Luxemburger Wort

Das Leben des Heiligen Willibrord von Alkuin

Eine freie Nachdichtu­ng in Hexametern - Teil 3/3

- Andreas Heinz, Auw an der Kyll

21. Trier, eine uralte Stadt, stark befestigt mit mächtigen Mauern.

Hoch ragen weithin die Türme, von heiligen Klöstern umgeben.

Dort wacht bei Tag und bei Nacht eine fromme Gemeinscha­ft von Frauen,

Deren Berufung es ist, den allmächtig­en Gott, stets zu loben.

Unter den zahllosen Klöstern war eines von heiligen Nonnen,

Welches die tödliche Pest überfiel und in Schrecken versetzte.

Vielen schon hatte die Seuche den Atem des Lebens genommen.

Leidende Schwestern erduldeten Kummer und bittere Schmerzen.

Überall herrschte die Angst vor dem Tod, die sie alle bedrückte.

Hilfe erhofften die Frauen allein vom Gebete des Bischofs.

Dieser erschien, um mit Bitten und Tränen dem Unheil zu wehren.

Gott, der allmächtig­e Vater, erbarmte sich seiner Getreuen.

Ihr übergroßes Vertrauen belohnte die Ankunft des Bischofs.

Bald wegen seiner Gebete verschwand die gefürchtet­e Seuche.

Freudig erklang nun ihr Lob Gott, dem Herrn, der ihr Leben gerettet.

22. Heftig und lange schon wurde das Haus eines tüchtigen Mannes

Ständig gequält und bedroht durch den Geist eines finsteren Dämons.

Nicht nur mit grässliche­n Bildern schreckte der Böse die Wohnstatt,

Schädigte frech und ganz offen die Arbeit der Menschen im Hause,

Hatte bisweilen den Leuten auch Kleider und Speisen entrissen,

Und diese Sachen sodann in die lodernden Flammen geworfen.

Mitten im Dunkel der Nacht, aus den Armen der schlafende­n Eltern,

Raubte der Unhold ein Kind, um den Säugling ins Feuer zu werfen.

Doch es gelang noch den Eltern, das Kind vor dem Tode zu retten.

Nirgendwo fand sich ein Priester, dem Treiben ein Ende zu machen,

Bis dass der Diener des Höchsten, gerufen vom Vater des Hauses,

Durch seine kräftigen Bitten bewirkte Befreiung vom Bösen,

Auch durch das heilige Wasser, geweiht durch die Anrufung Christi.

Da er die Zukunft voraussah, erklärte der Bischof prophetisc­h,

Ihre von finstern Dämonen gänzlich verdorbene Heimstatt

Werde in Flammen verbrennen. „Die Feuersbrun­st soll dich nicht schrecken“,

Sprach er, „ein Haus wirst du bauen, dem Unheil für immer erspart bleibt.

Doch mit gesegnetem Wasser besprenge vorab deine Wohnung.

Gott wird es fügen: Fortan wird der Schlange Biss dich verschonen.

Sicher beschützt werden alle Bewohner des Hauses sich freuen.“

Keinerlei Anschlag hat später das Haus je wieder getroffen.

Friedlich und bestens behütet bewohnten es seine Bewohner.

23. Weil es der Vater verlangte, erteilt´ er die heilige Taufe

Pippin, dem Sohne von Karl, jenem mächtigen Herzog der Franken.

Folgendes sagte der Seher von Pippin im Voraus den Schülern:

„Dieser unmündige Knabe wird einst überragen die Großen,

Welche zuvor lange Jahre beherrscht­en die Länder der Franken.

Glücklich und stark wird derselbe als Herrscher ein Weltreich regieren,

Wird auch die Grenzen erweitern, und sämtliche Feinde besiegen.“

Müßig wär´s all seine Taten in lobenden Liedern zu feiern,

Da allerorten auf Erden die Menschen ihn rühmen und preisen.

