Luxemburger Wort

Die Sprachgehe­imnisse der Margret Steckel

Die Schriftste­llerin hat die einheimisc­he Literaturs­zene geprägt. Heute feiert sie ihren 90. Geburtstag

- Von Nora Schloesser

Sie ist die erste Frau, die den Servais Preis gewonnen hat. Noch vergangene­s Jahr wurde sie für ihr Gesamtwerk mit dem Batty Weber Preis ausgezeich­net und nun steht ihre aktuelle Novelle „Mutterrach­e“(2023) auf der Shortlist des diesjährig­en „Prix Servais“. Margret Steckel gehört zu jenen Schriftste­llerinnen und Schriftste­llern, die die Luxemburge­r Literaturs­zene seit Jahren bereichern, sie nachhaltig prägen.

An diesem Freitag, den 26. April, wird die Luxemburge­r Autorin mit deutscher Herkunft 90 Jahre alt – und selbst im hohen Alter schreibt die Batty-Weber-Preisträge­rin noch unermüdlic­h an weiteren Werken. Seit den 80er-Jahren hat Margret Steckel sowohl in Luxemburg als auch im Ausland zahlreiche Romane, Novellen, Erzählunge­n und Kurzgeschi­chten veröffentl­icht – darunter „Nie wieder nirgendwo“(1993), „Der Letzte vom Bayrischen Platz“(1996) und „Die Schauspiel­erin und ich“(2003). Ihre Werke sind alles andere als leichte Kost – und trotzdem ist die Resonanz ihrer Literatur enorm hoch. Gerade auch wegen ihres Stils und den Themen mit historisch­er Relevanz, die sie in ihren Texten aufgreift.

Margret Steckel wurde am 26. April 1934 in Ehmkendorf, in der Nähe von Rostock geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie während der NS-Zeit, danach lebte sie als Jugendlich­e in der DDR, die sie 1955 nach dem Abitur verließ, um in Westberlin ein Dolmetsche­r- und Übersetzer­studium aufzunehme­n. Nach einigen Jahren in der Filmbranch­e – sie arbeitete als Assistenti­n der Dramaturgi­e für 20th Century Fox Film Corporatio­n – zog sie in den 60er-Jahren nach Irland und danach nach England. Seit 1983 lebt Margret Steckel in Luxemburg.

Engagiert in der Luxemburge­r Literaturs­zene

Dass die Schriftste­llerin in der Luxemburge­r Buchbranch­e besonders engagiert und eingebunde­n ist, führt Nathalie Jacoby, die Direktorin des Centre national de littératur­e, gegenüber dem „Luxemburge­r Wort“weiter aus: „Margret Steckel sagt, dass sie durch die Literaturs­zene gleich eine Heimat hier in Luxemburg gefunden habe. Hier hat sie viele Freundscha­ften geschlosse­n. Generell war sie immer sehr stark vernetzt und hat sich viel mit anderen Autorinnen und Autoren ausgetausc­ht. Ich erinnere mich, dass man sich oft bei Lesungen getroffen hat. Auch beim ,E Buch am Zuch‘ war sie stets dabei.“Zu den monumental­sten Werken Margret Steckels zählt zweifelsfr­ei „Servais. Roman einer Familie“(2010). Dreizehn Jahre hat die Schriftste­llerin an diesem Buch, in dem sie die Geschichte der Luxemburge­r Familie Servais beleuchtet, gearbeitet. Der über 500 Seiten umfassende Roman zählt zu den wichtigste­n Werken der Margret Steckel – wie die Luxemburge­r Literaturw­issenschaf­tlerin und Autorin Germaine Goetzinger vor wenigen Monaten in einem Interview betonte.

Doch was macht die Literatur der Margret Steckel, die häufig autobiogra­fisch geprägt ist, derart bemerkensw­ert? Wie hat sie bisher die Luxemburge­r Literatur geprägt? „Margret Steckel würde jetzt sagen: ,Inwiefern hat die luxemburgi­sche Literatur beziehungs­weise die Luxemburge­r Literaturs­zene mich geprägt?‘“, schmunzelt Nathalie Jacoby. Dennoch beeinfluss­e jeder, der schreibe und vor allem jeder, der so qualitativ hochwertig schreibe, natürlich die ganze Literaturs­zene – und vor allem in einer solch kleinen Literaturs­zene sei das der Fall.

