Schoigus Abgang und die Rolle von Putins Tochter
Russlands Präsident ersetzt seinen alten Freund als Verteidigungsminister durch einen Regierungstechnokraten. Aber auch der hat eine intime Verbindung zum Staatschef
Er galt als unantastbar, Wladimir Putins Spezi, sein langjähriger Gefährte bei Jagd- und Trekkingtouren durch Sibirien. Aber am Sonntag hat Putin Sergei Schoigu überraschend als Verteidigungsminister abgesetzt. Als Nachfolger schlug der Staatschef Andrej Beloussow vor, zuletzt Vizepremier, zuständig für Wirtschaft und Finanzen. Aber auch Beloussow ist Putin auf intime Weise nahe. Durch dessen jüngere Tochter Katerina.
Kremlnahe Kommentatoren feiern Beloussow als Topökonom, der das unter Schoigu korruptionsumwitterte Verteidigungsministerium ausmisten werde. „Seine Ernennung bedeutet den Start eines umfassenden Audits und einer Perestroika aller Finanzmodelle in der Behörde“, heißt es hoffnungsfroh auf dem Militär-Telegramkanal Rybar.
Dass unter Schoigu Unordnung in den Armeefinanzen herrschte, monierten Nationalpatrioten wie der einsitzende Z-Blogger Igor Strelkow oder der tote Söldnerboss Jewgenij Prigoschin schon vor Jahren. Erst im September war Schoigus Stellvertreter Timur Iwanow verhaftet worden, wegen Korruption im großen Stil.
Aber angesichts der jüngsten Erfolge an der Front galt Schoigu, 68, als ungefährdet. Und wirklich stellt seine Entlassung keinen Sturz dar: Putin ernannte ihn zum Sekretär des Sicherheitsrates, zumindest nominell eine Beförderung. Für Schoigu musste ein anderer Putin-Vertrauter weichen, der professionelle Geheimdienstler Nikolaj Patruschew. Seine künftige Verwendung war am Montag noch ungewiss.
„Schoigu ist natürlich to big to fall“, kommentiert der Exilpolitologe Alexander Baunow. „Er wird jetzt fast so etwas wie der Chef des ,Politbüros’, aber ohne reale Vollmachten und ohne Kasse.“Allerdings behält Schoigu als Sicherheitsrat-Sekretär weiter direkten Zugang zu Putin. Und er bleibt sein Stellvertreter in der Kommission für Kriegsindustrie sowie Kurator des „Dienstes für militärtechnische Zusammenarbeit“. Die Rüstungsexportagentur wurde dafür eigens aus dem Verteidigungsministerium ausgegliedert.
Der „Katerina-Effekt“
Beloussow gehört zu den erfahrensten „Technokraten“der Regierung, war auch schon Wirtschaftsminister und Präsidentenberater. Jetzt soll er Russlands Militärapparat optimieren, laut dem Politologen Ruslan Bortnik sogar zum „Driver“des russischen Wirtschaftswachstum machen.
Beloussow, 65, verknüpft das Image eines „Verstaatlichers“mit dem eines tatkräftigen
Modernisierers. Kremlsprecher Dmitrij Peskow verkündete am Montag, das Verteidigungsministerium müsse „absolut offen für Innovationen und alle fortschrittlichen Ideen werden, für die Schaffung wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit.“
Solche Vokabeln hörte man von Beloussow auch schon vor zwei Jahren, als er während einer Sitzung mit dem Präsidenten ausführlich die Moskauer Firma Innopraktika als Plattform innovativer Startups lobte. Inhaberin ist Putins Tochter Katerina Tichonowa.
„Beloussow bekam wohl von Putin den Auftrag, sich um Katerina und ihre Projekte zu kümmern“, sagt der exilierte Menschenrechtler Wladimir Ossetschkin. „Und als erfahrener Bürokrat hat er dabei eine persönliche Bindung zu Katerina aufgebaut.“Die besitze offenbar mit ihren Ideen starken Einfluss auf den alternden Vater.
Sie nutze das nun, um auf seine Personalpolitik einzuwirken. Laut Ossetschkin arbeitet sie auch mit Blick auf die Zukunft nach Putin daran, Vertraute aus ihrem Umfeld in Schlüsselpositionen zu bringen, nach dem Vorbild der Jelzintochter Tatjana Jumaschewa.
Beloussow selbst redete vor dem Föderationsrat über eine bessere medizinische Versorgung und mehr soziale Privilegien für die Ukraine-Kämpfer, die Korruption im Ministerium ließ er noch unerwähnt. Und es bleibt abzuwarten, wie total er sie ausmerzen wird.
Nicht nur weil Schoigu weiter entscheidende Rüstungsgremien kontrolliert. „Man sollte Putins Technokraten nicht idealisieren“, sagt Ossetschkin. „6 bis 7 Prozent des Etats gehen in die Verteidigung. Das sind riesige Finanzströme.“Bei der Verteilung der Aufträge aus dem Verteidigungsministerium würden demnächst wohl auch Leute mit dabei sein, die in enger Verbindung mit Katerina stünden.