Luxemburg bekommt das Artensterben nicht in den Griff
Die Regierung nimmt die Biodiversitätskrise nicht ernst genug, kritisiert der Mouvement écologique
Im Naturgebiet Zéiwelt in Bartringen stand einmal vor 40 Jahren ein Fichtenwald. Davor existierte dort aber erstmal eine Feuchtwiese – ein Biotop, das in Luxemburg heute zu 70 Prozent verschwunden ist. Das liegt unter anderem an der intensiven landwirtschaftlichen Bewirtschaftung der Böden, die zur Trockenlegung dieser Gebiete geführt hat. So auch die Feuchtwiese in Zéiwelt, die irgendwann in den 1950er Jahren trockengelegt wurde. Dort pflanzte man einen Fichtenwald.
Der wurde in den 1990er Jahren vom Naturschutzsyndikat wiederum entforstet – denn in Luxemburg fehlt es massiv an Offenlandbiotopen. Heute ist die Sumpfdotterblumenwiese in Bartringen mit ihrem lehmigen Boden, ihrem von der Feuchtigkeit dunkelgrünen Gras und ihrem Weiher, wo sich auch der europäische Laubfrosch eingenistet hat, ein fester Bestandteil des Naturschutzgebietes – und trägt zum Erhalt der Biodiversität Luxemburgs bei. Eine solche Renaturierungsaktion ist heute in der Form nicht mehr möglich, erklärt Claire Wolff, Verantwortliche für Biodiversitätsfragen beim Mouverment écologique. Sie führte am Donnerstag eine Gruppe Journalisten durch das Naturgebiet.
1,7 Millionen Bäume pflanzen – aber wo?
„Im Waldgesetz steht, dass kein Wald über 25 Ar ohne Kompensierung abgeholzt werden kann“, erklärt Wolff. Um eine Feuchtwiese wiederherzustellen, müssten also auf einem anderen Offenlandbiotop wiederum Bäume gepflanzt werden. „Wenn man aber die Zerstörung eines Biotops rückgängig machen will, darf man es nicht gegen ein anderes ausspielen“, so Wolff weiter. Dabei sieht der Nationale Naturschutzplan vor, dass 1,7 Millionen Bäume neu gepflanzt werden sollen.
Eine sinnvolle Maßnahme, wenn diese Bäume in den Ortschaften gepflanzt werden, um diese im Sommer abzukühlen. Doch in den Ortschaften gibt es gar nicht so viel Platz für eine solche Anzahl an Bäumen. Das führt zu einem weiteren Problem. Denn die Anpflanzung von Gehölzen in den falschen Gebieten kann wiederum zu Artenverlust führen.
Doch selbst, wenn das Umweltministerium eine Änderung des Waldgesetzes vornehmen würde: Dem Naturschutz fehlt es in Luxemburg an allen Ecken und Enden an Personal, bemängelt der Mouvement écologique. Projektentwickler und Verhandler werden für Renaturierungsprojekte verzweifelt gebraucht.
Auch der Naturschutz leidet unter dem Behördendschungel
Die Frage ist nun: Was macht Luxemburg gegen den Verlust der Biodiversität hierzulande? Zu wenig, meint zumindest der Mouvement écologique. Und das, obwohl die Lage ernst ist: Zwei Drittel aller natürlichen Lebensräume in Luxemburg befinden sich in einem ungünstigen oder schlechten Zustand. Bei 80 Prozent der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten wird der Erhaltungszustand als prekär bewertet. Zu einem großen Teil gibt der Mouveco der intensiven Landwirtschaft die Schuld. Denn durch eine unangepasste landwirtschaftliche Nutzung der Böden wurden Flachlandmähwiesen in Luxemburg zu 95 Prozent zerstört. Zwischen 2017 und 2021 sind acht Quadratkilometer dieses Habitats verschwunden.
Zudem hätte der Nationale Aktionsplan zur Reduzierung von Pestiziden dazu führen sollen, dass eben jene Pestizide bis 2025 um 50 Prozent weniger zum Einsatz kommen. Resultate der jährlichen Rückstandanalysen im Pollen zeigen allerdings, dass zwischen 2018 und 2021 bis zu 56 verschiedene Pestizidrückstände in Luxemburg festgestellt wurden – davon sind 30 Prozent Substanzen, die in der EU nicht zugelassen sind.
Kurz gesagt: „Der Biodiversitätsverlust in Luxemburg ist alarmierend“, so die Präsidentin vom Mouveco, Blanche Weber, gestern. Die Umweltorganisation fordert nun sieben Maßnahmen für eine „erfolgreiche Umsetzung des Nationalen Naturschutzplanes“ein. Darunter: eine bessere Kommunikation zwischen dem Biodiversitätsministerium und den kommunalen Akteuren, ein Erfolgsbarometer für den dritten Nationalen Naturschutzplan
Wenn man aber die Zerstörung eines Biotops rückgängig machen will, darf man es nicht gegen ein anderes ausspielen. Claire Wolff, Mouvement écologique
oder die Erhöhung des Personalschlüssels im Bereich des Naturschutzes. Was die Biodiversitätskrise jedoch allen voran braucht: die Akzeptanz der Menschen für mehr Naturschutz. „Wenn die Menschen keine Erklärung dafür bekommen, warum sie keine Baugenehmigung erhalten haben, ist es klar, dass es keine große Akzeptanz gibt. Es muss mehr kommuniziert werden“, kritisiert Blanche Weber.
Maßnahmen müssten auch Sinn machen, eine Erklärung allein reiche nicht, betont aber Weber weiter. Denn nicht nur Landwirte oder Häuslebauer würden unter Prozeduren zu leiden haben – auch bei Naturschutz- und Wassergenehmigungen gibt es Probleme. Ein Beispiel: Für fast alle Renaturierungsmaßnahmen ist eine Naturschutz- und oft auch eine Wassergenehmigung notwendig. Manche Maßnahmen benötigen aber zudem eine zweite Erlaubnis. Und das, obwohl der Managementplan für ein Natura2000Schutzgebiet bereits vom Minister genehmigt wurde.