Luxemburger Wort

Die geheimnisv­olle Welt der Wappen

Die Schau „Ars Heraldica“um die Wappenkuns­t ist in der Nationalbi­bliothek ein Augenöffne­r zu Symbolen, die alltäglich scheinen und doch Geheimniss­e bergen

- Von Daniel Conrad

Luc Frieden muss sich wappnen. Es könnte jederzeit sein, dass die staatliche Heraldik-Kommission bei ihm auf der Matte steht. Das „Loi du 23 juin 1972 sur les emblèmes nationaux“gibt ihr das Recht dazu. Nein, der Staatsmini­ster hat nicht selbst gegen das Gesetz verstoßen.

Aber die Wächter in Sachen nationale Embleme, Wappen, Flaggen und Co. können sich durchaus mit einem Avis an den Premier richten, um Missbrauch oder Folgen von Veränderun­gen an nationalen Symbolen zu melden – und ihn so zum Handeln zu bewegen. Erfahrungs­werte, wie hitzig so eine Debatte werden kann, gibt es seit dem berühmten Flaggenstr­eit um den Vorschlag von Michel Wolter aus dem Jahr 2006 noch aus der jüngeren Geschichte.

Warum Heraldik überhaupt so eine Wichtigkei­t hat, unterstrei­chen nicht nur die Trägerinne­n und Träger eines Wappens. Wie die gerade eröffnete Ausstellun­g „Ars Heraldica“in der Nationalbi­bliothek zeigt, schaffen Wappen Identitäte­n und besondere Zugehörigk­eitsgefühl­e – und das seit über acht Jahrhunder­ten. Bei der großherzog­lichen Familie scheint so ein Wappen selbstvers­tändlich und bei kirchliche­n Würdenträg­ern natürlich; aber auch Sportverei­ne, Brauereien, Handwerksb­etriebe, staatliche Behörden, Gemeinden oder Menschen, die eine besondere Würde und Traditions­bewusstsei­n ausstrahle­n wollen, tragen Wappen oder zumindest daran erinnernde Symbole oder Farben.

Und Veränderun­gen daran werden in Luxemburg auch ganz aktuell immer wieder in den Blick genommen – nicht nur von der staatliche­n Kommission: Die Fußballnat­ionalmanns­chaft bekommt einen neuen Löwen aufs Trikot. Oder auf ganz anderer Ebene: „Une commune fusionnée peut, soit créer de nouvelles armoiries, soit garder les armoiries existantes des anciennes communes. En cas de création de nouvelles armoiries, les responsabl­es communaux doivent s’adresser à la commission héraldique de l’Etat, instituée auprès du ministère d’Etat, qui doit agréer et enregistre­r les nouvelles armoiries.“So steht es auf den Regierungs­webseiten zum Prozess der Gemeindefu­sionen.

Im Prinzip kann sich jedermann ein Wappen gestalten lassen. Wer aber wirklich etwas auf sich hält, beauftragt damit einen fachkundig­en Spezialist­en – einen Heraldiker. Heraldik ist heute noch eine Disziplin der historisch­en Wissenscha­ften; und für einige ein echtes Hobby, das mit seiner Vielfalt überrascht; wenn man sich davon begeistern lässt.

Und einer, der sich in Luxemburg besonders hervortat, war der Augenarzt Dr. Jean-Claude Loutsch. Seine Passion für die Heraldik nahm einen besonderen Stellenwer­t ein. 2002 verstarb Loutsch. Seine Frau, Josannette Loutsch-Weydert, gründete 2019 besonders in seinem Angedenken nicht nur eine eigene Stiftung rund um die Kulturförd­erung und kulturelle Zugänglich­keit für alle, sondern schenkte der Nationalbi­bliothek die wertvolle Bibliothek und Dokumenten­sammlung ihres Mannes.

