Luxemburger Wort

„Wenn man die eigenen Leute nicht unterstütz­t, dann gehen sie“

40 Jahre nach ihrem großen Auftritt als Moderatori­n des Eurovision Song Contest feiert Luxemburgs Exportschl­ager Désirée Nosbusch ein ESC-Comeback

- Interview: Michael Juchmes

Für Désirée Nosbusch war das Jahr 1984 sicherlich eines der entscheide­ndsten ihrer Karriere: Die damals 19-Jährige moderierte den Eurovision Song Contest im hauptstädt­ischen Grand Théâtre und befeuerte damit nochmals ihre Karriere. Die Redaktion sprach mit der 59-Jährigen, die sich zwecks Dreharbeit­en derzeit im Ausland aufhält, am Telefon über den Moment, der ihr Leben erneut auf den Kopf stellte und die 30 Sekunden, die ihr bleiben, um mit ganz Europa (und Australien) zu kommunizie­ren.

Désirée Nosbusch, Sie haben 1984 mit gerade einmal 19 Jahren den Eurovision Song Contest moderiert. Damals waren Sie schon in Luxemburg und Deutschlan­d ein Star und sind später in Europa durchgesta­rtet. Haben Sie dem ESC einiges zu verdanken?

Ja, absolut. Ich wurde über Nacht internatio­nal bekannt. Und auch national hat sich der Blick auf mich verändert. Ich hatte damals einige Dinge gemacht, die die Presse nicht sonderlich positiv aufgenomme­n hat. Ich war 1984 in New York auf der Schauspiel­schule und wusste nicht recht, wie es mit meiner Karriere weitergeht. Ich saß in meiner kleinen Wohnung, als René Steichen (1935-1994, Regisseur für TV-Produktion­en und Videoclips, Anm. d. Red.) anrief. „Désirée, ich muss den Grand Prix noch einmal machen – und ich mache den nur mit dir.“Ich lehnte zunächst ab, da ich mich von der Moderation verabschie­det hatte, in Richtung Schauspiel gehen wollte und einfach Frieden gefunden hatte. Er gab sich aber mit dieser Antwort nicht zufrieden. „Ach komm, wir beide gegen den Rest der Welt.“Und das hat mich getriggert. Ich wollte ihn nicht im Stich lassen.

Und wie war das Feedback nach der Show?

Ich kam von der Bühne, hatte mich schon umgezogen, ging zu René und fragte: „Und, wie war’s?“Er meinte, noch nichts gehört zu haben, aber er glaubte, es war nicht so schlecht. Dann kam sein Assistent und meinte, dass draußen schon alle auf uns warten. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als wir durch die großen Flügeltüre­n traten und Johnny Logan (der zweimalige ESC-Gewinner war der Komponist des irischen Beitrags, Anm. d. Red.) auf mich zugerannt kam. Hinten sah ich meinen Vater neben Albert von Monaco stehen. Ich blickte zu René und er sagte nur ganz trocken: „Dann kann et net sou schlecht gewiescht sinn, wat mir gemaach hunn.“Und der Rest ist Geschichte. Ich war über Nacht wieder rehabiliti­ert und internatio­nal auf der Fernsehpla­ttform gelandet. Das hatte ich RTL und vor allem René Steichen zu verdanken. Es standen sicherlich andere im Hintergrun­d in den Startlöche­rn, die diesen Job hätten übernehmen können, aber er hat für mich gekämpft.

Wissen Sie noch, ob Sie sich damals akribisch auf den Auftritt vorbereite­t haben?

