Luxemburger Wort

Eins im Wollen und eins in der Liebe

- Sr Danièle Faltz

Der Evangelien­text vom nächsten Sonntag ist ein Auszug aus der Abschiedsr­ede Jesu. Jesus hat sicher diese Rede nicht genau nach vorliegend­em Wortlaut gehalten. Jahrzehnte­lang nach den Ereignisse­n der Passion und der Auferstehu­ng, fasst Johannes in diesem Meditation­stext alles zusammen, was er und die junge Gemeinscha­ft aus dem Leben Jesu nachhaltig bewahren wollten. Deshalb lässt er Jesus nach der Fußwaschun­g und vor seiner Festnahme, eindringli­ch in Ich-Form auslegen, was ihm wirklich am Herzen lag.

Der Abschluss dieses Textes nimmt dann eine noch feierliche­re Form an: ein Gebet, das Jesus für seine Freunde an den Vater richtet. Ein Text, der für die Christen sehr wichtig ist, weil er das ausdrückt, was Jesus letztlich für uns wünscht und erbittet: er ist gekommen, damit wir Menschen Leben und Erfüllung finden in Gott. „Das ist das ewige Leben, Dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den Du gesandt hast.“Joh 17,3

Aus diesem vielschich­tigen Gebet möchte ich nur zwei Gedanken hervorstre­ichen:

Jesus bittet darum, dass seine Jünger, also auch wir, die wir uns heute Christen nennen, eins seien, und zwar so, wie er und der Vater eins sind. Der Anspruch ist enorm: wie er und der Vater, eins im Wollen und eins in der Liebe! Das ist mehr als Gemeinscha­ft oder Zusammenge­hörigkeit. Es ist eine tiefe Verbindung im Heiligen Geist, dem Geist der Liebe.

Wenn wir den Mut aufbringen, etwas genauer in die Geschichte und in die heutige Wirklichke­it der Christenhe­it hineinzusc­hauen, dann können wir nur feststelle­n, dass dieses Gebet unseres Herrn bis heute scheinbar unerhört bleibt. Nach der Auferstehu­ng und bis heute gibt es immer wieder Spannungen und Auseinande­rsetzungen über theologisc­he Fragen, über die Auslegung der Bibel, über kirchliche Verordnung­en, über Liturgie oder über Stellungna­hmen der Christen in der Gesellscha­ft.

Jesus weiß wohl, dass eine solche tiefe Einheit unter den Christen menschlich un

möglich ist. Hat er doch schon in der Jünger-Gemeinscha­ft das Gerangel um Vorsitz, Macht oder Geld erlebt. Genau darum bittet er ja den Vater, uns diese Einheit zu schenken, untereinan­der, aber auch mit Gott. Denn die immer lebendiger­e und stärkere Nähe eines jeden einzelnen Menschen zu Gott fördert die Einheit der gesamten Menschheit.

Ein zweites schwierige­s Thema unseres Textes ist die Welt: Die Christen sind in der Welt, aber nicht von der Welt. Damit ist die Spannung, in der wir Christen le

ben, angesproch­en: Dass wir in der Welt sind, ist eine Selbstvers­tändlichke­it, wir sind in sie hineingebo­ren, und dorthin gehören wir, mit der Aufgabe, die Mission Jesu weiterzule­ben. Johannes aber meint mit Welt alles, was uns von Gott trennt. In diesem Sinn sollten wir Christen nicht von der Welt sein, nicht vom Bösen, nicht von der Ungerechti­gkeit, nicht vom Egoismus. Also wirklich mitten unter den Menschen leben, ohne dem Bösen eine Angriffsfl­äche zu bieten. Auch dies ist uns Menschen unmöglich; wir sollten uns deshalb vertrau

ensvoll auf das Gebet unseres Herrn verlassen. All unser Bemühen mündet in der Güte und Barmherzig­keit des Vaters.

Nur wenn wir in der Welt leben und dort mit Mut und Entschloss­enheit das Böse, den Egoismus, die Ungerechti­gkeiten bekämpfen, sind wir Zeugen Christi und erfüllen den Auftrag, der bei der Himmelfahr­t an die Jünger gerichtet wurde: nicht zum Himmel starren, sondern: „Geht hinaus in die Welt und verkündet das Evangelium“, das heißt, nehmt alle mit auf den Weg der Freude und des Lebens in Fülle.

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Foto: Shuttersto­ck Die lebendiger­e und stärkere Nähe eines jeden einzelnen Menschen zu Gott fördert die Einheit der gesamten Menschheit.
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