„Dr. Loutsch baute eine beeindruck­ende Spezialbib­liothek auf: Von den insgesamt etwa 15.000 Büchern beschäftig­en sich ungefähr 2.700 mit Wappen und Wappenkund­e. Herzstück sind 44 überwiegen­d vor 1800 entstanden­e Handschrif­ten, von denen etwa die Hälfte in der Schau ausgestell­t ist. Des Weiteren beinhaltet die Sammlung u. a. ca. 730 gedruckte Bücher aus der Zeit vor 1900, davon 26 aus dem 16. Jahrhunder­t“, schreiben die Ausstellun­gsautoren. Seit 2021 lagern diese Schätze nun in den Magazinen der Nationalbi­bliothek. Aber was kann dieser riesige Bestand verraten? Genau das war der Auftrag an den Ausstellun­gsmacher Pit Peporté und den Autoren Thomas Falmagne. Sie starteten bereits 2021 mit den Vorbereitu­ngen für „Ars Heraldica“: „Es ging einerseits darum, die Heraldik allgemein zugänglich zu erklären und dabei die Sammlung Loutsch in ihrer Vielfältig­keit und möglichen Fragestell­ungen in den Blick zu rücken“, beschreibt Peporté den Auftrag.

Loutsch selbst bot die Heraldik – so betont der 80-seitige Katalog zur Schau „tiefe Einblicke in diverse Wissensgeb­iete wie etwa politische, Kunst- und Sozialgesc­hichte sowie Genealogie. Er gehörte auch zu den wenigen Heraldiker­n, die Wappen selbst von Hand zeichneten.“

Schon bei der Vernissage am Samstag, dem 13. April zeigte sich das große Interesse an diesem Erbe Loutschs. Das kommt nicht von ungefähr. Mit seinem „Armorial du Pays de Luxembourg“– „ein Wappenbuch aller Personen- und Familienwa­ppen, die in Verbindung mit der Geschichte Luxemburgs stehen“– hatte er 1974 Maßstäbe gesetzt; und sich damit national, wie internatio­nal in Fachkreise­n einen Namen gemacht. So wollten 261 Personen beim ersten Blick auf die Schau dabeisein – „ein Rekord“, so Sven Mühlen vom Kommunikat­ionsteam der Nationalbi­bliothek.

Zeitgemäße Aufarbeitu­ng, zeitgemäße Kunst

Im L-förmigen Schlauch des BNL-Ausstellun­gsbereichs geht es dann auch zuerst in die Loutschen Bibliothek, gefolgt von einem historisch­en Pfad bis zu den Details und Schwierigk­eiten der Wappenkund­e allgemein und der Luxemburge­r Symboliken im Speziellen. Was bedeuten die Farben und Symbole? Wie wird ein Wappen

richtig angelegt und beschriebe­n? Warum waren sie überhaupt notwendig? „Wir hätten noch so viele Themenkrei­se mehr anschließe­n können, doch wir mussten uns beschränke­n“, sagt Peporté, der sich unter anderem einen Ausflug zum Beispiel in die

Wappenwelt von Hogwarts hätte vorstellen können, die eng mit der Handlung verbunden ist.

Digitale Komponente­n ergänzen die Schau. Neben Einblicken in die gescannten Raritäten der Sammlung können bisher wappenlose Ausstellun­gsbesucher sich ihr ganz persönlich­es Erkennungs­zeichen gestalten lassen. Auf einem Touchscree­n werden zunächst Fragen eingespiel­t, um die Merkmale. Damit aber nicht genug. Die Künstlerin Catherine Lorent, die heraldisch­e Muster in ihre Kunst einfließen lässt, wurde gebeten, eine besondere zeitgenöss­ische Ergänzung zu formuliere­n – nicht direkt im Ausstellun­gsbereich, sondern im großen Lesesaal wurde ihre Bilderfolg­e besonders hervorgeho­ben.

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Von der Loutschen Bibliothek geht es durch kostbare Bestände der Sammlung in die breite Welt der Wappenkund­e.
 ?? Fotos: Alain Piron ?? Die Schau in der Nationalbi­bliothek zeigt, wie stark die Wappen und ihre Symbole zur Luxemburge­r Identität gehören.
Fotos: Alain Piron Die Schau in der Nationalbi­bliothek zeigt, wie stark die Wappen und ihre Symbole zur Luxemburge­r Identität gehören.
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Überall finden sich nationale Symbole – inspiriert von den historisch­en und aktuellen Wappen.
 ?? ?? Andrang in der Nationalbi­bliothek: Über 250 Gäste wollten bei der Ausstellun­gseröffnun­g dabei sein.
Andrang in der Nationalbi­bliothek: Über 250 Gäste wollten bei der Ausstellun­gseröffnun­g dabei sein.
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Mehr Bilder auf www.wort.lu

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