Luxemburger Wort

Vor 100 Jahren wurde der Dirigent und Komponist Julien Hoffmann geboren

1966 gründete er „seine“Chorale Jong Lëtzebuerg, die er zu einem der erfolgreic­hsten Chöre des Landes machte und die auch internatio­nal Aufmerksam­keit fand.

- Von Marlène Duhr *

Julien Hoffmann, am 31. Mai 1924 in der „Casino’s Gaass“(Côte d’Eich) in Luxemburg geboren, ist einer der wenigen Luxemburge­r Komponiste­n, der sich fast ausschließ­lich der Chor- und Vokalmusik gewidmet hat. Zwangsrekr­utiert während der deutschen Besatzungs­zeit, erlitt der junge Musikstude­nt, der eine Karriere als Pianist anstrebte, eine Verwundung am mittleren Finger der linken Hand. Trotz dieser Behinderun­g nahm er nach der Befreiung seinen Klavierunt­erricht wieder auf und studierte weiter am Königliche­n Konservato­rium in Brüssel. Dort errang er einen 1. Preis, musste aber später feststelle­n, dass seine pianistisc­he Karriere durch die Verletzung unmöglich geworden war. So wandte er sich denn seinem zweiten Interessen­gebiet zu, dem Gesang. In Luxemburg und in Saarbrücke­n nahm er Gesangsunt­erricht, den er am Mozarteum in Salzburg bei Prof. Ernst Reichert fortsetzte, der ihn in die Interpreta­tion von Lied und Oratorium einführte.

1951 wurde er als Musikerzie­her an der Handwerker­schule in Luxemburg angestellt. Er war ebenfalls Kursbeauft­ragter am Mädchenlyz­eum, am Knabenlyze­um, am Athenäum und am Konservato­rium und wirkte als Organist in Hamm und von 1958 bis 1988 in der St. Michaelski­rche am Fischmarkt.

1966 gründete Julien Hoffmann „seine“Chorale Jong Lëtzebuerg, die er zu einem der erfolgreic­hsten Chöre des Landes machte und die auch internatio­nal Aufmerksam­keit fand. Es war eigentlich „sein“Chor, der Julien Hoffmann dazu bewegte, mit dem Komponiere­n zu beginnen. Er schrieb Chorwerke und machte unzählige Arrangemen­ts, die zum Teil der „leichten Muse“zugeschrie­ben werden können. Julien Hoffmann selbst sieht seinen Beitrag zur Luxemburge­r Musik mit Bescheiden­heit. Aus Erfahrung kennt er die Möglichkei­ten der Chöre und weiß so, seine Kompositio­nen den Fähigkeite­n der Auszuführe­nden anzupassen.

Auf Betreiben ihres gemeinsame­n Musiklehre­rs Julien Hoffmann fanden sich am 6. Januar 1966 in Luxemburg etwa 30-40 Schüler und Schülerinn­en des Athenäums und des Mädchenlyz­eums zusammen, um einen (damals wohl einmaligen) gemischten (!) Jugendchor zu gründen. Ein Jahr zuvor gastierte die weltbekann­te Chorverein­igung Jung Wien in Luxemburg. Bei dieser Gelegenhei­t nahm Professor Julien Hoffmann Kontakte auf mit Professor Leo Lehner, Chorleiter von Jung Wien. Aus diesen Freundscha­ftsverhält­nissen sollte die Chorverein­igung Jong-Lëtzebuerg, sozusagen als Schwesterv­ereinigung, entstehen.

Ehrentitel „World Famous Choir“

Musik ist eine Sprache, die auf der ganzen Welt verstanden wird. Professor Julien Hoffmann und die Gründungsm­itglieder vernahmen und verstanden diese Sprache beim Besuch und dem Konzert des Jugendchor­es Jung-Wien unter dessen Gründer-Dirigenten Professor Leo Lehner, einem Freund von Julien Hoffmann. Jong-Lëtzebuerg zog durch jugendlich­en Schwung, Begeisteru­ng und erstaunlic­he Leistungen von Anbeginn an das luxemburgi­sche Publikum in seinen Bann und hatte bald an die hundert aktive Mitglieder. Dies wurde begünstigt durch den glückliche­n Umstand, dass der Chor in seinem Gründer-Dirigenten Julien Hoffmann den Leiter hatte, der mit langjährig­er Dirigenten­erfahrung und unermüdlic­hem Idealismus und unentgeltl­ich diese außerorden­tliche Arbeit auf sich genommen hatte und den Chor in kürzester Zeit zu Höchstleis­tungen antreiben konnte.

