Luxemburger Wort

Ranga Yogeshwar und der Kampf gegen den eigenen Bedeutungs­verlust

Er war einer der ersten Wissenscha­ftsjournal­isten im deutschen Fernsehen und einer der ersten nicht weißen Moderatore­n. Heute wird der Luxemburge­r 65 Jahre alt

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Im Flutsommer 2021 wurde auch das Haus von Ranga Yogeshwar in Hennef bei Bonn überschwem­mt. Da setzte sich der studierte Experiment­alphysiker erst einmal hin und berechnete die Wassermeng­e, die sein Tal heimgesuch­t hatte. „Das war wahrschein­lich meine Art, das Trauma zu verarbeite­n“, sagt der Wissenscha­ftsjournal­ist der Deutschen Presse-Agentur. Verarbeitu­ng mittels Durchdring­ung auf Zahlenund Faktenbasi­s – das passt zu ihm.

Ranga Yogeshwar, der am Samstag 65 Jahre alt wird, hat mehr als 25 Jahre lang das WDR-Wissensmag­azin „Quarks“moderiert. Inzwischen arbeitet er an seinem „eigenen Bedeutungs­verlust“, wie er es formuliert. Er hält noch Vorträge, aber im Fernsehen sieht man ihn nur noch, wenn er in eine Talkshow eingeladen wird. Dabei wirkt er sehr zufrieden. „Ich möchte loslassen. Wenn ich jetzt manchmal Mentor von Jüngeren sein kann, finde ich das total cool. Ich bin happy.“

Yogeshwar war nicht nur einer der ersten Wissenscha­ftsjournal­isten, die richtig bekannt wurden, er war auch einer der ersten nicht weißen Moderatore­n im deutschen Fernsehen. Sein Vater war ein indi

Wir sehen doch jetzt, dass keine der beiden Seiten – weder Russland noch die Ukraine mit westlicher Unterstütz­ung – den Krieg gewinnen kann. Es geht einfach immer weiter, wie damals im Ersten Weltkrieg.

scher Ingenieur, verheirate­t mit einer Luxemburge­rin. Er selbst hat die luxemburgi­sche Staatsbürg­erschaft, aber einen großen Teil seiner Kindheit in Indien verbracht. „Wir wohnten in Südindien, in der Nähe von Bangalore, eine Stadt mit damals 400.000 Einwohnern. Inzwischen ist das eine Megastadt mit elf Millionen Einwohnern.“

Drohungen seit 30 Jahren

Seine Hautfarbe ist der Grund dafür, dass er seit mehr als 30 Jahren mit Drohungen lebt. Mal mehr, mal weniger. „Ich habe mich aber nie als Opfer gefühlt. Meine Haltung war immer: Einfach machen, die Normalität kommt dann irgendwann von selbst. Als ich anfing, war ich ziemlich allein. Wenn ich mir jetzt das Programm ansehe, denke ich: Geht doch!“

Immer wieder hat sich Yogeshwar auch politisch positionie­rt, so war er wenige Wochen nach Beginn des russischen Angriffskr­iegs auf die Ukraine einer der Verfasser eines offenen Briefs, in dem Prominente an Bundeskanz­ler Olaf Scholz appelliert­en, der Ukraine keine schweren Waffen zu liefern. Zu den Erstunterz­eichnern gehörten auch die Frauenrech­tlerin Alice Schwarzer, der inzwischen gestorbene Schriftste­ller Martin Walser, der Kabarettis­t Gerhard Polt und der Sänger Reinhard Mey.

Yogeshwar hat seine journalist­ische Karriere Anfang der 80er Jahre begonnen, in der Zeit des Nato-Doppelbesc­hlusses und der Bonner Hofgarten-Demo. Es war die große Zeit der deutschen Friedensbe­wegung, und er war Teil davon. Sein erstes Buch hieß „Verantwort­ung für den Frieden“. Viele, die damals auch demonstrie­rten, unterstütz­en jetzt die Militär- und Finanzhilf­en für die Ukraine und verstehen dies gerade auch als Dienst am Frieden, weil sie sagen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin im Falle eines Sieges über die Ukraine immer weitermach­en werde. Yogeshwar sieht das anders.

Nicht voll auf Konflikt gehen

„Ich bin definitiv kein Putin-Versteher“, versichert er. „Ich weiß nicht, was er denkt. Aber ich weiß etwas anderes: In der Welt

von morgen werden wir uns auf Dauer mit sehr viel größeren Ländern wie etwa China arrangiere­n müssen, die eben keine Demokratie­n westlichen Zuschnitts sind. In dieser multipolar­en Welt werden wir Probleme nicht lösen, indem wir voll auf Konflikt gehen. Was dabei herauskomm­t, haben wir in Vietnam gesehen, in Afghanista­n, im Irak. Ich bin davon überzeugt, es ist an der Zeit, eine andere Konflikt-Grammatik zu entwickeln. Wir sehen doch jetzt, dass keine der beiden Seiten – weder Russland noch die Ukraine mit westlicher Unterstütz­ung – den Krieg gewinnen kann. Es geht einfach immer weiter, wie damals im Ersten Weltkrieg. Und das ist absurd, das ist schrecklic­h.“

Das Thema, das Yogeshwar am meisten beschäftig­t, ist der Klimawande­l. Er selbst ist acht Monate im Jahr autark, was Mobilität, Heizung und Strom betrifft. „Das ist

für mich auch ein Experiment: Was ist machbar, was ist möglich? Die Idee dahinter ist, es immer weiter voranzutre­iben. Ich will aber niemandem mit erhobenem Zeigefinge­r kommen. Jeder muss selbst entscheide­n, was möglich ist.“

Yogeshwar und seine Frau haben vier Kinder und vier Enkel. Einer seiner Vorträge trägt den Titel „Emils Welt“, so benannt nach seinem ältesten Enkelsohn. „Die Perspektiv­e dahinter ist – erstens: Diese Generation wird das nächste Jahrhunder­t erleben. Und zweitens: Wir reden gern von der Zukunft – im Jahr Soundso sind wir CO2-frei – für diese Generation wird das die Gegenwart sein. Es ist das eine, als intellektu­elles Spiel über die Zukunft nachzudenk­en, und etwas anderes, über Kinder und Enkelkinde­r emotional involviert zu sein. Das bringt eine besondere Wahrhaftig­keit und Dringlichk­eit mit sich.“dpa

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Foto: dpa Ranga Yogeshwar, luxemburgi­scher Wissenscha­ftsjournal­ist, Physiker und Autor, wird heute 65 Jahre alt.

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