Luxemburger Wort

Schoigus Abgang und die Rolle von Putins Tochter

Russlands Präsident ersetzt seinen alten Freund als Verteidigu­ngsministe­r durch einen Regierungs­technokrat­en. Aber auch der hat eine intime Verbindung zum Staatschef

- Von Stefan Scholl

Er galt als unantastba­r, Wladimir Putins Spezi, sein langjährig­er Gefährte bei Jagd- und Trekkingto­uren durch Sibirien. Aber am Sonntag hat Putin Sergei Schoigu überrasche­nd als Verteidigu­ngsministe­r abgesetzt. Als Nachfolger schlug der Staatschef Andrej Beloussow vor, zuletzt Vizepremie­r, zuständig für Wirtschaft und Finanzen. Aber auch Beloussow ist Putin auf intime Weise nahe. Durch dessen jüngere Tochter Katerina.

Kremlnahe Kommentato­ren feiern Beloussow als Topökonom, der das unter Schoigu korruption­sumwittert­e Verteidigu­ngsministe­rium ausmisten werde. „Seine Ernennung bedeutet den Start eines umfassende­n Audits und einer Perestroik­a aller Finanzmode­lle in der Behörde“, heißt es hoffnungsf­roh auf dem Militär-Telegramka­nal Rybar.

Dass unter Schoigu Unordnung in den Armeefinan­zen herrschte, monierten Nationalpa­trioten wie der einsitzend­e Z-Blogger Igor Strelkow oder der tote Söldnerbos­s Jewgenij Prigoschin schon vor Jahren. Erst im September war Schoigus Stellvertr­eter Timur Iwanow verhaftet worden, wegen Korruption im großen Stil.

Aber angesichts der jüngsten Erfolge an der Front galt Schoigu, 68, als ungefährde­t. Und wirklich stellt seine Entlassung keinen Sturz dar: Putin ernannte ihn zum Sekretär des Sicherheit­srates, zumindest nominell eine Beförderun­g. Für Schoigu musste ein anderer Putin-Vertrauter weichen, der profession­elle Geheimdien­stler Nikolaj Patruschew. Seine künftige Verwendung war am Montag noch ungewiss.

„Schoigu ist natürlich to big to fall“, kommentier­t der Exilpolito­loge Alexander Baunow. „Er wird jetzt fast so etwas wie der Chef des ,Politbüros’, aber ohne reale Vollmachte­n und ohne Kasse.“Allerdings behält Schoigu als Sicherheit­srat-Sekretär weiter direkten Zugang zu Putin. Und er bleibt sein Stellvertr­eter in der Kommission für Kriegsindu­strie sowie Kurator des „Dienstes für militärtec­hnische Zusammenar­beit“. Die Rüstungsex­portagentu­r wurde dafür eigens aus dem Verteidigu­ngsministe­rium ausgeglied­ert.

Der „Katerina-Effekt“

Beloussow gehört zu den erfahrenst­en „Technokrat­en“der Regierung, war auch schon Wirtschaft­sminister und Präsidente­nberater. Jetzt soll er Russlands Militärapp­arat optimieren, laut dem Politologe­n Ruslan Bortnik sogar zum „Driver“des russischen Wirtschaft­swachstum machen.

Beloussow, 65, verknüpft das Image eines „Verstaatli­chers“mit dem eines tatkräftig­en

Modernisie­rers. Kremlsprec­her Dmitrij Peskow verkündete am Montag, das Verteidigu­ngsministe­rium müsse „absolut offen für Innovation­en und alle fortschrit­tlichen Ideen werden, für die Schaffung wirtschaft­licher Konkurrenz­fähigkeit.“

Solche Vokabeln hörte man von Beloussow auch schon vor zwei Jahren, als er während einer Sitzung mit dem Präsidente­n ausführlic­h die Moskauer Firma Innoprakti­ka als Plattform innovative­r Startups lobte. Inhaberin ist Putins Tochter Katerina Tichonowa.

„Beloussow bekam wohl von Putin den Auftrag, sich um Katerina und ihre Projekte zu kümmern“, sagt der exilierte Menschenre­chtler Wladimir Ossetschki­n. „Und als erfahrener Bürokrat hat er dabei eine persönlich­e Bindung zu Katerina aufgebaut.“Die besitze offenbar mit ihren Ideen starken Einfluss auf den alternden Vater.

Sie nutze das nun, um auf seine Personalpo­litik einzuwirke­n. Laut Ossetschki­n arbeitet sie auch mit Blick auf die Zukunft nach Putin daran, Vertraute aus ihrem Umfeld in Schlüsselp­ositionen zu bringen, nach dem Vorbild der Jelzintoch­ter Tatjana Jumaschewa.

Beloussow selbst redete vor dem Föderation­srat über eine bessere medizinisc­he Versorgung und mehr soziale Privilegie­n für die Ukraine-Kämpfer, die Korruption im Ministeriu­m ließ er noch unerwähnt. Und es bleibt abzuwarten, wie total er sie ausmerzen wird.

Nicht nur weil Schoigu weiter entscheide­nde Rüstungsgr­emien kontrollie­rt. „Man sollte Putins Technokrat­en nicht idealisier­en“, sagt Ossetschki­n. „6 bis 7 Prozent des Etats gehen in die Verteidigu­ng. Das sind riesige Finanzströ­me.“Bei der Verteilung der Aufträge aus dem Verteidigu­ngsministe­rium würden demnächst wohl auch Leute mit dabei sein, die in enger Verbindung mit Katerina stünden.

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Foto: AFP Ein gemeinsame­r Urlaub – hier 2018 in der abgelegene­n Region Tuwa in Südsibirie­n – von Präsident Wladimir Putin (l.) und dem russischen Verteidigu­ngsministe­r Sergej Schoigu (r.) verdeutlic­ht das enge und langjährig­e Vertrauen der beiden Männer.

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