„Frauen nehmen viel mehr und schneller auf als Männer“
Dan Santos hat seinen Vertrag als FLF-Trainer verlängert. Er sieht sich mit seinen Mitstreitern noch am Anfang und plant auch Rückschläge ein
Es ist viel passiert. Seit Sommer 2020 ist Dan Santos für den Frauenfußball im Luxemburger Verband FLF verantwortlich. Der 42-Jährige hat eine intensive Aufbauarbeit hinter sich. Die Nationalmannschaft überraschte positiv. Zudem gibt es nun eine funktionierende Nachwuchsförderung mit Auswahlteams von U13 bis U19. Vor kurzem hat der Fußballlehrer seinen Vertrag um zwei Jahre verlängert.
Dan Santos, was hat Sie dazu bewogen, als Verantwortlicher für den Frauenfußball weiterzumachen?
Der Grund war, dass wir erst am Anfang stehen. Wir haben vier Jahre daran gearbeitet, die Struktur aufzubauen. In der nächsten Saison werden 180 Spielerinnen von der Talentsichtung bis zur U19 im FLF-Training sein. Wir werden erstmals in jeder Nachwuchs-Kategorie einen Trainer und einen Co-Trainer haben. So etwas geht nicht von heute auf morgen. Ab der nächsten Saison haben wir genügend Quantität und Qualität in den Kadern. Am Trainingsgelände in Monnerich werden neue Kabinen für die Frauen und Mädchen sowie weitere Spielfelder gebaut. In den nächsten zwei Jahren wird also viel geschehen, sodass wir noch besser arbeiten können. Das möchten wir auch tun.
Sie möchten die Früchte ernten, nachdem Sie so viel Arbeit in den Aufbau gesteckt haben?
Der Aufbau war ein Marathon. 2020 war nicht viel da. Jetzt haben wir eine Struktur. Wir haben eine A-Nationalmannschaft, die junge Spielerinnen dazu motiviert, zum Fußball zu kommen. Im letzten EM-Qualifikationsspiel im April gegen Albanien hatte die Startelf einen Altersdurchschnitt von 20 Jahren. Da ist noch Luft nach oben. Cristina Correia als Assistenz- und Jugendcoach, Torwarttrainer Jean-Marie Noël, Kevin Rutare als Athletikspezialist und ich sind von Anfang an dabei. Wenn wir jetzt aufhören würden, würden wir unser Projekt im Stich lassen. Wir sind noch nicht fertig. Der Marathon ist noch nicht zu Ende.
Hätte der Verband nicht früher mit dem Marathon beginnen müssen?
Im Vergleich zu anderen kleinen Ländern war es zehn Jahre zu spät. Aber lieber spät als nie.
Was Sie aufgebaut haben, kostet Geld. Mussten Sie viel Überzeugungsarbeit leisten?
FLF-Präsident Paul Philipp, die Frauenfußball-Präsidentin Carine Nardecchia und der ganze Verband standen immer hinter uns. Wir wussten, dass wir nicht von Null auf Hundert gehen können. Zuerst haben wir wieder eine A-Mannschaft berufen, die regelmäßig trainierte. Dann
haben wir U-Auswahlen zusammengestellt und Talentsichtung gemacht. Normalerweise fängt man von unten nach oben an. Wir haben es umgekehrt gemacht. Denn ich wollte den jungen Mädchen mit der AMannschaft ein Ziel geben. Nur bei der Entscheidung, die Frauen 2021 für die WM-Qualifikation anzumelden, musste ich Überzeugungsarbeit leisten. Man war skeptisch, weil drastische Ergebnisse gegen große Gegner drohten. Aber dann hat man gesehen, dass es keinen anderen Weg gibt. Zudem waren alle Länder außer Liechtenstein für die Qualifikation angemeldet. Wir hätten kaum Gegner für Testspiele gefunden. Dass es so gut laufen würde, hätte ich aber nicht gedacht.
Luxemburg holte in der WM-Qualifikation überraschend neun Punkte. Danach waren es in der Nations League nur noch vier. Hat der Auftakterfolg zu hohe Erwartungen geweckt?
Die erste Teilnahme ist immer etwas Besonderes. Die Euphorie war groß, auch weil es für einige ältere Spielerinnen die letzte war. Die nächste Kampagne war leider nicht gut. Da fehlte ein bisschen Erfahrung. Aber jetzt haben wir mit dem
Sieg gegen Albanien wieder gut angefangen. Wir werden auch weiterhin Rückschläge erleben. Doch das gehört zum Prozess.
Bei Luxemburgs Männern hat es sich bewährt, dass Spieler früh in ausländische Fußball-Internate wechseln. Inzwischen tun das auch junge Frauen. Ist es der richtige Weg?
Das hängt immer von der privaten Situation und der Schule ab. Man sieht bei den Spielerinnen, die im Ausland im Einsatz sind, dass die Intensität eine andere ist. Durch das selbstständige Leben übernehmen sie auch früher Verantwortung.
Unterstützen Sie wechselwillige Spielerinnen durch Ihre eigenen Kontakte?
Wenn eine Spielerin ins Ausland möchte, haben wir einige Kontakte, mit denen wir helfen können. Manche Vereine, zum Beispiel Standard Liège, der FC Metz und der FC Freiburg, fragen auch regelmäßig bei uns an, ob wir interessierte Spielerinnen eines bestimmten Jahrgangs haben.
Machen Sie sich damit bei einheimischen Clubs manchmal unbeliebt?
Ich sage nie, dass eine Spielerin irgendwo hingehen soll. Wenn sie oder ihre Familie mich kontaktiert, weil sie ins Ausland möchte, dann helfen wir. Über einen Wechsel können nur die Spielerin selbst und ihre Familie entscheiden. So einen Schritt muss man sich wirklich gut überlegen. Mädchen haben anders als Jungs eher nicht die Perspektive, mit dem Fußball später viel Geld zu verdienen. Die Schule und die Ausbildung müssen immer vorgehen.
Sie haben bei Männer-Nationaltrainer Luc Holtz hospitiert. Nützt Ihnen dies auch für Ihre eigene Arbeit?
Ich war in der letzten Kampagne bei fast jedem Spiel dabei und habe sehr viel mitgenommen von dieser Professionalität. Luc macht eine tolle Arbeit. Er hat mir die Tür geöffnet und ich bin dankbar dafür.
Vor Ihrem Engagement als Frauen-Nationalcoach trainierten Sie immer Männer oder männliche Jugendliche. Was hat Sie an der Arbeit mit Frauen und Mädchen anfangs am meisten überrascht?
Der Wille, zu lernen. Die Frauen nehmen viel mehr und schneller auf als Männer. Leider muss ich das so sagen – als Mann.
: Im Vergleich zu anderen kleinen Ländern war es zehn Jahre zu spät. Aber lieber spät als nie.