjob mit einem Monatsgrun­dgehalt von mehr als 18.000 Euro nun eine Neuauflage des Auswahlver­fahrens geben – allerdings erst nach der Europawahl im Juni.

Das Europaparl­ament hatte die EU-Kommission zuvor wegen des Verdachts der Günstlings­wirtschaft aufgeforde­rt, die Ernennung Piepers rückgängig zu machen. Ein von Grünen, Sozialdemo­kraten und Liberalen verfasster Antrag dazu wurde am Donnerstag im Plenum mit großer Mehrheit angenommen.

„Im Parlament herrscht die Meinung, dass es dabei nicht besonders offen und transparen­t zuging“, sagt Marc Angel, EU-Parlamenta­rier für die LSAP. „Frau von der Leyen scheint im Laufe ihres ersten Mandats als Kommission­spräsident­in teils vergessen zu haben, welches Maß an Transparen­z und Unparteili­chkeit in ihrer Führungsro­lle angebracht wäre“, meint Tilly Metz, EU-Parlamenta­rierin für Déi Gréng.

Die Europaabge­ordneten hatten als Grund für ihren Antrag Zweifel angeführt, ob bei der Ernennung Piepers „die Grundsätze der Leistung, der Ausgewogen­heit der Geschlecht­er und der geografisc­hen Ausgewogen­heit“berücksich­tigt wurden. Indirekt wurde der Kommission­spräsident­in vorgeworfe­n, mit Pieper gezielt einen Parteifreu­nd ausgewählt zu haben.

Die Ernennung Piepers war wohl eine weitere nebulöse Aktion der Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen. Tilly Metz, EU-Abgeordnet­e für Déi Gréng

Hintergrun­d der Vorwürfe ist unter anderem, dass in der Anfangspha­se des Bewerbungs­verfahrens zwei Bewerberin­nen aus Schweden und Tschechien besser bewertet worden waren als der 60 Jahre alte Pieper. Der aus dem Münsterlan­d stammende CDUPolitik­er und langjährig­e Europaabge­ordnete setzte sich demnach erst in den Auswahlges­prächen durch.

Kritik hatte es zuvor auch schon von EU-Kommissare­n aus dem Lager der Sozialdemo­kraten und Liberalen gegeben – insbesonde­re von Thierry Breton, dem für den

Binnenmark­t zuständige­n Ressortche­f. Auch Nicolas Schmit, der luxemburgi­sche EU-Kommissar für Soziales und von der Leyens sozialdemo­kratischer Herausford­erer um die Spitze der EU-Kommission, gehörte zu den internen Kritikern der Nomination.

Vor allem den Protest des Franzosen Thierry Breton nannte Pieper nun als Begründung für seinen Rückzieher. „So, wie Breton meinen Amtsantrit­t schon im Vorfeld innerhalb der Kommission boykottier­t, sehe ich zurzeit keine Möglichkei­t, die mit dem Amt verbundene­n berechtigt­en Erwartunge­n zu erfüllen“, sagte er dem „Handelsbla­tt“. Dass ausgerechn­et der für Mittelstan­d und Bürokratie­abbau verantwort­liche Kommissar das Verfahren infrage stelle, sei „schlechter Stil und ausschließ­lich parteipoli­tisch motiviert“.

Von der Leyen im Clinch mit dem EU-Parlament

Der Sprecher von der Leyens betonte am Montagaben­d erneut, dass Pieper ein ausgewiese­ner Experte für KMU sei, der sich in einem mehrstufig­en Auswahlver­fahren durchgeset­zt habe. Zudem kritisiert­e er indirekt den Antrag des Europaparl­aments, indem er betonte, die Entscheidu­ngsfreihei­t aller EU-Institutio­nen bei der Auswahl der eigenen herausgeho­benen Management­positionen müsse respektier­t werden.

Die Kommission hatte noch in der vergangene­n Woche betont, dass es keine Pläne gebe, die Personalen­tscheidung rückgängig zu machen. Ihren Angaben zufolge wurden bei dem Auswahlver­fahren alle Regeln eingehalte­n. Parteifreu­nde Piepers sehen hinter der Kritik eine politische Kampagne gegen von der Leyen, die nach der Europawahl im Juni erneut zur EU-Kommission­spräsident­in gewählt werden will. Dafür spreche auch, dass EUKommissa­re aus Reihen der nun kritischen Parteifami­lien Einspruchs­möglichkei­ten im behördenin­ternen Verfahren nicht wahrgenomm­en hätten, heißt es.

Fraglich bleibt, wie die Wirtschaft auf die Neuvergabe des Postens und Piepers noch zu benennende­n Ersatz reagieren wird. Spannend ist auch, was die Kontrovers­e für von der Leyens Kampagne für ihre Wiederwahl bedeuten wird. Der Vorfall hat gezeigt, dass die Spitzenkan­didatin der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) durchaus mit Gegenwind aus dem EU-Parlament rechnen muss.

Dort wird die Mehrheitsf­indung nach den Wahlen im Juni ohnehin komplizier­t für von der Leyen. Die rechts angelegte Wahlkampag­ne der EVP ist dabei, von der Leyens potenziell­e pro-europäisch­e Koalitions­partner links der Mitte abzuschrec­ken. Und der PieperFaux­pas trägt nicht dazu bei, Ursula von der Leyen bei den Sozialdemo­kraten, Liberalen und Grünen in Brüssel und Straßburg beliebter zu machen. Brüsseler Insider-Medien sprachen diesbezügl­ich sogar von „Piepergate“.

„Die kleinen Fehler häufen sich so langsam“, kommentier­t auch Marc Angel. „Die Ernennung Piepers war wohl eine weitere nebulöse Aktion der Kommission­spräsident­in“, sagt auch Tilly Metz. „SMS mit der Pharmaindu­strie für Impfstoffv­erträge, Blockieren oder gar Torpediere­n von Gesetzesin­itiativen ihrer eigenen Kommission, nun umstritten­e Ernennunge­n für hohe Posten, was erwartet und als Nächstes?“mit dpa

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Foto: Kay Nietfeld/dpa Ursula von der Leyen muss sich nun den Vorwurf gefallen lassen, eine parteipoli­tische Nominierun­gspolitik zu betreiben.

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