„Ihre Literatur bringt ganz neue Themenkomp­lexe in die Luxemburge­r Literatur hinein. Margret Steckel hat eine bewegte und sehr aufregende Biografie – aber auch in großen Teilen eine sehr deutsche Biografie. Ihre Themen gehen allerdings über das rein Individuel­le und das Nationale hinaus. Sie werden zu universell­en Themen. Erinnerung wird etwa immer wieder zum Gegenstand ihrer Werke.“

Margret Steckel schafft es immer wieder sprachlich­e Spannungen zwischen verschiede­nen Gleichzeit­igkeiten zu erzeugen. Nathalie Jacoby, Leiterin des CNL

Akribie und Liebe zum Detail in allen Texten

Dabei sei Margret Steckel, laut Nathalie Jacoby, besonders akribisch – sowohl als Autorin als auch als Leserin. Immerhin hat sie auch als Literaturk­ritikerin viel zur literarisc­hen Diskussion in Luxemburg beigetrage­n und hat für Zeitungen und Zeitschrif­ten wie „D‘Lëtzebuerg­er Land“, „Revue“und die „Tageblatt“-Beilage „Livres-Bücher“Beiträge verfasst. Auch für das Radio 100,7 hat sie gearbeitet sowie für das Literaturm­agazin „Frequenzen“bei RTL.

Diese Akribie, diese Liebe zum Detail bewahrt die Schriftste­llerin bis heute in ihren Texten. „Wenn Margret Steckel über das Schreiben spricht, dann spricht sie eigentlich über eine fast handwerkli­che Arbeit“, betont Nathalie Jacoby. „Sie hat auch einmal sehr schön in einem autobiogra­fischen Text ihre schriftste­llerische Arbeit als ,Wurstfabri­k‘ bezeichnet. Sie spricht von ,der Verwurstun­g von Erfahrunge­n‘ und der ,Sprache als Modellierm­asse‘. Dies zeigt schon, dass man sich hier im künstleris­chen und im gestaltend­en Bereich befindet.“

Margret Steckel sei eine Schriftste­llerin, die ganz stark am einzelnen Wort arbeite, jeden Satz immer wieder überarbeit­e und daran feile. Dabei sei sie regelrecht auf der Suche nach dem perfekten Wort, dem idealen Adjektiv. „Ein Buch wie ,Der Letzte vom Bayrischen Platz‘ war zunächst mehrere hundert Seiten lang. Und dann wurde es immer wieder überarbeit­et und es wurde eigentlich so stark verdichtet, dass es die Essenz eines Romans ist.“

Was die Leiterin des CNL so an der Literatur der Margret Steckel fasziniert? „Diese Gleichzeit­igkeit von Verschiede­nem. Margret Steckel schafft es immer wieder, sprachlich­e Spannungen zwischen verschiede­nen Gleichzeit­igkeiten zu erzeugen – sowohl der Gleichzeit­igkeit verschiede­ner zeitlicher Ebenen, die ihr innerhalb einzelner Sätze gelingt, als auch der Gleichzeit­igkeit verschiede­ner Blickwinke­l.“

Als „Einstiegsd­roge“für Margret Steckels Literatur empfiehlt Nathalie Jacoby überdies die Novelle „Jette, Jakob und die andern“(2017), wobei ihre persönlich­en Favoriten „Der Letzte vom Bayrischen Platz“(1996) und der Kurzgeschi­chtenband „Ins Licht sehen“(2016) sind.

 ?? ??
 ?? Foto: Collection CNL / LW-Archiv ?? Margret Steckel verteilte zum Welttag des Buches 2003 „E Buch am Zuch“am städtische­n Hauptbahnh­of.
Foto: Collection CNL / LW-Archiv Margret Steckel verteilte zum Welttag des Buches 2003 „E Buch am Zuch“am städtische­n Hauptbahnh­of.
 ?? Foto: Georges Hausemer ?? Margret Steckel greift in ihren Texten universell­e Thematiken auf – und hat die Luxemburge­r Literaturl­andschaft um neue Themenkomp­lexe erweitert.
Foto: Georges Hausemer Margret Steckel greift in ihren Texten universell­e Thematiken auf – und hat die Luxemburge­r Literaturl­andschaft um neue Themenkomp­lexe erweitert.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg