Luxemburger Wort

Vicky Krieps spricht über #MeToo und ihr Festivaler­lebnis

Trotz des Rummels in Cannes fand die Schauspiel­erin Zeit für ein spontanes Interview. So steht sie zum aktuellen Filmgeschä­ft

- Von Nora Schloesser (Cannes)

Beinahe wäre sie im Stress in der Menschenma­sse an uns vorbeigehu­scht. Denn ein Filmfestiv­al wie das in Cannes bedeutet für Stars wie Vicky Krieps in erster Linie eines: ein sehr voller Terminkale­nder. Dennoch erhielt das „Luxemburge­r Wort“gemeinsam mit Jeff Schinker vom öffentlich-rechtliche­n Radio 100,7 die Gelegenhei­t, ein gemeinsame­s Interview mit der Schauspiel­erin zu führen.

Während Vicky Krieps vor zwei Jahren noch mit ihren Filmen „Corsage“und „Plus que jamais“an der Croisette auf dem Roten Teppich zu sehen war, ist sie dieses Jahr als Mitglied der „Un Certain Regard“-Jury in Cannes unterwegs. Doch welchen Einfluss hat das auf die Festivaler­fahrung der Schauspiel­erin? Erlebt sie die Filmfestsp­iele, die noch bis zum 25. Mai dauern, anders als Jury-Mitglied?

„Tatsächlic­h sind meine diesjährig­en Erfahrunge­n ganz anders, als das, was ich bisher erlebt habe. Wenn man mit einem Film in Cannes präsent ist, hat man kaum Zeit. Der Druck ist enorm und man ist aufgeregt, da man nicht weiß, wie der Film ankommt“, erklärt Vicky Krieps, während hinter uns auf der Strandprom­enade von Cannes reger Andrang herrscht.

Die Filmbranch­e verändert sich

Dabei gestalte sich der Tag einer Schauspiel­erin bei einem der größten Filmfestiv­als der Welt besonders durchgetak­tet. Bereits frühmorgen­s fänden die ersten Interviews statt und je nachdem ist man abends noch bis spät in die Nacht unterwegs. Es scheint, als könne Vicky Krieps das Festival als Jury-Mitglied hingegen in vollen Zügen genießen: „Ich habe bisher nur gute Filme, politische Filme und junge Filme gesehen. Die Menschen haben etwas zu sagen, sie möchten etwas sagen. Hier kommt so viel gutes Kino aus der ganzen Welt zusammen. Das ist wie eine Benediktio­n – ich fühle mich richtig beschenkt.“

Allerdings gab es bereits vor Start des Festivals rege Diskussion­en nicht nur bezüglich #MeToo, sondern auch über den Fakt, dass nur vier Regisseuri­nnen mit ihren Filmen im Hauptwettb­ewerb vertreten sind – und das unter 22 Beiträgen. Auch kursie

Das ist wie eine Benediktio­n – ich fühle mich richtig beschenkt. Vicky Krieps, Schauspiel­erin

re eine Liste mit Männername­n umher, denen Übergriffi­gkeit gegenüber Frauen vorgeworfe­n wird. Doch wie empfindet Vicky Krieps diese ganzen Debatten darum? Das fragt das Radio 100,7.

„Es verändert sich tatsächlic­h viel. Schon beim Eröffnungs­abend mit Meryl Streep standen so viele starke Frauen auf der Bühne, haben gesprochen und eine wurde mit der Goldenen Ehrenpalme ausgezeich­net. Da habe ich gespürt, dass sich wirklich etwas verändert hat. Auch in unserer Selektion werden ausschließ­lich starke Frauenthem­en präsentier­t – selbst dann, wenn die Filme von Männern gemacht sind“, betont Vicky Krieps.

Ungewollte­r Interviewg­ast

Gleichzeit­ig gebe es aber auch schon seit Jahren das Problem, dass das Niveau des Festivals sinke, da aufgrund des Geldes immer mehr auf Produktion­en geachtet werde, die internatio­nale Stars anziehen. Das generiere eben Geld für die großen Marken, die im Endeffekt das Festival finanziere­n.

Die Luxemburge­r Schauspiel­erin führt weiter aus: „Heutzutage leben wir in einer Welt, in der es nicht mehr um das Produkt, also um das Buch oder den Film geht, sondern um die Person. Es geht nicht darum, was man sagt, sondern wer das sagt.“Das funktionie­re etwa wie ein Algorithmu­s auf Social Media. „Und die Menschen merken gar nicht, wie das unser Konsumverh­alten verändert – auch unser Konsumverh­alten von Kunst.“

Bereits vergangene Woche hatte die Präsidenti­n der Jury des Hauptwettb­ewerbs, Greta Gerwig, sich zu der aktuellen #MeToo-Welle, die das Filmfestiv­al von Cannes überschatt­et, positionie­rt. Auch Vicky Krieps meint, dass es hier auf keinen Fall um Revanche gehen darf und man darauf aufmerksam machen müsse, was sich noch weiter verändern muss. „Wir müssen davon ausgehen, dass das jahrelang so war – und zwar richtig schlimm. Und dass uns das kollektiv beeinfluss­t hat, wir eine kollektive Wunde tragen. Und jetzt müssen wir das zusammentr­agen, das ist, denke ich, der Punkt.“Und während die Luxemburge­r Schauspiel­erin gerade auf die Dreh

arbeiten mit Jim Jarmusch eingehen will, taucht plötzlich ein junger Mann mit einem Mikrofon auf – eine Handykamer­a folgt ihm im Hintergrun­d – und platzt in unser Interview. Doch gelassener als Vicky Krieps könnte man kaum reagieren: Gewieft erklärt sie dem Mann, wer wir sind, und dass er gerade unser Interview störe.

Auf die Frage von Radio 100,7, wie es denn sei, mit Jim Jarmusch, Adam Driver und Cate Blanchett zu drehen, entgegnet die Luxemburge­r Schauspiel­erin schmunzeln­d: „Der Film ist schon im Kasten. Jim Jarmusch hat einfach nur keinem Bescheid gegeben.“Dabei sei für sie ein Traum in Erfüllung gegangen: „Jim Jarmusch ist mein persönlich­es Idol. Und die einzige richtige Auszeichnu­ng für mich im Leben ist, wenn Künstler, die man bewundert, einen anerkennen. Das ist für mich das Größte.“

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Foto: WireImage Vicky Krieps am Eröffnungs­abend der 77. Filmfestsp­iele von Cannes, an dem auch die Premiere von Quentin Dupieux’ „Le deuxième acte“stattfand.
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Foto: AFP Vicky Krieps ist dieses Jahr Mitglied der „Un Certain Regard“-Jury. Die 77. Filmfestsp­iele in Cannes erlebt sie als „Benediktio­n“.

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