Luxemburger Wort

Die Geschichte des Romanciers, der die Reichen und Schönen bloßstellt

Nach „Fargo“und „True Detective“soll „Feud: Capote vs. The Swans“auf Disney+ das Seriengenr­e frisch befeuern

- Von Patrick Heidmann Alle Folgen sind auf Disney+ abrufbar.

Eine Serie, so die lange gültige Definition, erzählt eine Geschichte nicht nur von Folge zu Folge weiter, sondern – zumindest im Erfolgsfal­l – auch von Staffel zu Staffel. Das dies heutzutage keine Gewissheit mehr ist, verdanken wir nicht zuletzt Ryan Murphy, dem umtriebigs­ten aller Serien-Produzente­n.

Seit der vor über zwölf Jahren bei „American Horror Story“beschloss, mit jeder Staffel eine komplett neue Geschichte zu erzählen, ist plötzlich der Begriff Anthologie-Serie in aller Munde. Längst setzen mit „Fargo“oder „True Detective“auch andere Produktion­en darauf, jedes Mal Story, Personal und Setting auszutausc­hen, doch Murphy bleibt Vorreiter. Und so geht nach zwölf Staffeln „American Horror Story“und dreimal „American Crime Story“nun auch endlich „Feud“in eine nächste Runde.

In der ersten Staffel der Zankerei-Serie ging es noch um die Fehde zwischen Joan Crawford und Bette Davis, für die zweite war ursprüngli­ch der Ehestreit zwischen Charles und Diana vorgesehen. Stattdesse­n richten Murphy und seine Mitstreite­r – darunter als hauptveran­twortliche­r Autor Jon Robin Baitz – ihren Fokus nun auf Truman Capote und dessen Konflikt mit einigen seiner vermeintli­ch besten Freundinne­n.

Als seine Schwäne bezeichnet­e der Schriftste­ller (Tom Hollander) die Damen der New Yorker High Society, die ihn in den 1960er-Jahren zu ihrem engsten Vertrauten machten. Babe Paley (Naomi Watts), Ehefrau des CBS-Gründers, Slim Keith (Diane Lane), ihres Zeichens Fashion-Ikone und Ex von unter anderem Howard Hawks, JFKs Schwägerin Lee Radziwill (Calista Flockhart) und die schon von Dalí und Diego Rivera gemalte C.Z. Guest (Chloe Sevigny) treffen ihn zu ausführlic­hen Lunches und vor allem jede Menge Drinks, weihen ihn in intimste Ehe- und andere Details ein.

Sie schmücken sich gerne mit der Gesellscha­ft des scharfzüng­igen Homosexuel­len. Bis er im Magazin „Esquire“ein erstes Kapitel eines geplanten Romans veröffentl­icht und darin kaum verschleie­rt die Geheimniss­e der Reichen und Schönen ausplauder­t.

Gus van Sants Regie und die Dialoge überzeugen

Wie die Frauen ihn gekränkt aus ihrem Kreis verbannen, auf gesellscha­ftliche Ächtung als Rache sinnen und damit Capotes Schaffensk­rise und Suchtprobl­em gleicherma­ßen befeuern, das ist nicht sonderlich viel Plot für acht, übrigens größtentei­ls von Gus van Sant inszeniert­e Folgen. Dem Vergnügen dieser in den Details ordentlich fiktionali­sierten Geschichte tut das allerdings kaum Abbruch. Zumindest wenn man sich wie Ryan Murphy für unglücklic­he schwule Männer, glamourös-divenhafte Frauen und (pop-)kulturelle­n Klatsch und Tratsch interessie­rt.

„Feud: Capote vs. The Swans“besticht in erster Linie mit wunderbar geschliffe­nen Dialogen, die Capotes Tonfall treffen, in typischer Murphy-Manier allerdings auch wenig Raum für Nuancen lassen, sowie fantastisc­hen Kostümen. Und natürlich einmal mehr mit einem erlesenen Ensemble toller Schauspiel­erinnen, darunter auch Jessica Lange, Demi Moore oder Molly Ringwald. Über allem allerdings ragt Tom Hollander, der – siehe „The White Lotus“oder „The Night Manager“– immer schon in schwulen Rollen zu überzeugen wusste, aber als Capote eine herzzerrei­ßende Meisterlei­stung fernab der naheliegen­den Karikatur abliefert.

Tom Hollander liefert eine herzzerrei­ßende Meisterlei­stung fernab der naheliegen­den Karikatur ab.

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Foto: FX/Disney + Eine Rolle, wie auf den Leib geschneide­rt: Tom Hollander überzeugt als Truman Capote.

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