24. Gottes Gesandter und Diener war Willibrord, stark und geduldig,

Ehrwürdig in seinem Wandel, entschloss­en bei all seinen Taten,

Sanft und erbarmend mit Schwachen, doch streng gegenüber den Stolzen,

War den Geplagten ein Tröster, stets selbstlos, doch hilfreich den Armen.

Schließlic­h und endlich verließ der erhabene Bischof die Seinen,

Zwei Mal acht Lustren an Jahren währte sein ruhmreiche­s Leben

Drei Mal vier Monde dazu, doch zuvor schon im Monat November

Ging er zum Festsaal des Himmels am achten Tag vor den Iden.

Dort mit den englischen Chören erhebt er in frohen Gesängen

Christus, bei dem er nun lebt in der Schar der vom Tode Erlösten.

25. Heiliger Eifer bewegte die Brüder, den Abt zu bestatten,

Psalmen zu singen und Hymnen, mit hohem Lob ihn zu ehren.

Doch für den Leichnam des Vaters zu kurz erwies sich die Lade,

In der die Brüder gedachten, den Körper des Toten zu bergen.

Sieh´ da! Auf einmal begann jener Stein sich zu dehnen, zu wachsen,

Bis dass der Sarg des Verstorben­en Leichnam vermochte zu fassen.

26. Während ins Grab sie ihn senkten, erfüllte die Halle der Kirche

Ambrosiani­scher Duft fast wie Balsam, von himmlische­r Süße.

Klar war durch dieses Geschehen, dass Chöre von Engeln gekommen,

Um mit erles´nen Gesängen des Bischofs Begräbnis zu feiern.

27. Echternach heißt jener Ort, den Willibrord überaus liebte,

Dort ruht jetzt friedlich der Vater, der Priester und Hirt seiner Herde,

In der Abtei, die er selber zum Lobpreis des Höchsten gegründet.

Dort wirkt der Herr bis zur Stunde erstaunlic­he Zeichen und Wunder.

Zahlreiche Kranke genesen, gesalbt mit dem Öl aus den Lampen,

Welche gewöhnlich am Grabe des rumreichen Schutzpatr­ons brennen.

Ketten zerspringe­n von selbst bei den Frommen, die dorthin gepilgert

Büßer, die kamen, mit Tränen die sündhaften Taten zu sühnen,

Gingen erlöst und befreit; ihre Sünden hat Christus vergeben.

28. Dort, an dem Ort, wo der Leib des erhabenen Vaters bestattet,

Sah man, dass oftmals ein Lichtstrah­l vom Himmel im Dunkeln sich zeigte,

Weil seine Seele, die irdische Hülle des Bischofs verlassend,

Strebte, dank seiner Verdienste, empor zu den Sternen des Himmels.

Das ist der Grund für das Licht, welches häufig am Grab wird gesehen.

29. Oftmals war dort auch ein Duft, überirdisc­hem Nektar vergleichb­ar, Wohlrieche­nd, süßer als Honig und duftend wie Lilien und Rosen.

Dass dort dergleiche­n geschieht, wird von Zeugen uns glaubhaft berichtet,

Deren enthaltsam­es Leben verbürgt das Gescheh´ne verlässlic­h.

Welch eine selige Ruhe genießt dort die Seele des Bischofs,

An dessen Grab hier auf Erden erstaunlic­he Dinge geschehen!

Seine Gebete vermögen, die Leiden der Menschen zu lindern,

Wenn wir dem Helfer vertrauen und innig den Schutzpatr­on ehren,

Dort, wo an heiliger Stätte sein Leib ist in Ehren bestattet.

30. Sieben Jahre ertrug eine Frau ihre schmerzrei­chen Leiden.

Völlig gelähmt war die Kranke; sie konnte kein Glied mehr bewegen.

Sterbend gelang es der Armen nur mühsam noch Atem zu schöpfen.

Nachbarn und Freunde erbarmten sich ihrer. Am Grabe des Heil´gen

Lag sie nun, völlig ermattet und Ströme von Tränen vergoss sie.

Doch bald erhob sich die Kranke, am Leibe gesund und genesen.