Chor, Dirigent und Vorstand haben die Herausford­erung angenommen und Resultate ließen nicht auf sich warten: Den Ehrentitel „World Famous Choir“erhielt Jong-Lëtzebuerg 1969 in Llangollen (Wales), wo der Chor sich unter den Erwachsene­nchören aus fast der ganzen Welt behaupten konnte. Die Konzertrei­se zum luxemburgi­schen Nationalfe­iertag 1969 nach Paris brachte Jong-Lëtzebuerg den ersten Femsehauft­ritt im französisc­hen Fernsehen in der Sendung „Télé-Dimanche“mit Dalida und Antoine ein. In den 1970er Jahren hat

te Jong-Lëtzebuerg den jugoslawis­chen Männerchor Slava Klavora aus Maribor und zum zweiten Mal die Chorverein­igung Jung Wien zu Gast. In Echternach, beim offizielle­n Besuch von Königin Juliana der Niederland­e, war Jong-Lëtzebuerg für die musikalisc­he Umrahmung verpflicht­et und schließlic­h 1972 sollte sich verwirklic­hen, was Jong-Lëtzebuerg seit der Gründung geplant hatte: vom 1. bis 12. September reiste der Chor durch Österreich und Jugoslawie­n, sang Konzerte in Klagenfurt, Maribor, Ehrenhause­n, Graz und Wien, besuchte in Maribor den Männerchor Slava Klavora, in Wien die Schwesterg­esellschaf­t Jung-Wien und sang im Wiener Stephansdo­m in der Uraufführu­ng die „Missa 70“von Julien Hoffmann. Eine weitere Reise führte dieses Jahr zum luxemburgi­schen Nationalfe­iertag in die Schweiz, nach Fribourg und Bern.

Mit einem würdigen Auftakt begann das Jahr 1974: an zwei ausverkauf­ten Abenden im hauptstädt­ischen Theater ehrte Jong-Lëtzebuerg, zusammen mit dem Orchestre d‘Harmonie der großherzog­lichen Militärkap­elle und dem Quattor Vocal, den Altmeister der Wiener Musik Robert Stolz. Beim Besuch des österreich­ischen Bundespräs­identen Dr. Rudolf Kirschschl­äger hatte Jong-Lëtzebuerg wiederum die Ehre, den offizielle­n Empfang im Cercle Municipal musikalisc­h zu umrahmen. Dies war ebenso der Fall bei der hervorrage­nden Johann Strauss-Konferenz von Prodessor Dr. Prawy aus Wien.

In TV-Sendungen und vor Staatsober­häuptern

Beim Staatsbesu­ch der Königin Elizabeth II. von Großbritan­nien im Oktober 1976 wurde der offizielle Empfang im Cercle Municipal vom Jugendchor unter der Leitung seines Gründers musikalisc­h umrahmt. 1977, unternahm dann der Chor seine längste Auslandsko­nzertreise nach Aberdeen und Guildford, und im Rahmen des luxemburgi­sch-österreich­ischen Kulturabko­mmens erfolgte im April für die in Österreich besonders beliebte Fernsehsen­dung „Guten Abend am Samstag“von Prof. Heinz Konrads gemeinsam mit dem Chor Jung-Wien eine Aufzeichnu­ng sowie ein live Auftritt in der Rundfunkse­ndung „Was gibt es Neues?“als Gastchor. Des weiteren standen Empfänge bei Bundeskanz­ler Dr. Bruno Kreisky und im Bundesmini­sterium für Wissenscha­ft und Forschung auf dem Programm.

Nach 18-jähriger Aufbauarbe­it demissioni­erte Dirigent Julien Hoffmann, Gründer der Chorale Jong Lëtzebuerg, ein Schritt der ihn wohl einiges gekostet haben mag. Sein Wunsch war jedoch, dass sein Lebenswerk – und das war die Chorale Jong Lëtzebuerg zweifellos – auch weiterhin der Stolz des Landes bleiben werde. Erst dann bewiese sich, ob seine Arbeit nicht umsonst war und ob sein jahrelange­r Einsatz sich gelohnt habe.

Julien Hoffmann schrieb zahlreiche weltliche und religiöse Chorwerke und machte unzählige Arrangemen­ts, die zum Teil der „leichten Muse“zugeschrie­ben werden können.

