Streit zwischen Macron und Frieden mündet in Spiel auf Zeit
Die von der luxemburgischen Regierung bekämpften Stärkung der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA muss erst einmal studiert werden, so der EU-Gipfel
EU-Ratschef Charles Michel hatte es richtig vorhergesagt: Es gab beim EU-Gipfel am Donnerstag „sehr schwierige Diskussionen“über den Weg, den die Europäische Union gehen soll, um ihre Kapitalmärkte zu integrieren und um Unternehmen den Zugang zu Finanzierungsquellen zu vereinfachen. Luxemburgs Premier Luc Frieden (CSV) sprach nach stundenlangen Verhandlungen in Brüssel von einem „intensiven“und „harten“Treffen.
Einige große Länder, allen voran Frankreich, waren am Donnerstag der Meinung, dass die Schaffung einer Kapitalmarktunion nicht ohne eine Stärkung zentraler gesamteuropäischer Kontrollorgane möglich sei. Wesentlich war dabei aus französischer Sicht die Rolle der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) mit Sitz in Paris. Diese müsste nach und nach Aufgabenbereiche der nationalen Finanzaufsichtsbehörden, wie etwa der luxemburgischen CSSF, übernehmen.
Klein gegen Groß
Doch dagegen wehrten sich eine Gruppe kleinerer Staaten wie Luxemburg, Irland, Zypern, Tschechien oder den Ländern aus dem Baltikum. Sie argumentierten, dass ein einheitliches Regelwerk keine mächtige zentrale Aufsichtsbehörde benötige, sondern eher kohärente Regeln, die dann effizienter auf nationaler Ebene kontrolliert werden können. „Das derzeitige System funktioniert“, so Frieden. „Warum sollte man dann alles über Bord werfen?“
Aus – unter anderem – luxemburgischer Sicht, verdächtigt man Frankreich dabei, Profit aus der Debatte rund um die Vertiefung des europäischen Binnenmarkts ziehen zu wollen. Die Integration der Kapitalmärkte auf EU-Ebene befürwortete Luxemburgs Premier Luc Frieden (CSV) nämlich in Brüssel. Sie sei wichtig für die luxemburgische Fondsindustrie, so Frieden nach dem Gipfel, der sich als „Verfechter der Idee“bezeichnete. „Wir sind für eine Union der Ersparnisse und Investitionen – das ist gut für das Luxemburger Land und den Finanzplatz“.
Allerdings denkt Frieden, dass dies auch ohne weitere Zentralisierung der Aufsicht auf EU-Ebene möglich sei. „Wir müssen eine Überregulierung und Überzentralisierung verhindern“, so der Premier in Brüssel, um „Betrieben und Bürgern Kosten zu ersparen“. „Es bringt (dabei) nichts, irgendeine europäische Organisation zu schaffen – auch wenn einige Staaten dies als einzige Lösung sehen“.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, so denken einige in Luxemburg, wolle nämlich die in Paris ansässige ESMA stärken, nur um dem dortigen Finanzplatz einen plötzlichen Schub zu verschaffen. Ein Teil der Fondsindustrie, so
: Wir müssen eine Überregulierung und Überzentralisierung verhindern. Luc Frieden (CSV), Luxemburgs Premier
die Befürchtung, wurde dem neuen, ausschlaggebenden Regulator folgen und demnach nach Paris abwandern.
Nun wird alles erst einmal „studiert“
Doch darum muss sich Luc Frieden erst einmal keine Gedanken mehr machen. Zusammen mit ungefähr zehn anderen Regierungschefs schaffte es Luc Frieden beim EU-Gipfel den französischen Zentralisierungsdrang etwas auszubremsen. Die Erklärung des Treffens der 27 EUStaats- und Regierungschefs hält nämlich fest, dass erst einmal nichts passieren soll. Die EU-Kommission wird nämlich darin aufgefordert, die „Bedingungen zu bewerten, die es den Europäischen Aufsichtsbehörden ermöglichen, die systemrelevantesten grenzüberschreitenden Kapital- und Finanzmarktakteure wirksam zu beaufsichtigen“. Parallel soll auch an diesen Bedingungen „gearbeitet“werden. Dabei sollen „die Interessen aller Mitgliedstaaten berücksichtigt werden“.
Die etwas mühsame Kompromissformulierung resümierte Luc Frieden nach dem Treffen wie folgt: Die EU-Kommission werde erst einmal „studieren und evaluieren, was die bestehenden Institutionen bringen“. Und dann erörtern, „was der beste Weg ist, um unsere Ziele zu erreichen.“Für den luxemburgischen Premier steht allerdings schon fest: „Die Zusammenarbeit zwischen EU und nationalen Behörden funktioniert jetzt gut“.
Für Emmanuel Macron ist das letzte Wort diesbezüglich allerdings noch nicht gesprochen: „Heute haben wir eine Methode, Grundsätze und einen Zeitplan verabschiedet, im Juni werden wir auf das Thema zurückkommen“, sagte er nach dem Treffen.