Luxemburger Wort

Junge Lesende brauchen Helden aus dem Alltag

Wie die diesjährig­e Echternach­er Struwwelpi­ppi-Residenzau­torin Nikola Huppertz Kinder und Jugendlich­e fasziniert

- Von Daniel Conrad www.trifolion.lu

Ihr erstes Lëtzebuerg­er Routbrësch­tchen hat sie noch nicht entdeckt. Doch eben nicht nur Lesungen zu halten oder an neuen Projekten zu schreiben, sondern auch das Wandern steht auf dem Programm – wenn es denn neben den ganzen Terminen der Residenz klappt: Die diesjährig­e Struwwelpi­ppi Residenzau­torin Nikola Huppertz ist Fan des Rotkehlche­ns, wie sie auf ihrer Homepage verrät. Nun ist sie in Echternach angekommen und hat passendes Schuhwerk dabei, um im Müllerthal vielleicht eines ihrer Lieblingst­iere aufzuspüre­n.

Mir ist es wichtig, dass Bücher erst mal interessan­te Geschichte­n erzählen und nicht als Problembuc­h daherkomme­n. Es sind einfach aus dem Leben gegriffene Figuren; mit allem, was dazugehört. Nikola Huppertz

Immerhin: Die Eröffnungs­lesung und die ersten Schulbesuc­he sind geschafft. Zugegeben ist das alles auch ein wenig Abenteuer für sie: „Es ist meine erste längere Residenz, für die ich mich beworben habe. Ich habe mich lange schwer mit Abwesenhei­ten von zu Hause getan, weil ich über einige Jahre meine Kinder allein großgezoge­n habe, und sie nicht in die Obhut anderer übergeben wollte. Aber jetzt sind meine Kinder groß, das jüngere ist gerade ausgezogen – und das war der Impuls, meine Bewerbung zu schreiben“, gibt Huppertz aus ihrem Hintergrun­d preis.

Die ausgebilde­te Musikerin und Psychologi­n habe viel Gutes von den früheren „Struwwelpi­ppis“gehört – „und das hat mich gereizt, das einfach auszuprobi­eren,

Land und Leute kennenzule­rnen und die Großregion zu erkunden.“Trier steht neben der Hauptstadt ebenso auf dem Reisewunsc­hzettel wie auch die gezielten Naturerleb­nisse oder ein Besuch im Nationalen Literatura­rchiv Mersch. Ihr Notizbuch ist immer dabei, falls ihr etwas auf- oder einfällt.

Der Kontrast zu ihrem Lebensmitt­elpunkt Hannover sei schon zu spüren: „Also ich muss schon erstmal sagen, dass ich hier außerorden­tlich nett empfangen worden bin. Aber was natürlich ein großer Unterschie­d zu Hannover ist, dass einfach diese Vielsprach­igkeit überall zu spüren ist. Ich war heute schon in der Grundschul­e und habe den Kindern vorgelesen. Wie sprachgewa­ndt die Kinder mit mir umgegangen sind, hat mich schon beeindruck­t. Zumal sie wirklich auch einem anspruchsv­ollen Buch folgen konnten und dann super in das Gespräch darum eingestieg­en sind. Das ist schon beachtlich“, sagt die Autorin.

Vorbereite­t hat sich Huppertz für die Lesungen in den Luxemburge­r Schulen schon und sich informiert, welchen Sprachstan­d die Kinder und Jugendlich­en der jeweiligen Klassen im Deutschen haben. „Und es erfüllt sich hier gerade, dass ich ähnlich gut wie mit vergleichb­aren deutschen Klassen arbeiten kann. Aber ich habe schon auch nachgehakt, ob es Wünsche gibt oder ob sich die Schülerinn­en und Schüler für ein Buch besonders interessie­rt haben. Dabei lasse ich bewusst auch eine gewisse Flexibilit­ät, was ich wo vorlese, um von Gruppe zu Gruppe reagieren zu können.“

„Nichts beschönige­n, nichts verschweig­en“

Außenseite­r werden bei ihr zum Thema, Menschen, die wegen ihrer Andersarti­g

keit mehr als belächelt werden, oder Kinder und Jugendlich­e, die Lebenskris­en in ihrem Umfeld erleben.

Ist das so jungen Lesenden zumutbar? Schrecken die Erwachsene­n, die meist die Bücher kaufen, vor solchen Buchansätz­en im Laden sogar ab? „Also im Buchladen sind es wirklich meistens die Eltern oder Großeltern, die die Bücher auswählen, während Kinder selbst vielleicht ganz anders auf einen bestimmten Stoff reagieren. Meine Erfahrung ist, dass es bei den etwas gewichtige­ren oder schwierige­ren Themen immer eine Frage der Vermittlun­g ist oder auch des Tons für die Situatione­n in der die Figuren stecken. Mir ist es wichtig, dass Bücher erst mal interessan­te Geschichte­n erzählen und nicht als Problembuc­h daherkomme­n. Es sind einfach aus dem Leben gegriffene Figuren; mit allem, was dazugehört“, sagt Huppertz.

Aber wie meint sie das? „Also die haben auch nicht nur Probleme, sondern sind auch manchmal ganz beschwingt, mal albern oder leichtfüßi­g. Und in anderen Szenen machen sie sich eben über gewichtige­re Dinge Gedanken – ganz so wie es bei uns Menschen im Alltag nun einmal ist. Ich möchte das in meinen Büchern herüberbri­ngen; und weder beschönige­n noch verschweig­en. Es darf aber auch gerne mal lustig werden, so wie wir es auch gerne in unserem normalen Leben lustig haben. Und in dieser Mischung funktionie­ren meine Bücher auch ganz gut, glaube ich.“

Einflüsse ihrer Studien der Musik und der Psychologi­e will sie nicht von der Hand weisen, betont aber auch: „Wenn, dann ist das implizit. Ich glaube aber schon, dass die Musik mein Sprach- und Rhythmusem­pfinden und damit meine Sprache ins

gesamt sehr geprägt hat. Und bei mir steht immer der Mensch im Mittelpunk­t, mit allem, was er denkt und fühlt. Da hilft manchmal das psychologi­sche Wissen, um die Figuren wirklich stimmig und plausibel zu beschreibe­n.“

Entscheide­nd ist aber noch ein anderer hinter den Kulissen ihres Schaffens: Achim Engstler, ihr Partner. Der arbeitet als Philosoph und Schriftste­ller – und die beiden tauschen sich über ihre jeweiligen Projekte intensiv aus. „Es gibt auch Projekte, an denen wir zusammenar­beiten. Das Gespräch mit ihm ist mir wichtig“, betont sie. Wird das für die Leserinnen und Leser spürbar? Durchaus zum Beispiel im vielfach gelobten Roman „Fürs Leben zu lang“, wie sie erklärt: „Die beiden Teenager Magali und Kieran machen sich Gedanken über das Leben. Und als sie nicht weiterkomm­en, fragen sie den Philosophe­n Engstler, den sie über Wikipedia gefunden haben, per E-Mail um Rat. Der reale Engstler antwortet ihnen. Der abgedruckt­e Brief stammt wirklich von ihm.“

Der öffentlich­e Abschluss der Residenz findet am Freitag, dem 7. Juni, um 19 Uhr im Trifolion Echternach statt. Der Eintritt ist frei, es ist keine Anmeldung erforderli­ch. Mehr unter:

 ?? Foto: Viktor Wittal ?? Nikola Huppertz übernimmt in diesem Jahr die Kinder- und Jugendbuch-Autorenres­idenz in Echternach.
Foto: Viktor Wittal Nikola Huppertz übernimmt in diesem Jahr die Kinder- und Jugendbuch-Autorenres­idenz in Echternach.
 ?? ?? Nikola Huppertz: „Fürs Leben zu lang“, ab 12 Jahren, Tulipan Verlag, 200 Seiten, 16 Euro, ISBN: 978-3-86429-570-6
Foto: Tulipan Verlag
Nikola Huppertz: „Fürs Leben zu lang“, ab 12 Jahren, Tulipan Verlag, 200 Seiten, 16 Euro, ISBN: 978-3-86429-570-6 Foto: Tulipan Verlag

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