Warum die Vorteile der Nordstad-Fusion überwiegen
Der Zusammenschluss der fünf Gemeinden wird nach langem Warten vorangetrieben. Deren Sprecher Claude Gleis gibt Aufschluss über die nächsten Schritte und mögliche Verhandlungen mit dem Innenministerium
Ende März hatten die Schöffenräte der fünf Nordstadgemeinden Bettendorf, Diekirch, Erpeldingen an der Sauer, Ettelbrück und Schieren beschlossen, die vor den vergangenen Kommunalwahlen ins Stocken geratenen Fusionsverhandlungen wieder aufzunehmen. Im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“informiert der Erpeldinger Bürgermeister und zugleich Sprecher der Nordstadgemeinden in Sachen Fusionsverhandlungen, Claude Gleis, darüber, wie man in den kommenden Monaten und Jahren in dem Kontext vorgehen will. Auch das Referendum ist dabei ein Thema.
Am 25. März trafen sich die Schöffenräte der fünf Nordstadgemeinden, um über die Wiederaufnahme der Fusionsverhandlungen zu beraten. Waren dies schwierige Gespräche?
Nein, überhaupt nicht. Es war sehr schnell klar, dass wir alle den Willen hatten, die Sondierungsgespräche wieder aufzunehmen. Abstimmen mussten wir nicht darüber.
Ende 2018 gab es schon mal ein Mandat für die Schöffenräte, Fusionsverhandlungen zu führen. Damals waren es noch 4,5 Jahre bis zu den nächsten Kommunalwahlen, und die Zeit reichte nicht mehr, um eine Entscheidung herbeizuführen. Wieso?
Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass wir Politiker alle den immensen Arbeitsaufwand unterschätzt hatten. Nachdem uns dann auch noch die Corona-Pandemie stark ausgebremst hatte, warfen die Gemeinderatswahlen schon ihre Schatten voraus, und wir merkten, die Zeit wird knapp, um die Bürger vernünftig über den Mehrwert einer Fusion zu überzeugen. Dann zogen wir die Reißleine, denn wir wollten nichts über die Knie brechen. Wir waren vor den vergangenen Wahlen noch nicht bereit für ein Referendum.
Warum wird das nun anders sein?
Nun, es wurde ja trotzdem in den vergangenen Jahren bereits viel wertvolle Vorarbeit geleistet. Wir wissen jetzt, an welchen Stellschrauben wir drehen müssen. Obwohl es uns sehr bewusst ist, dass in den kommenden zwei bis drei Jahren noch eine Menge Arbeit auf uns zukommt, sind wir zuversichtlich, dass wir eine Fusion bis zu den nächsten Wahlen hinbekommen können. Voraussetzung ist natürlich, dass alles so klappt, wie wir uns das vorstellen.
Das heißt?
Zunächst einmal sollen uns die fünf Gemeinderäte in den kommenden ein oder zwei Monaten via „Délibération concordante“noch einmal den offiziellen Auftrag geben, die Fusionsverhandlungen weiterzuführen. Denn es hat keinen Sinn, sehr viel Arbeit und Zeit in diese zu investieren, wenn wir dabei nicht den Support der Gemeinderäte haben. 2027 soll dann ebenfalls ein Referendum abgehalten werden. Dessen Ausgang wird ganz sicher respektiert. Nur wenn sich die Bürger positiv zu einer Fusion aussprechen, werden wir in fünf Jahren als große Fusionsgemeinde mit 25 000 bis 30 000 Einwohnern in die Wahlen gehen.
Was wird sein, wenn sich die Bürger der einen oder anderen Gemeinde gegen einen Zusammenschluss aussprechen?
Tja, dann kann alles sein, nur keine Fusion zu Fünft. Sollte dieser Fall tatsächlich eintreffen, muss die Sachlage neu bewertet werden. Grundsätzlich sollte eine Fusion von nur zwei, drei oder vier Gemeinden aber nicht ausgeschlossen werden.
Wäre es nicht höchst bedauerlich, wenn eine Fusion am Veto der Bürger scheitern würde? Immerhin werden sich im Vorfeld des Referendums viele Politiker jahrelang intensive Gedanken über Vor- und Nachteile einer Fusion gemacht haben und zum Schluss gekommen sein, dass die Vorteile bei Weitem überwiegen.
Ja, das wäre in der Tat sehr schade. Aber dann müssten wir Politiker uns eingestehen, dass wir versagt haben, weil wir es nicht fertiggebracht haben, die Bürger vom Mehrwert einer Fusion zu überzeugen.
