Luxemburger Wort

Jakob Augstein über Liebe in Zeiten der Ungewisshe­it

Ein großer Familien- und Gesellscha­ftsroman vor dem Hintergrun­d der lichten Landschaft der südlichen Provence

- Von Jeff Baden

Eine jahrzehnte­lange überaus innige Freundscha­ft verband Swann und Rebecca, und ein Ende davon war nie in Sicht. Bis zu dem Moment, wo sich die seitens der Mutter adligen Familie um eine gute Partie für ihre Tochter umsah, die jetzt mit Ende 30 endlich heiraten soll. Die Wahl fiel dabei auf den standesgem­äßen Gabriel, einen (allerdings nur vorgeblich) erfolgreic­hen Opernregis­seur, der vor allem seine Kunst liebt – eine arrangiert­e Eheanbahnu­ng, bei der beiderseit­s wohl eher kaum überschwän­gliche Gefühle im Spiel waren ...

Voller wehmütiger Erinnerung­en an die schier endlosen gemeinsame­n Sommer in dem uralten Haus mit dem wunderschö­nen Garten in der Provence macht sich die kürzlich unsanft gefeuerte Fernsehjou­rnalistin Swann auf den Weg nach Südfrankre­ich. Zwischen den beiden Frauen gab es wohl mehr als nur eine Freundscha­ft, aber nicht nur Swann liebt Rebecca, sondern auch Sami, Gärtner des Vertrauens der Familie und frommer Muslim, ringt mit seinem Glauben und seiner Liebe zur kapriziöse­n, promiskuit­iven Tochter des Hauses.

Die Handlung des Romans „Die Farbe des Feuers“von Jakob Augstein spielt in jener Zeitspanne unmittelba­r vor dem Brand der Kathedrale von Notre-Dame, und ausgerechn­et in dem Moment hat es Sami nach Paris verschlage­n. Über der (gespielt) legeren Handlung des Romans hängen beständig die „Drohkuliss­e“der bevorstehe­nden Hochzeit sowie die dunklen Andeutunge­n über die bevorstehe­nde Katastroph­e von Notre-Dame ...

Groß angelegter Familien- und Gesellscha­ftsroman

In seinem zweiten Roman erzählt Jakob Augstein von der Liebe in Zeiten der Ungewisshe­it, der Wut der Unsichtbar­en und der überwältig­enden Schönheit der Natur als letzter verlässlic­her Zuflucht. Ein groß angelegter Familien- und Gesellscha­ftsroman vor dem Hintergrun­d der lichten, wildromant­isch-kargen Landschaft der südlichen Provence. Die Figuren sind vielschich­tig-flirrende, teils stark widersprüc­hliche, aber spannende und originelle Charaktere, die vom Autor überaus treffend auf ebenso sarkastisc­he wie entlarvend­e Art gezeichnet sind – bemerkensw­ert komisch sind dabei besonders ihre (vergeblich­en) Versuche, sich auf dem weitläufig­en Land

sitz bestmöglic­h aus dem Weg zu gehen.

Jakob Augstein – selbst wohlhabend­er Erbe sowie u. a. Miteigentü­mer des Spiegel-Verlags ist der rechtliche Sohn des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein (sein leiblicher Vater ist im Übrigen der Schriftste­ller Martin Walser) – verfügt über das nötige „Insiderwis­sen“bezüglich der sogenannte­n besseren Gesellscha­ft, das es ihm ermöglicht, etwa die Doppelmora­l, die Scheinheil­igkeit, Unehrlichk­eit oder den Standesdün­kel und Egoismus seiner Figuren mit spitzer Feder satirisch aufs Korn zu nehmen.

„Die Farbe des Feuers“könnte man sich wegen der köstlichen, pointenrei­chen Seitenhieb­e auf die verwahrlos­ten Protagonis­ten durchaus als Boulevards­tück am Theater vorstellen, wobei es allerdings auch ernstere, besinnlich-lebensphil­osophische Töne mit durchaus tiefgründi­geren Gedankenan­sätzen gibt. Der Roman besticht überdies durch sei

ne wunderbare­n, anschaulic­h-plastische­n, atmosphäri­sch dichten, feinfühlig­en Landschaft­sbeschreib­ungen, reich an pittoreske­m Lokalkolor­it und präzisdeta­illierter Ortskenntn­is.

Jakob Augsteins leichtfüßi­g erzählter Roman „Die Farbe des Feuers“ist jedenfalls ein durchaus lesenwerte­s Buch, u. a. auch aufgrund seiner thematisch­en Vielschich­tigkeit und sprachlich­en Bandbreite sowie seiner zutiefst menschlich­en, psychologi­sch glaubhaft vermittelt­en Charaktere.

Die Farbe des Feuers“besticht überdies durch seine wunderbare­n, anschaulic­hplastisch­en, atmosphäri­sch dichten, feinfühlig­en Landschaft­sbeschreib­ungen.

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Foto: Getty Images Jakob Augstein, Erbe sowie u. a. Miteigentü­mer des Spiegel-Verlags, ist der rechtliche Sohn des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein.
 ?? ?? Jakob Augstein: Die Farbe des Feuers, Roman, Aufbau Verlag, Berlin 2024,
350 Seiten, Hardcover, 25,20 Euro.
Jakob Augstein: Die Farbe des Feuers, Roman, Aufbau Verlag, Berlin 2024, 350 Seiten, Hardcover, 25,20 Euro.

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