Die Geschichte des Romanciers, der die Reichen und Schönen bloßstellt
Nach „Fargo“und „True Detective“soll „Feud: Capote vs. The Swans“auf Disney+ das Seriengenre frisch befeuern
Eine Serie, so die lange gültige Definition, erzählt eine Geschichte nicht nur von Folge zu Folge weiter, sondern – zumindest im Erfolgsfall – auch von Staffel zu Staffel. Das dies heutzutage keine Gewissheit mehr ist, verdanken wir nicht zuletzt Ryan Murphy, dem umtriebigsten aller Serien-Produzenten.
Seit der vor über zwölf Jahren bei „American Horror Story“beschloss, mit jeder Staffel eine komplett neue Geschichte zu erzählen, ist plötzlich der Begriff Anthologie-Serie in aller Munde. Längst setzen mit „Fargo“oder „True Detective“auch andere Produktionen darauf, jedes Mal Story, Personal und Setting auszutauschen, doch Murphy bleibt Vorreiter. Und so geht nach zwölf Staffeln „American Horror Story“und dreimal „American Crime Story“nun auch endlich „Feud“in eine nächste Runde.
In der ersten Staffel der Zankerei-Serie ging es noch um die Fehde zwischen Joan Crawford und Bette Davis, für die zweite war ursprünglich der Ehestreit zwischen Charles und Diana vorgesehen. Stattdessen richten Murphy und seine Mitstreiter – darunter als hauptverantwortlicher Autor Jon Robin Baitz – ihren Fokus nun auf Truman Capote und dessen Konflikt mit einigen seiner vermeintlich besten Freundinnen.
Als seine Schwäne bezeichnete der Schriftsteller (Tom Hollander) die Damen der New Yorker High Society, die ihn in den 1960er-Jahren zu ihrem engsten Vertrauten machten. Babe Paley (Naomi Watts), Ehefrau des CBS-Gründers, Slim Keith (Diane Lane), ihres Zeichens Fashion-Ikone und Ex von unter anderem Howard Hawks, JFKs Schwägerin Lee Radziwill (Calista Flockhart) und die schon von Dalí und Diego Rivera gemalte C.Z. Guest (Chloe Sevigny) treffen ihn zu ausführlichen Lunches und vor allem jede Menge Drinks, weihen ihn in intimste Ehe- und andere Details ein.
Sie schmücken sich gerne mit der Gesellschaft des scharfzüngigen Homosexuellen. Bis er im Magazin „Esquire“ein erstes Kapitel eines geplanten Romans veröffentlicht und darin kaum verschleiert die Geheimnisse der Reichen und Schönen ausplaudert.
Gus van Sants Regie und die Dialoge überzeugen
Wie die Frauen ihn gekränkt aus ihrem Kreis verbannen, auf gesellschaftliche Ächtung als Rache sinnen und damit Capotes Schaffenskrise und Suchtproblem gleichermaßen befeuern, das ist nicht sonderlich viel Plot für acht, übrigens größtenteils von Gus van Sant inszenierte Folgen. Dem Vergnügen dieser in den Details ordentlich fiktionalisierten Geschichte tut das allerdings kaum Abbruch. Zumindest wenn man sich wie Ryan Murphy für unglückliche schwule Männer, glamourös-divenhafte Frauen und (pop-)kulturellen Klatsch und Tratsch interessiert.
„Feud: Capote vs. The Swans“besticht in erster Linie mit wunderbar geschliffenen Dialogen, die Capotes Tonfall treffen, in typischer Murphy-Manier allerdings auch wenig Raum für Nuancen lassen, sowie fantastischen Kostümen. Und natürlich einmal mehr mit einem erlesenen Ensemble toller Schauspielerinnen, darunter auch Jessica Lange, Demi Moore oder Molly Ringwald. Über allem allerdings ragt Tom Hollander, der – siehe „The White Lotus“oder „The Night Manager“– immer schon in schwulen Rollen zu überzeugen wusste, aber als Capote eine herzzerreißende Meisterleistung fernab der naheliegenden Karikatur abliefert.
Tom Hollander liefert eine herzzerreißende Meisterleistung fernab der naheliegenden Karikatur ab.