Glen Powell in „Hit Man“: Ein neuer Star am Actionhimmel
Der US-Schauspieler legt im neuen Werk von Richard Linklater, über dessen Schwächen man meist hinwegsehen kann, einen glänzenden Auftritt hin
Was unterscheidet den Komiker Steve Carell und Schauspiel-Megastar Timothée Chalamet? Zum einen natürlich das Aussehen, das ist nicht von der Hand zu weisen. Zum anderen aber auch der Zeitpunkt in ihrem Leben, in dem ihnen der große Durchbruch gelang. Chalamet, jetzt 28 Jahre alt, spielte sich vor sieben Jahren im Drama „Call Me by Your Name“von Luca Guadagnino in die Herzen der Kritiker. Carell hatte hingegen bereits 43 Jahre hinter sich, als ihn die Hauptrolle in der US-Adaption der Serie „The Office“ins Rampenlicht rückte. Recht spät für einen Schauspieler, der einst aus finanziellen Gründen als Briefträger in die Arbeitswelt einstieg.
Die Biografie von Glen Powell, dem Hauptdarsteller des Films „Hit Man“lässt sich irgendwo dazwischen einordnen: Der 35-jährige Texaner stand schon als Teenager vor der Kamera und spielte in den vergangenen rund 15 Jahren in zahlreichen bekannten Kino- und TV-Produktionen mit – von „The Expendables 3“über „Hidden Figures“bis hin zu „Screem Queens“. Doch der große Durchbruch zur ganz großen Hollywoodkarriere blieb ihm lange verwehrt. Das Gesicht blieb unbekannt. Bis jetzt, denn die Zeit ist offenbar reif, es hatte sich mit der Rolle in „Top Gun: Maverick“bereits angedeutet: Glen Powell wird das neue, frische Gesicht Hollywoods. Und nicht zu vergessen ein wandelbares Gesicht, was in der Actionkomödie, die in dieser Woche in den Kinos startete, mehr als deutlich wird. Zentrale Figur im Film, der auf einer wahren Begebenheit beruht, ist Collegedozent Gary Johnson (Glen
Powell), der vor allem eines will: nicht auffallen. Johnson ist der Prototyp eines Normcore-Langweilers, der weder von den Frauen wahr-, noch von seinen Studentinnen und Studenten ernst genommen wird. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als seine Nebentätigkeit bei der Polizei ihm durch Zufall eine neue Aufgabe verschafft, die ihm wie auf den Leib geschneidert scheint: Als vermeintlicher Auftragskiller bringt er Menschen hinter Gitter, die sich eines Problems auf zwei Beinen, etwa der nervigen Mutter oder des schrecklichen Gatten, entledigen wollen.
Zu diesem Zweck schlüpft Johnson immer wieder in neue Charakterrollen und kommt aus dem selbst gewählten Schneckenhaus heraus – zumindest zeitweilig. Ganz aus seiner Haut kann er jedoch nicht: Madison (Adria Arjona) rät er zu einem Neuanfang, zu dem später auch er gehören wird… als leidenschaftlicher Liebhaber, der schlussendlich doch in einen Mord verwickelt wird und eine Entscheidung treffen muss, die sein ganzes Leben verändern wird.
Glen Powell gelingt es problemlos, dieser anfangs recht grauen Figur Leben einzuhauchen. Die Rolle des taffen Killers, der in Wirklichkeit keiner Fliege etwas zu leide tun kann, wirkt ihm wie auf den Leib geschneidert – und das ist sie auch: Powell war mit Regisseur Richard Linklater („School of Rock“, „Boyhood“), mit dem er schon mehrfach zusammenarbeitete, gemeinsam für das Drehbuch verantwortlich.
Man spürt regelrecht in vielen Szenen den Spaß, den Powell an der Verkleidung hat; auch wenn die Überspitzung manchmal überhandnimmt. Auch die Ausgangssituation kommt einer Anhäufung von Klischees gleich: Die Hauptfigur ähnelt – mit Socken in Sandalen und einem Honda Civic als fahrbarem Untersatz – einem Charakter aus einer High-School-Romcom. Und die anschließende Verwandlung verläuft ähnlich. Aus dem grauen Entlein wird ein schöner Schwan – was auch hier nicht schwierig ist: Verschwinden Sandalen und Dad-Jeans, wird aus Gary Johnson in Sekundenschnelle ein attraktiver Mann, der er doch eigentlich bereits zuvor war. „She‘s all that“lässt grüßen.
Voller Romcom-Klischees
Auch die Nebencharaktere scheinen einer klischeebehafteten romantischen Komödie entsprungen: Da ist etwa die afroamerikanische Polizistin Claudette (Retta), die eine Spur zu laut und emotional ist, oder der Kollege, der die Technik übernimmt (Sanjay Rao) und natürlich indische Wurzeln hat. Und das Happy End? Nun ja, doch etwas vorhersehbar. Trotz dieser Schwächen überzeugt „Hit Man“als Komödie durchaus. Die Pointen sind gezielt untergebracht. Und nicht zuletzt macht es großen Spaß, Glen Powell bei seiner Metamorphose zu beobachten – und dabei sich selbst bei der Überlegung zu ertappen, wie es wäre, zumindest kurzzeitig in eine fremde Haut zu schlüpfen.
Welche Rollen Glen Powell noch spielen kann, wird sich bereits im Sommer zeigen: Dann startet der Katastrophenfilm „Twisters“, ein inhaltlich nicht näher verbundenes Sequel zum beinahe gleichnamigen Blockbuster aus dem Jahr 1996. Darin zu sehen: Powell als Tornado-Jäger Tyler Owens. Womöglich eine weitere Stufe auf der Karriereleiter, die den 35-Jährigen derzeit weit nach oben führt.