Schlaflos in Alicante
Die Parkverbotsschilder, wenige Tage vor Beginn der Hogueras, verheißen nichts Gutes. Bald darauf ist die ganze Straße mit Festbeleuchtung behängt. Spätestens als die Arbeiter eine Bühne mit beängstigend großen Lautsprechern direkt unter dem Wohnzimmerfenster installieren, ist klar: Das könnte eine ziemlich ungemütliche Woche werden. Die Arbeitskollegen versuchen zu beruhigen. Ihre mitleidigen Gesichter sprechen Bände. Na das kann ja heiter werden. Es beginnt alles ganz harmlos: Die Nachbarn aus dem Viertel, größtenteils Familien mit Kindern, gesellen sich zu einem gemütlichen Abendessen an ranzigen Plastiktischen in die Straße. Um 24 Uhr werden alle, die am nächsten Tag arbeiten müssen – scheinbar sind das im Barrio nicht viele – zum ersten Mal unsanft aus dem Schlaf gerissen. Der DJ unten auf der Bühne hat die Musik auf volle Lautstärke aufgedreht. Die Fensterscheiben im Wohnzimmer klirren. Aus dem zweiten Stock ist es ein merkwürdiges Bild: An Tanzen denkt da unten keiner und zu stören scheint der spanische Schlager- und Reggaeton-Mix auch keinen. Seelenruhig sitzen die Familien an ihren Plastiktischen und schreien sich über die Musik hinweg an. Ein richtig gemütliches Abendessen also.
Plötzlich werden im Zimmer der Mitbewohnerin Schranktüren auf- und zugeschlagen. Was ist denn in die gefahren? „Me voy!”, die spanische WG-Kollegin wirft das Handtuch – oder besser gesagt die Kleidung in den Koffer. Na toll. Wenn nicht mal die Spanier diesen Lärm aushalten, wie soll denn dann eine von der Ruhe verwöhnte Deutsche eine Woche hier überleben? Die Party vor der Tür geht in dieser Nacht bis fünf Uhr morgens. Genau wie an den darauffolgenden.
Am vierten Tag kommt die spanische Nachbarin vorbei. Das schlechte Gewissen steht ihr ins Gesicht geschrieben. Sie streckt mir ein Stück ThunfischCoca entgegen. „Hier, nimm, damit du auch ein bisschen was von unserer Kultur mitbekommst.” Vielen Dank, denke ich mir, ich bin gerade dabei.