Wie will die Politik das denn bewerkstelligen?
Bevor das Referendum abgehalten wird, werden die Bürger eine Broschüre in die Hände bekommen, in der sie noch einmal im Detail über alles Wissenswerte zur Fusion aufgeklärt werden. Insbesondere werden darin auch alle konkreten Projekte aufgelistet sein, die im Falle einer Fusion realisiert werden sollen. Dies natürlich mithilfe des Staats, der ja nur im Fall eines Zusammenschlusses zusätzliches Geld ausschütten will.
Apropos Staat: Verschiedene Ministerien arbeiteten ja das Leitbild „Vision Nordstad 2035 plus“aus. Inwieweit ist dieses Leitbild hilfreich bei den kommenden Fusionsverhandlungen?
Sehr hilfreich, gibt dieses doch die einzuschlagende Richtung vor. Dabei geht es darum, in den Fokus der nationalen Politik zu rücken. Und das ist nur möglich durch eine Fusion, weil man nur so mehr politisches Gewicht bekommt. Davon sind wir alle überzeugt. Durch einen Zusammenschluss werden wir einerseits als Gemeinde viel stärker, andererseits profitiert die ganze Region davon. Es gibt nur diesen einen Weg zum angestrebten Ziel, neben Luxemburg-Stadt und Esch/Alzette zu einem der drei großen Entwicklungspole des Landes zu werden.
Im Falle einer Fusion will der Staat offiziell 60 Millionen Euro überweisen sowie eine neue
CGDIS-Kaserne auf Fridhaff errichten. Geben sich die fünf Nordstadgemeinden damit zufrieden?
Wir werden uns sicher noch einmal ins Innenministerium begeben, um nachzuverhandeln. Worum wir sicher kämpfen werden, sind die 25 Prozent mehr Geld, wenn die Nordstad offiziell zum nationalen Entwicklungszentrum wird. Das ist wesentlich mehr Geld als die einmalige Überweisung der versprochenen 60 Millionen Euro.
Wenige Wochen vor den vergangenen Wahlen haben Sie öffentlich kundgetan, dass die Gemeinde Erpeldingen womöglich eine Fusion ablehnen könnte, falls die von den Gemeinden Diekirch und Ettelbrück geplante Windmühle nahe Bürden, das auf Erpeldinger Boden liegt, errichtet würde. Wie meinten Sie das?
Ich habe damals lediglich darauf hinweisen wollen, dass wir riskieren, den Fusionsprozess aufs Spiel zu setzen, wenn der Bau des Windrads dort tatsächlich erfolgt.
Schließlich sind immer noch viele Bürger der Gemeinde Erpeldingen nicht froh über den Standort Bürden. Auch haben sie durch dieses Vorhaben das Vertrauen in die beiden großen Nachbargemeinden verloren, was dem Fusionsprozess natürlich abträglich ist. Ich verstehe diese Bürger zu hundert Prozent, aber andererseits kann es auch nicht sein, dass der Fusionsprozess durch ein Windrad gestoppt wird. In den kommenden Monaten werden diesbezüglich wahrscheinlich Entscheidungen über den Rechtsweg fallen, die man dann auch respektieren muss. Die Fusion ist zu wichtig für die Region, und demnach darf es nicht sein, dass eine solche Affäre den Prozess des Zusammenschlusses beendet.
Sie sind also klar für die Fusion?
Ja. Wir merken im Alltag immer mehr, dass wir auf Dauer als einzelne Gemeinden nicht mehr wirklich klarkommen. Die Anforderungen werden laufend größer, sodass wir schon fast gezwungen sind, uns zusammenzuschließen. Nur so werden unsere Dienstleistungen professioneller und auch zahlreicher. Und natürlich wird man ebenfalls bessere Infrastrukturen anbieten können. Im Syndicat à vocations multiples, das 2017 geschaffen wurde, arbeiten wir zwar bereits sehr gut zusammen. Allerdings kann dieses Syndikat nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Fusion sein. Jetzt wollen wir auf der guten Dynamik, die insbesondere nach den vergangenen Wahlen in jenem Mehrzwecksyndikat entstanden ist, aufbauen und die Energie tanken, die wir benötigen, um das gewaltige Arbeitspensum im Hinblick auf eine mögliche Fusion leisten zu können.
: Bevor das Referendum abgehalten wird, werden die Bürger eine Broschüre in die Hände bekommen, in der sie noch einmal im Detail über alles Wissenswerte zur Fusion aufgeklärt werden.