Die geheimnisvolle Welt der Wappen
Die Schau „Ars Heraldica“um die Wappenkunst ist in der Nationalbibliothek ein Augenöffner zu Symbolen, die alltäglich scheinen und doch Geheimnisse bergen
Luc Frieden muss sich wappnen. Es könnte jederzeit sein, dass die staatliche Heraldik-Kommission bei ihm auf der Matte steht. Das „Loi du 23 juin 1972 sur les emblèmes nationaux“gibt ihr das Recht dazu. Nein, der Staatsminister hat nicht selbst gegen das Gesetz verstoßen.
Aber die Wächter in Sachen nationale Embleme, Wappen, Flaggen und Co. können sich durchaus mit einem Avis an den Premier richten, um Missbrauch oder Folgen von Veränderungen an nationalen Symbolen zu melden – und ihn so zum Handeln zu bewegen. Erfahrungswerte, wie hitzig so eine Debatte werden kann, gibt es seit dem berühmten Flaggenstreit um den Vorschlag von Michel Wolter aus dem Jahr 2006 noch aus der jüngeren Geschichte.
Warum Heraldik überhaupt so eine Wichtigkeit hat, unterstreichen nicht nur die Trägerinnen und Träger eines Wappens. Wie die gerade eröffnete Ausstellung „Ars Heraldica“in der Nationalbibliothek zeigt, schaffen Wappen Identitäten und besondere Zugehörigkeitsgefühle – und das seit über acht Jahrhunderten. Bei der großherzoglichen Familie scheint so ein Wappen selbstverständlich und bei kirchlichen Würdenträgern natürlich; aber auch Sportvereine, Brauereien, Handwerksbetriebe, staatliche Behörden, Gemeinden oder Menschen, die eine besondere Würde und Traditionsbewusstsein ausstrahlen wollen, tragen Wappen oder zumindest daran erinnernde Symbole oder Farben.
Und Veränderungen daran werden in Luxemburg auch ganz aktuell immer wieder in den Blick genommen – nicht nur von der staatlichen Kommission: Die Fußballnationalmannschaft bekommt einen neuen Löwen aufs Trikot. Oder auf ganz anderer Ebene: „Une commune fusionnée peut, soit créer de nouvelles armoiries, soit garder les armoiries existantes des anciennes communes. En cas de création de nouvelles armoiries, les responsables communaux doivent s’adresser à la commission héraldique de l’Etat, instituée auprès du ministère d’Etat, qui doit agréer et enregistrer les nouvelles armoiries.“So steht es auf den Regierungswebseiten zum Prozess der Gemeindefusionen.
Im Prinzip kann sich jedermann ein Wappen gestalten lassen. Wer aber wirklich etwas auf sich hält, beauftragt damit einen fachkundigen Spezialisten – einen Heraldiker. Heraldik ist heute noch eine Disziplin der historischen Wissenschaften; und für einige ein echtes Hobby, das mit seiner Vielfalt überrascht; wenn man sich davon begeistern lässt.
Und einer, der sich in Luxemburg besonders hervortat, war der Augenarzt Dr. Jean-Claude Loutsch. Seine Passion für die Heraldik nahm einen besonderen Stellenwert ein. 2002 verstarb Loutsch. Seine Frau, Josannette Loutsch-Weydert, gründete 2019 besonders in seinem Angedenken nicht nur eine eigene Stiftung rund um die Kulturförderung und kulturelle Zugänglichkeit für alle, sondern schenkte der Nationalbibliothek die wertvolle Bibliothek und Dokumentensammlung ihres Mannes.
„Dr. Loutsch baute eine beeindruckende Spezialbibliothek auf: Von den insgesamt etwa 15.000 Büchern beschäftigen sich ungefähr 2.700 mit Wappen und Wappenkunde. Herzstück sind 44 überwiegend vor 1800 entstandene Handschriften, von denen etwa die Hälfte in der Schau ausgestellt ist. Des Weiteren beinhaltet die Sammlung u. a. ca. 730 gedruckte Bücher aus der Zeit vor 1900, davon 26 aus dem 16. Jahrhundert“, schreiben die Ausstellungsautoren. Seit 2021 lagern diese Schätze nun in den Magazinen der Nationalbibliothek. Aber was kann dieser riesige Bestand verraten? Genau das war der Auftrag an den Ausstellungsmacher Pit Peporté und den Autoren Thomas Falmagne. Sie starteten bereits 2021 mit den Vorbereitungen für „Ars Heraldica“: „Es ging einerseits darum, die Heraldik allgemein zugänglich zu erklären und dabei die Sammlung Loutsch in ihrer Vielfältigkeit und möglichen Fragestellungen in den Blick zu rücken“, beschreibt Peporté den Auftrag.
Loutsch selbst bot die Heraldik – so betont der 80-seitige Katalog zur Schau „tiefe Einblicke in diverse Wissensgebiete wie etwa politische, Kunst- und Sozialgeschichte sowie Genealogie. Er gehörte auch zu den wenigen Heraldikern, die Wappen selbst von Hand zeichneten.“
Schon bei der Vernissage am Samstag, dem 13. April zeigte sich das große Interesse an diesem Erbe Loutschs. Das kommt nicht von ungefähr. Mit seinem „Armorial du Pays de Luxembourg“– „ein Wappenbuch aller Personen- und Familienwappen, die in Verbindung mit der Geschichte Luxemburgs stehen“– hatte er 1974 Maßstäbe gesetzt; und sich damit national, wie international in Fachkreisen einen Namen gemacht. So wollten 261 Personen beim ersten Blick auf die Schau dabeisein – „ein Rekord“, so Sven Mühlen vom Kommunikationsteam der Nationalbibliothek.
Zeitgemäße Aufarbeitung, zeitgemäße Kunst
Im L-förmigen Schlauch des BNL-Ausstellungsbereichs geht es dann auch zuerst in die Loutschen Bibliothek, gefolgt von einem historischen Pfad bis zu den Details und Schwierigkeiten der Wappenkunde allgemein und der Luxemburger Symboliken im Speziellen. Was bedeuten die Farben und Symbole? Wie wird ein Wappen
richtig angelegt und beschrieben? Warum waren sie überhaupt notwendig? „Wir hätten noch so viele Themenkreise mehr anschließen können, doch wir mussten uns beschränken“, sagt Peporté, der sich unter anderem einen Ausflug zum Beispiel in die
Wappenwelt von Hogwarts hätte vorstellen können, die eng mit der Handlung verbunden ist.
Digitale Komponenten ergänzen die Schau. Neben Einblicken in die gescannten Raritäten der Sammlung können bisher wappenlose Ausstellungsbesucher sich ihr ganz persönliches Erkennungszeichen gestalten lassen. Auf einem Touchscreen werden zunächst Fragen eingespielt, um die Merkmale. Damit aber nicht genug. Die Künstlerin Catherine Lorent, die heraldische Muster in ihre Kunst einfließen lässt, wurde gebeten, eine besondere zeitgenössische Ergänzung zu formulieren – nicht direkt im Ausstellungsbereich, sondern im großen Lesesaal wurde ihre Bilderfolge besonders hervorgehoben.