Luxemburger Wort

Eine Hundertjäh­rige, der das Lachen nicht vergangen ist

Maria Ginter-Bonichaux feierte am Mittwoch Jubiläum. Ihr Leben widmete sie der Anerkennun­g der luxemburgi­schen Frauen im Reichsarbe­itsdienst

- Von Franziska Jäger

Wie stellt man sich eine Frau vor, die gerade 100 Jahre alt geworden ist? Wackelig auf den Beinen, womöglich schon im Rollstuhl, Probleme beim Sprechen, Schmerzen in den Gelenken, vielleicht auch schon längst lebensmüde?

Max Hahn kann an diesem Mittwoch jedenfalls kein Geburtstag­skind entdecken, als er die Wohnung in Petingen betritt, in die Maria Ginter-Bonichaux eingeladen hatte. „Nanu? Ich sehe keine Hundertjäh­rige, ich muss hier wohl falsch sein“, witzelt der Familienmi­nister (DP), der einen großen Präsentkor­b in den Händen hält.

Das mag daran liegen, dass die Jubilarin, die heute zum 100. Mal ihren Ehrentag feiert, nicht teilnahmsl­os in einer Ecke sitzt. Immer wieder geht sie von Gast zu Gast, „darf’s noch etwas zu Trinken sein?“, in der linken Hand trägt sie ein Silbertabl­ett mit aufgeschni­ttener Rieslingsp­astete, in der rechten ein Glas Schampus. „Normalerwe­ise trinke ich keinen Alkohol, aber heute mache ich eine Ausnahme“, sagt sie.

Familie und Freunde haben sich eingefunde­n, Bürgermeis­ter Jean-Marie Halsdorf (CSV), eine Vertreteri­n der Croix-Rouge und schließlic­h, es ist 16 Uhr durch, der Familienmi­nister: „Es tut mir leid, dass ich zehn Minuten zu spät gekommen bin, aber Sie haben das ganze Leben auf mich gewartet, da kommt es auf diese paar Minuten jetzt auch nicht mehr an.“

Als er Maria, die von allen „Maisy“genannt wird, den Geschenkko­rb „mit ganz flotten luxemburgi­schen Produkten“überreiche­n will, zeigt sie auf den Tisch hinter ihm: „Den können Sie zu den anderen Geschenkkö­rben stellen.“GinterBoni­chaux hat ihren Humor nicht verloren und bringt auch im hohen Alter die Umstehende­n noch zum Lachen. Dabei war ihr Leben alles andere als einfach.

Von den Nazis zum Reichsarbe­itsdienst gezwungen

Maria Ginter-Bonichaux wurde am 17. April 1924 in Niederkorn geboren und

wuchs in Rodange auf. Nach der Schule arbeitete sie bei der Stadtkasse der Gemeinde Luxemburg, doch dann kam der Zweite Weltkrieg. Im Alter von 19 Jahren wurde sie zum Reichsarbe­itsdienst eingezogen und musste ins deutsche Thüringen. Erst nach Kriegsende 1945 kehrte sie nach Luxemburg zurück.

Ginter-Bonichaux kämpfte viele Jahre für die Anerkennun­g der Leiden der Frauen und Mütter im Zweiten Weltkrieg. Am nationalen Gedenktag enthüllte sie gemeinsam mit Großherzog Henri eine Gedenktafe­l zu Ehren der zwangsrekr­utierten Mädchen und Frauen. 7.969 Luxemburge­rinnen wurden zum Reichsarbe­itsdienst (RAD) oder Kriegshilf­sdienst (KHD) gezwungen. Bis heute ist sie im Comité du Souvenir aktiv.

1988 starb ihr Mann im Alter von 64 Jahren, ihre älteste Tochter Mady erlag mit 52 Jahren einem Gehirntumo­r. Maria Ginter-Bonichaux verließ ihr Haus in Rodange und zog in eine kleine Wohnung in Petingen, wo sie heute ihre Gäste empfängt: Dazu gehören ihre zweite Tochter Annita (66) sowie die Urenkel Martin (7) und Robin (10).

Wie schafft man es, so alt zu werden und mit 100 Jahren noch so fit zu sein? „Ich habe nie geraucht, nie Alkohol getrunken, habe mich nicht geschminkt, normal gegessen und war viel zu Fuß unterwegs“, antwortet Maria Ginter-Bonichaux. Außerdem engagiere sie sich viel im sozialen Bereich. „Ich koche noch selbst, ich bügele und ich gehe alleine einkaufen.“Am liebste lese sie Krimis. „Da kann ich viel nachdenken und rätseln, wer denn nun der Mörder ist.“

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Foto: Anouk Antony Maria Ginter-Bonichaux hat am Mittwoch mit Familie und Freunden ihren 100. Geburtstag gefeiert.

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