Handel unter vollem Tuch
Torrevieja unterhielt im 19. Jahrhundert die größte Flotte von Windjammern und Handelsseglern im Mittelmeer
Er hat kein Schiff verloren und keinen Mann der Besatzung. Auf 54 Handelsfrachtern, unter Segeln wie unter Motor, absolvierte er seinen Dienst zur See – anfangs als Schiffsjunge, keine 15 Jahre alt, hernach als Kapitänsadjudant und im reiferen Alter als Erster Offizier. José Huertas Morrión (19091998) hat sein Leben der See gewidmet. Während all seiner Seefahrten hat der Autor des Buches „Los últimos Veleros del Mediterráneo“(Die letzten Segler des Mittelmeeres) Tagebuch geführt.
Ein Leben für die See
José Huertas mag im andalusischen Jeréz de la Frontera geboren sein, Torrevieja war zeitlebens sein Heimathafen und in seinen rund ein Dutzend Büchern lässt er maritime Historie aufleben: „Es ist die Geschichte eines Fischerdorfes, das vom Meer und für das Meer lebt“, notiert er. Der Seemann dokumentierte „das Abendrot der letzten Windjammer des Mittel- meeres“. Und „der Menschen aus Eisen, die diese Holzkisten mit ihren wuchtigen Masten“steuerten und auf dem Atlantik oder in der Nordsee „Tag und Nacht der Kälte und dem Schlafbedürfnis“trotzten.
Unter König Karl III. (17161788) erlebte der spanische Überseehandel mit den Kolonien seinen zweiten Aufschwung nach der Conquista. Der aufgeklärte Mo- narch erteilte 1778 allen spanischen Häfen die Freiheit, Handel mit den Übersee-Kolonien in Amerika zu betreiben – ein Privileg, das zuvor nur Sevilla zustand. Es war die Zeit, als Torrevieja sich vom Fischerdorf mit kaum 200 Einwohnern zum Heimathafen der Seefahrer aufschwang, die das Salz aus den Lagunen und das Gemüse der Huerta der Vega Baja bis Nordafrika verschifften und nach Kuba, Mexiko, den Philippinen oder Puerto Rico brachten. Torrevieja sollte innerhalb von hundert Jahren die größte Flotte der Windjammer im Mittelmeer unterhalten.
Am Strand von Cala Cornuda, dem heute zugeschütteten Areal, wo die Kirmes und der Hippie-
Cala Cornuda, heute zugeschüttet und Standort der Kirmes: Der Strand diente als Werft. Markt liegen, ließen die Bootsbauer immer größere und stolzere Schiffe vom Stapel: Keine nostalgischen Lateiner-Boote mehr, „Faluchos“genannt oder „Balandras“, sondern stolze Gaffelschoner mit zwei und drei Masten. Da roch es dann nach Teer zum Kalfatern und nach Farbe, nach Tauwerk, Hanf und Holz. Dort wurden die Schiffe gezimmert von „maéstros calafates“, Schiffsbaumeistern wie Francisco Segarra, Tío Quico genannt, Miguel Gutierrez, besser bekannt als Tío Mikado oder Miguel Maré, genannt El Caporra.
„Torre Vigía“im ersten Boom
Denn zwischen 1770 und 1780 wurden die Salinen ausgebaut. Das weiße Gold der Costa Blanca war begehrt auf den Antillen. Und an den stürmischen Küsten von Galicien im hohen Norden Spaniens, wo das Salz den Fischern der Konservierung diente beim Fang des Thunfischs. „Torre Vigía“– benannt nach dem Wachturm, der sich im Landesinneren bei den Eras de la Sal befand – erlebte seinen ersten Boom.