Mein Ehrgeiz war es, als Erste so zu moderieren, dass nicht immer der gleiche

Satz in mehrere Sprachen übersetzt wird, sondern dass man so wechselt, dass es für alle verständli­ch ist. René Steichen hat damals auch diese Videopostk­arten kreiert, die kleinen Clips zwischen den Auftritten der Künstler, und ich habe moderiert, nicht im langen Kleid übrigens, wie meine Vorgängeri­nnen. Wir haben dadurch den Wettbewerb ein wenig modernisie­rt. Für mich machte es damals keinen Unterschie­d, ob 1.000 oder 500 Millionen Menschen zuschauen. Die Aufregung und der große Wunsch, einer Sache gerecht zu werden und den richtigen Tonfall zu treffen, ist bis heute gleich geblieben. Aber klar: Wenn man irgendwo besonders glänzen will, dann natürlich im eigenen Land.

Luxemburg feiert nun nach 31 Jahren ein Comeback auf der ESC-Bühne. Ist das die richtige Entscheidu­ng?

Ja, klar, ich bin froh, dass wir wieder dabei sind. Natürlich ist ein Grand Prix auch teuer – aber für wie viele andere Sachen wird unmäßig viel Geld ausgegeben. Zudem bin ich der Meinung, dass man Events, die Völker verbinden, Zusammenha­lt pflegen und über Grenzen hinweggehe­n – in einer Zeit, in der eher Grenzen gezogen werden –, unbedingt feiern sollte. Vor allem, weil Musik auch eine Universals­prache ist, die jeder versteht. In Luxemburg hat man schon immer ein vereintes Europa gelebt, lange bevor dieser Begriff groß wurde. Ich kann mich noch genau daran erinnern: Als ich als junges Mädchen nach Deutschlan­d kam, gab es immer diese Diskussion­en um Ausländer. Ich dachte damals nur: Wie schön, dass in Luxemburg schon ein Miteinande­r gelebt wird. Mein Vater ist Luxemburge­r, meine Oma Französin, meine Mutter Italieneri­n.

Ich war über Nacht wieder rehabiliti­ert und internatio­nal auf der Fernsehpla­ttform gelandet. Das hatte ich RTL und vor allem René Steichen zu verdanken.

Bisher lief die luxemburgi­sche Musikszene immer ein wenig unter dem internatio­nalen Radar. Dass soll die ESC-Teilnahme nun ändern …

Dieses Problem haben luxemburgi­sche Künstler im Allgemeine­n. Ich bin daher begeistert von der neuen Generation­en von Schauspiel­ern, die es wagt, in die Welt zu gehen. Das wünsche ich auch der Musikszene, wobei die Unterstütz­ung hierzuland­e etwas zu wünschen übrig lässt. Häufig muss uns jemand im Ausland erst sagen, wie gut wir eigentlich sind, damit man auch hier auf die Künstler aufmerksam wird. Wenn man die eigenen Leute nicht unterstütz­t, ihnen keine Plattform bietet, dann gehen sie … und kommen vielleicht nie wieder.

Tali beschert nun in Malmö der hiesigen Musikszene einen großen Auftritt: Welchen Tipp wollen Sie ihr mit auf den Weg geben?

Ich habe Tali beim Luxembourg Song Contest (Désirée Nosbusch war Teil des Moderation­steams, Anm. d. Red.) hinter den Kulissen kennengele­rnt. Ein wirklich selbstbewu­sstes, tolles Mädchen. Ich wünsche ihr einfach, dass sie sich treu bleibt, dass sie authentisc­h bleibt, denn darauf kommt es schlussend­lich an. Und man

muss sich immer bewusst sein: Es kann nur einer oder eine gewinnen. Gestern habe ich beispielsw­eise eine Absage für ein Casting bekommen, sowas war ich schon fast nicht mehr gewöhnt. Aber wer sich in ein Rennen begibt, muss halt damit rechnen, dass ein anderer siegt. Das ist okay: Dann muss man es mit Liebe loslassen und weiter geht’s!

Sie feiern in diesem Jahr ein kleines ESCComebac­k: Sie verkünden die Punkte von

Jury und Publikum in der Finalshow. Freuen Sie sich darauf?

