Das Kinderheim sollte der letzte Ausweg sein
Derzeit gibt es 475 Pflegefamilien im Land. Dies ist zu wenig, um alle Kinder und Jugendlichen aufzunehmen, die nicht in ihrer leiblichen Familie leben können
„Wir brauchen doppelt so viele Pflegefamilien“, sagte Mireille Molitor, Präsidentin der FleegeElteren Lëtzebuerg a.s.b.l., in einem Interview mit dem „Luxemburger Wort“im vergangenen Oktober. „Was das klassische Modell der Pflegefamilie angeht, stehen wir im europäischen Vergleich sehr schlecht da“, hatte einige Monate zuvor auch die damalige linke Abgeordnete Nathalie Oberweis in einer Aktualitätsstunde in der Chamber festgestellt. Tatsächlich sind laut Office national de l’enfance (ONE) rund 60 Prozent der Kinder und jungen Erwachsenen, die nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können, in Heimen untergebracht und nur 40 Prozent in Pflegefamilien, was aus kinderrechtlicher Sicht zu bevorzugen wäre.
In Luxemburg gibt es derzeit 475 Pflegefamilien. Dies geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der beiden Piraten-Abgeordneten Sven Clement und Ben Polidori hervor. Obwohl die Zahl der Pflegefamilien seit 2014 stark angestiegen ist (damals waren es 196), überwiegt weiterhin die Unterbringung in Heimen.
Nach den letzten Angaben des ONE vom Oktober 2023 sind 1.461 Kinder und junge Erwachsene außerhalb ihrer leiblichen Familie untergebracht, davon 585 in Pflegefamilien. In 478 Fällen wurde die Unterbringung gerichtlich angeordnet, in 107 Fällen erfolgte sie freiwillig. 876 Kinder sind in Heimen untergebracht, davon in 535 Fällen gerichtlich angeordnet und in 341 Fällen freiwillig.
Keine Gleichstellung mit Adoptiveltern
Eine Gleichstellung der Pflegeeltern mit den Adoptiveltern könne die Situation verbessern, wurde in der Vergangenheit von verschiedenen Seiten vorgeschlagen. Konkret würde dies bedeuten, dass auch Pflegeeltern Anspruch auf Congé d’accueil und Congé parental hätten. Dagegen sprechen sich die Minister Elisabeth Margue (Justiz), Claude Meisch (Erziehung) und Max Hahn (Familie) aber in ihrer gemeinsamen Antwort aus, dies mit der Begründung, dass es sich bei der Unterbringung um eine zeitlich begrenzte Maßnahme handele, deren Dauer man am Anfang nicht bestimmen könne: „Am Géigesaz zu enger Adoptioun soll d’Zil vun engem Placement ëmmer de Retour bei d’biologesch Famill sinn, wann dëst dem Intérêt supérieur vum Kand gerecht gëtt“.
Unterdessen werden keine Statistiken über die Dauer der Unterbringung geführt, aber sie sei immer das letzte Mittel, wenn sich andere Maßnahmen als ungeeignet oder unangemessen erwiesen hätten. Außerdem würden sie regelmäßig neu überprüft. Bei der provisorischen Unterbringung würden die Justizbehörden darauf achten, dass spätestens nach einem Jahr eine andere Maßnahme getroffen werde.
Mehr Anreize für Pflegefamilien
Um dem Mangel an Pflegefamilien entgegenzuwirken, wird mit dem „Projet de loi 7994 portant aide, soutien et protection aux mineurs, aux jeunes et aux familles“aber beabsichtigt, den „Accueil en famille“zu reformieren und langfristig zu fördern. Der Gesetzesentwurf sieht vor, den Pflegefamilien die Wahl zwischen drei rechtlich klar definierten Statuten zu geben: „de fräiwëllege Statut, e spezielle Statut, falls d’Aktivitéit vun engem noe Familljemember ausgeüübt gëtt, an de Statut vun engem Independant.“
Geplant ist auch die Einrichtung einer „Maison de l’Accueil“, in der Schulungen und Vorbereitungen auf die Tätigkeit angeboten werden. „Déi zukünfteg Maison de l’Accueil soll ganz spezifesch um Niveau vun der Promotioun an dem Recrutement vun de Fleegefamilljen agéieren“, heißt es in der Antwort.