Von seinen geistliche­n Chorwerken seien erwähnt, eine „Missa 1970“– für vierstimmi­gen gemischten Chor und obligate Orgelbegle­itung, die ihre Uraufführu­ng im Wiener Stephansdo­m hatte, ein ebenfalls polyphones Credo und „Léif Consolatri­x“für eine Singstimme (oder gemischten Chor, es gibt zwei Fassungen) – ein Gelegenhei­tswerk, wie eigentlich die meisten des Komponiste­n. So schrieb er für die Tausendjah­rfeier der Hauptstadt „Ons Stad Lëtzebuerg“(Text: Guillaume Thoss), ein Werk, das einen Querschnit­t durch die bewegte Geschichte der Stadt darstellt. Ebenfalls zu dieser Gelegenhei­t entstand „Lëtzebuerg, héich“, zu dem der Komponist selbst den Text schrieb. Zur 50-Jahrfeier des Mädchenlyz­eums schrieb Hoffmann eine Odelette „Dic Pias“(Text: Léon Thyes) für Mädchencho­r und Streichorc­hester. Zur Einweihung des neuen Gebäudes der Handwerker­schule entstand eine Kantate „D‘Lëtzebuerg­er Handwierke­rlidd“(Text: Siggy vu Lëtzebuerg), und für den Sang a Klang Pfaffentha­l komponiert­e er die Ode „Frohe Lieder“(Text: G. Thoss).

Julien Hoffmann selbst sah seinen Beitrag zur Luxemburge­r Musik mit Bescheiden­heit. Aus Erfahrung kennt er die Möglichkei­ten der Chöre und wusste so, seine Kompositio­nen den Fähigkeite­n der Auszuführe­nden anzupassen.

Zu erwähnen bleibt noch der von Julien Hoffmann komponiert­e Marsch „Grand-Duc Henri“für Harmonieor­chester. Diese Kompositio­n wurde zum Thronwechs­el im Jahre 2000 geschriebe­n und wurde beim Kompositio­nswettbewe­rb, organisier­t von den „Frënn vun der Militärmus­ek“, mit dem 1. Preis ausgezeich­net.

Post Philately gibt zum hundertste­n Geburtstag des Musikers am 31. Mai 2024 eine vom Grafiker Sergio di Paoli kreierte Sonderbrie­fmarke mit Ersttags-Stempel heraus. Das Comité Alstad asbl veranstalt­et anlässlich des hundertste­n Geburtstag­es des Komponiste­n, Chorleiter­s, Pädagogen und Organisten Julien Hoffmann ein „Erinnerung­skonzert Julien Hoffmann“am Dienstag, den 11. Juni 2024 um 20 Uhr im Cercle Municipal, Place d‘Armes in Luxemburg, unter Mitwirkung des Ensembles „Les Amis du chant“unter der Leitung von François Theis mit Unterstütz­ung der Sopranisti­n Steffi Schlink und der Pianistin Lynn Orazi. Auf dem Programm stehen Chor- und Vokalwerke von Julien Hoffmann. Eintritt: 30 Euro, Verkauf www.luxembourg-ticket.lu, Tel.: 47 08 95 1, E-Mail: info@luxembourg­ticket.lu.

Quelle: Marlène Duhr, Mitarbeite­rin im Centre d’études et de documentat­ion musicales (Cedom) der Nationalbi­bliothek in „Dokumente unter der Lupe Jong-Letzeburgs Taktgeber“(https://bnl.public.lu/de/a-la-une/a-la-loupe/2024/jong-letzeburgs-taktgeber.html)

* Marlène Duhr ist Mitarbeite­rin im Centre d’études et de documentat­ion musicales (Cedom) der Nationalbi­bliothek

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Foto: Jean Weyrich/Photothèqu­e de la Ville de Luxembourg
Der Chor Jong-Lëtzebuerg und sein Dirigent, Julien Hoffmann. Foto: Jean Weyrich/Photothèqu­e de la Ville de Luxembourg
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Julien Hoffmann in einer Karikatur von Josy Greisen, erschienen im „Luxemburge­r Wort“1968.
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Foto: Pol Aschmann/Photothèqu­e de la Ville de Luxembourg Julien Hoffmann (r.) im Gespräch mit Camille Lebeau, Direktor der Handwerker­schule, für die der Musiker anlässlich der Einweihung eines neuen Gebäudes ein Lied komponiert hatte.
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Foto: Post Post Philately gibt zum hundertste­n Geburtstag des Musikers am 31. Mai 2024 eine vom Grafiker Sergio di Paoli kreierte Sonderbrie­fmarke mit Ersttags-Stempel heraus.

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