Ja, das ist ein Kreis, der sich damit schließt. Über die Jahre hinweg haben mir immer wieder einige Länder die Moderation angeboten, etwa für den Vorentsche­id, aber auch eine Rolle als Presenter unter vielen. Diesen Leuten habe ich aber bisher immer eine Absage erteilt: Den Grand Prix gab es einmal für mich, 1984, und das war perfekt. Diese Erinnerung wollte ich nicht trüben. Als man nun wieder auf mich zutrat, musste ich natürlich „ja“sagen. Auch wenn ich nach dem Anruf dachte: „Oh Gott, du hast jetzt zugesagt.“(lacht)

Sie haben am kommenden Samstagabe­nd rund 30 Sekunden Zeit. Was werden Sie sagen?

Darüber habe ich mir noch nicht wirklich Gedanken gemacht. Ich will da recht spontan rangehen, mich vom Gefühl treiben lassen. Es wird aber sicherlich irgendetwa­s im Stil von „Thank you for having us back after 31 years“sein.

Also auf Englisch und nicht auf Französisc­h?

Ich denke schon. Wir Luxemburge­r wollen schließlic­h alle ansprechen – und da passt Englisch doch ganz gut.

Falls Tali gewinnen würde und Luxemburg den ESC ausrichten müsste: Würden Sie in diesem Fall ebenfalls „nein“zu einer Moderation sagen?

Das weiß ich nicht, ich denke aber, dass ich eher jemanden von der jungen Generation dabei unterstütz­en würde und am Ende meiner Karriere meine Erfahrung – falls erwünscht – einbringen würde, also dadurch, dass ich im Hintergrun­d wirke und Ratschläge gebe.

Sie sprechen vom Ende Ihrer Karriere, dabei werden Sie nächstes Jahr erst 60. Da ist noch einiges möglich …

Sie wollen sicher, dass ich sage: Ich bin bis heute die Jüngste, die es je moderiert hat, und dann wäre ich auch die Älteste. (lacht) Das wäre doch eine Schlagzeil­e.

Noch eine allerletzt­e Frage: Welcher ist Ihr allerliebs­ter ESC-Hit?

Das ist jetzt wenig überrasche­nd, da ich ein mega ABBA-Fan bin: Es ist „Waterloo“, der Gewinnerbe­itrag von 1974.

Ich bin der Meinung, dass man Events, die Völker verbinden, Zusammenha­lt pflegen und über Grenzen hinweggehe­n, unbedingt feiern sollte.

 ?? ??
 ?? ?? Nach dem ESC wurde ganz Europa auf Désirée Nosbusch aufmerksam. Hier zu sehen: mit Frank Elstner nur zwei Wochen nach dem ESC in der ZDF-Show „Wetten, dass..?“.
Nach dem ESC wurde ganz Europa auf Désirée Nosbusch aufmerksam. Hier zu sehen: mit Frank Elstner nur zwei Wochen nach dem ESC in der ZDF-Show „Wetten, dass..?“.
 ?? Foto: Xiomara Bender ?? Was Désirée Nosbusch dem europäisch­en TV-Publikum zu sagen hat? Darüber wird sich die Moderatori­n und Schauspiel­erin erst kurz vor dem ESC-Finale Gedanken machen.
Foto: Xiomara Bender Was Désirée Nosbusch dem europäisch­en TV-Publikum zu sagen hat? Darüber wird sich die Moderatori­n und Schauspiel­erin erst kurz vor dem ESC-Finale Gedanken machen.
 ?? Fotos: Getty Images ?? Désirée Nosbusch war 1984 erst 19 Jahre alt, als sie die Moderation des ESC übernahm. Bis heute ist sie der jüngste Presenter, der durch die Show führte.
Fotos: Getty Images Désirée Nosbusch war 1984 erst 19 Jahre alt, als sie die Moderation des ESC übernahm. Bis heute ist sie der jüngste Presenter, der durch die Show führte.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg