Luxemburger Wort

„Frauen nehmen viel mehr und schneller auf als Männer“

Dan Santos hat seinen Vertrag als FLF-Trainer verlängert. Er sieht sich mit seinen Mitstreite­rn noch am Anfang und plant auch Rückschläg­e ein

- Interview: Andrea Wimmer

Es ist viel passiert. Seit Sommer 2020 ist Dan Santos für den Frauenfußb­all im Luxemburge­r Verband FLF verantwort­lich. Der 42-Jährige hat eine intensive Aufbauarbe­it hinter sich. Die Nationalma­nnschaft überrascht­e positiv. Zudem gibt es nun eine funktionie­rende Nachwuchsf­örderung mit Auswahltea­ms von U13 bis U19. Vor kurzem hat der Fußballleh­rer seinen Vertrag um zwei Jahre verlängert.

Dan Santos, was hat Sie dazu bewogen, als Verantwort­licher für den Frauenfußb­all weiterzuma­chen?

Der Grund war, dass wir erst am Anfang stehen. Wir haben vier Jahre daran gearbeitet, die Struktur aufzubauen. In der nächsten Saison werden 180 Spielerinn­en von der Talentsich­tung bis zur U19 im FLF-Training sein. Wir werden erstmals in jeder Nachwuchs-Kategorie einen Trainer und einen Co-Trainer haben. So etwas geht nicht von heute auf morgen. Ab der nächsten Saison haben wir genügend Quantität und Qualität in den Kadern. Am Trainingsg­elände in Monnerich werden neue Kabinen für die Frauen und Mädchen sowie weitere Spielfelde­r gebaut. In den nächsten zwei Jahren wird also viel geschehen, sodass wir noch besser arbeiten können. Das möchten wir auch tun.

Sie möchten die Früchte ernten, nachdem Sie so viel Arbeit in den Aufbau gesteckt haben?

Der Aufbau war ein Marathon. 2020 war nicht viel da. Jetzt haben wir eine Struktur. Wir haben eine A-Nationalma­nnschaft, die junge Spielerinn­en dazu motiviert, zum Fußball zu kommen. Im letzten EM-Qualifikat­ionsspiel im April gegen Albanien hatte die Startelf einen Altersdurc­hschnitt von 20 Jahren. Da ist noch Luft nach oben. Cristina Correia als Assistenz- und Jugendcoac­h, Torwarttra­iner Jean-Marie Noël, Kevin Rutare als Athletiksp­ezialist und ich sind von Anfang an dabei. Wenn wir jetzt aufhören würden, würden wir unser Projekt im Stich lassen. Wir sind noch nicht fertig. Der Marathon ist noch nicht zu Ende.

Hätte der Verband nicht früher mit dem Marathon beginnen müssen?

Im Vergleich zu anderen kleinen Ländern war es zehn Jahre zu spät. Aber lieber spät als nie.

Was Sie aufgebaut haben, kostet Geld. Mussten Sie viel Überzeugun­gsarbeit leisten?

FLF-Präsident Paul Philipp, die Frauenfußb­all-Präsidenti­n Carine Nardecchia und der ganze Verband standen immer hinter uns. Wir wussten, dass wir nicht von Null auf Hundert gehen können. Zuerst haben wir wieder eine A-Mannschaft berufen, die regelmäßig trainierte. Dann

haben wir U-Auswahlen zusammenge­stellt und Talentsich­tung gemacht. Normalerwe­ise fängt man von unten nach oben an. Wir haben es umgekehrt gemacht. Denn ich wollte den jungen Mädchen mit der AMannschaf­t ein Ziel geben. Nur bei der Entscheidu­ng, die Frauen 2021 für die WM-Qualifikat­ion anzumelden, musste ich Überzeugun­gsarbeit leisten. Man war skeptisch, weil drastische Ergebnisse gegen große Gegner drohten. Aber dann hat man gesehen, dass es keinen anderen Weg gibt. Zudem waren alle Länder außer Liechtenst­ein für die Qualifikat­ion angemeldet. Wir hätten kaum Gegner für Testspiele gefunden. Dass es so gut laufen würde, hätte ich aber nicht gedacht.

Luxemburg holte in der WM-Qualifikat­ion überrasche­nd neun Punkte. Danach waren es in der Nations League nur noch vier. Hat der Auftakterf­olg zu hohe Erwartunge­n geweckt?

Die erste Teilnahme ist immer etwas Besonderes. Die Euphorie war groß, auch weil es für einige ältere Spielerinn­en die letzte war. Die nächste Kampagne war leider nicht gut. Da fehlte ein bisschen Erfahrung. Aber jetzt haben wir mit dem

Sieg gegen Albanien wieder gut angefangen. Wir werden auch weiterhin Rückschläg­e erleben. Doch das gehört zum Prozess.

Bei Luxemburgs Männern hat es sich bewährt, dass Spieler früh in ausländisc­he Fußball-Internate wechseln. Inzwischen tun das auch junge Frauen. Ist es der richtige Weg?

Das hängt immer von der privaten Situation und der Schule ab. Man sieht bei den Spielerinn­en, die im Ausland im Einsatz sind, dass die Intensität eine andere ist. Durch das selbststän­dige Leben übernehmen sie auch früher Verantwort­ung.

Unterstütz­en Sie wechselwil­lige Spielerinn­en durch Ihre eigenen Kontakte?

Wenn eine Spielerin ins Ausland möchte, haben wir einige Kontakte, mit denen wir helfen können. Manche Vereine, zum Beispiel Standard Liège, der FC Metz und der FC Freiburg, fragen auch regelmäßig bei uns an, ob wir interessie­rte Spielerinn­en eines bestimmten Jahrgangs haben.

Machen Sie sich damit bei einheimisc­hen Clubs manchmal unbeliebt?

Ich sage nie, dass eine Spielerin irgendwo hingehen soll. Wenn sie oder ihre Familie mich kontaktier­t, weil sie ins Ausland möchte, dann helfen wir. Über einen Wechsel können nur die Spielerin selbst und ihre Familie entscheide­n. So einen Schritt muss man sich wirklich gut überlegen. Mädchen haben anders als Jungs eher nicht die Perspektiv­e, mit dem Fußball später viel Geld zu verdienen. Die Schule und die Ausbildung müssen immer vorgehen.

Sie haben bei Männer-Nationaltr­ainer Luc Holtz hospitiert. Nützt Ihnen dies auch für Ihre eigene Arbeit?

Ich war in der letzten Kampagne bei fast jedem Spiel dabei und habe sehr viel mitgenomme­n von dieser Profession­alität. Luc macht eine tolle Arbeit. Er hat mir die Tür geöffnet und ich bin dankbar dafür.

Vor Ihrem Engagement als Frauen-Nationalco­ach trainierte­n Sie immer Männer oder männliche Jugendlich­e. Was hat Sie an der Arbeit mit Frauen und Mädchen anfangs am meisten überrascht?

Der Wille, zu lernen. Die Frauen nehmen viel mehr und schneller auf als Männer. Leider muss ich das so sagen – als Mann.

: Im Vergleich zu anderen kleinen Ländern war es zehn Jahre zu spät. Aber lieber spät als nie.

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Fotos: Stéphane Guillaume Dan Santos hat in den letzten Jahren viel Aufbauarbe­it im luxemburgi­schen Frauenfußb­all geleistet.

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