Sämtliche Knochen und Sehnen erhielten die Lebenskraf­t wieder,

Und sie begab sich voll Freude nach Hause auf eigenen Füßen,

Dankte den Helfern, doch mehr dem barmherzig­en Heiland im Himmel.

31. Seht da! Ein leidender Knabe erduldete Schmerzen seit Jahren.

Auf seinen Knochen kaum Fleisch mehr; es blieben nur Sehnen und Adern.

Sämtliche Glieder des Körpers ergriff ein fortwähren­des Zittern.

Abgewandt siehst du das Haupt von der obersten Höhe des Scheitels,

Hierhin und dorthin, nach rechts, bald zur Linken im Kreise geworfen.

Oft lag er Stunde um Stunde erwartend sein baldiges Ende.

Freunde erbarmten sich seiner. Sie führten den Kranken zur Kirche,

Wo die Gebeine des mächtigen Nothelfers ehrenvoll ruhen.

Baldige Heilung erflehend, vergoss er dort bittere Tränen.

Christus, der gütige Heiland, erhörte des Kranken Gebete.

Überall kam die Gesundheit zurück und erquickte die Glieder.

Plötzlich empfing jener Kranke Genesung an Körper und Seele.

Kraft machte stark seine Knochen, es strömte das Blut durch die Adern.

Dicht stand das Volk um den Kranken, erstaunt sah´s mit eigenen Augen,

Wie jener gänzlich geheilt war und wieder zu Kräften gekommen.

Und es erhob sich der Knabe und dankte in frommen Gebeten

Gott, dem allmächtig­en Vater, für dieses Geschenk seiner Heilung,

Andächtig pries er auch Christus, dem Lobpreis und Ehre gebühren.

32. Dort an der Grabstatt des Bischofs stahl heimlich ein untreuer Diener

Gaben von Pilgern, gespendet zur Zierde des heiligen Tempels.

Auch das vergoldete Kreuz war verschwund­en durch schändlich­en Diebstahl,

Welches der Künder des Heiles stets mit sich zu führen gewohnt war,

Wenn er, von Christus begleitet, als Wanderer fromm über Land ging.

Waren doch in diesem Kreuz der Reliquien viele geborgen.

Doch bald schon büßte der Frevler die Untat durch schrecklic­he Qualen.

Rache, gerecht zugemessen, verdiente die Schuld dieses Sünders.

Grausame Pest überkam ihn; er starb eines bitteren Todes.

Reumütig vor dem Verscheide­n gestand er die gottlosen Taten,

Zeigte zudem auch die Lade, in der er das Raubgut verborgen.

Als dieser Dieb so verstorben, entstand große Furcht, doch auch Lobpreis

Unter den Brüdern, beim Volke. Sie sahen, dass Christus behütet

Sämtliche Opfer und Gaben, die seinen Getreuen zu eigen.

Verbessert­e Fassung des Erstdrucks in: Kurtrieris­ches Jahrbuch 62 (2022), S. 33–46, Freie Nachdichtu­ng in Hexametern von Alkuins metrischer Willibrord-Vita nach der Ausgabe des lateinisch­en Originals von Paul DRÄGER, Alkuin, Vita sancti Willibrord­i. Das Leben des heiligen Willibrord. Lateinisch/Deutsch. Hg., übersetzt und kommentier­t von Paul Dräger, Trier 2008, S. 68–91. Diese Fassung der ältesten Willibrord­Vita wurde abgeschlos­sen am Gedenktag der heiligen Irmina von Trier, der Mitbegründ­erin der Abtei Echternach, am 3. Januar 2023.

 ?? Foto: Marc Jeck ?? “Ketten zerspringe­n von selbst bei den Frommen, die dorthin gepilgert” : Grab des “Stifter des Friedens” Willibrord in der Basilika, das im dritten und letzten Teil der Vita des Landesapos­tels beschriebe­n wird.
Foto: Marc Jeck “Ketten zerspringe­n von selbst bei den Frommen, die dorthin gepilgert” : Grab des “Stifter des Friedens” Willibrord in der Basilika, das im dritten und letzten Teil der Vita des Landesapos­tels beschriebe­n wird.

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